Problempunkt

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Der Kläger macht Prämienansprüche aus den Jahren 2014 und 2015 geltend. Gemäß seinem am 20.2.2012 abgeschlossen Arbeitsvertrag erhält er eine leistungsabhängige Prämie, die ab dem Jahr 2014 bis zum 31.3. des jeweiligen Folgejahreszahlbar ist. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit diesem in Verbindung stehen, sind nach dem Arbeitsvertrag innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend zu machen. Ab dem Jahr 2014 hatte der Kläger keine Prämienmehr erhalten. Im November 2015 hatte er dem Geschäftsführer der Beklagten eine Liste mit strittigen Themen übergeben, zu denen ausdrücklich auch die Zahlung von Tantiemen für die Jahre 2014 und 2015 gehörten. Der Geschäftsführer der Beklagten hatte zunächst darauf hingewiesen, erst die endgültigen Umsatzzahlen abwarten zu wollen. In weiteren Gesprächen Ende Mai 2016 erklärte die Beklagte dann, dass sie die Prämien der Jahre 2014 und 2015 nicht freiwillig zahlen werde. Am 17.2.2017 hatte der Kläger die Prämienansprüche gerichtlich geltend gemacht.

Entscheidung

Die Prämienansprüche des Klägers waren verfallen. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenklausel war als AGB wirksam vereinbart. Insbesondere mussten Mindestentgeltansprüche nicht aus dem Anwendungsbereich der Klausel herausgenommen werden, da der Vertrag zwischen den Parteien im Februar 2012 und damit vor Inkrafttreten des MiLoG am 16.8.2014 abgeschlossen worden war. Die Prämienansprüche des Klägers wurden vertragsgemäß jeweils bis zum 31. März des jeweiligen Folgejahres fällig. Dies gilt auch dann, wenn man in der Regelung eine Prämienzahlung nach dem Ermessen des Arbeitgebers gem. § 315 BGB sieht. Auch für diesen Fall hätte der Kläger seinen Anspruch auf arbeitgeberseitige Ausübung des Bestimmungsrechtsinnerhalb der vertraglichen Ausschlussfristenregelung geltend machen müssen. Der Kläger hatte die Prämienansprüche aus den Jahren 2014 und 2015 jedoch erstmals mit der Klageschrift am 17.2.2017 schriftlich geltend gemacht. Für eine Geltendmachung im Sinne der Ausschlussfrist hatte nämlich weder die Auflistung der strittigen Gesprächsthemen vom November 2015 ausgereicht. Und auch der Hinweis des Geschäftsführers der Beklagten darauf, erst die endgültigen Umsatzzahlen abwarten zu wollen, verwehrte der Beklagten nicht, sich auf den Ablauf der Ausschlussfrist berufen zu können. Denn spätestens in den Gesprächen Ende November 2015 und Ende Mai 2016 hatte die Beklagte jedenfalls deutlich gemacht, dass sie die Prämien der Jahre 2014 und 2015 nicht freiwillig zahlen würde. Spätestens zu diesem Zeitpunkt musste der Kläger erkennen, dass die Beklagte seiner Forderung nicht nachkommen würde. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs gegenüber dem Ablauf der Ausschlussfrist fiel spätestens zu diesem Zeitpunkt weg. Der Kläger war daraufhin gehalten, seinen Anspruch innerhalb einer kurzen, nach den Umständen des Falls sowie Treu und Glauben zu bestimmenden Frist in der nach dem Arbeitsvertrag gebotenen Form geltend zu machen. Diese Frist war bei klageweiser Geltendmachung der Ansprüche im Februar 2017 überschritten. Selbst wenn in den Gesprächen zwischen den Parteien schwebende Vergleichsverhandlungen gelegen hätten, kommt auch eine Hemmung des Laufs der Ausschlussfrist nach § 203 Satz 1 BGB nicht in Betracht. Diese Hemmungsregelung ist allenfalls auf der zweiten Stufe einer vertraglichen Ausschlussfrist, bei dem Erfordernis der gerichtlichen Geltendmachung, analog anzuwenden. Eine Hemmung bereits bei der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Vertragspartner kommt aber nicht in Betracht.

Konsequenzen

Der 5. Senat schließt sich mit seiner vorliegenden Entscheidung der Rechtsprechung des 9. Senats des BAG zur Wirksamkeit von Ausschlussfristen in AGB an (vgl. Urt. v. 18.9.2018 – 9 AZR 162/18, AuA 5/19, S. 313). Danach sind Ausschlussklauseln unwirksam, wenn sie den Anspruch auf Mindestlohn nicht ausdrücklich aus ihrem Geltungsbereich herausnehmen. Etwas anderes gilt jedoch für sog. Altverträge, die vor Inkrafttreten des MiLoGam 16.8.2014 vertraglich vereinbart wurden. Derartige Verfallklauseln in Altverträgen sind nur insoweit teilunwirksam, als sie den gesetzlichen Mindestlohnanspruch betreffen. Im Übrigen bleibt die Klausel aber wirksam. Darüber hinaus lässt es Ausschlussklauseln in ihrer Gesamtwirksamkeit unberührt, wenn wie vorliegend tarifliche Ansprüche und Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen nicht ausdrücklich ausgenommen werden (so bereits Urt. v. 18.9.2018, a. a. O.). Der Lauf der Ausschlussfrist beginnt mit der Fälligkeit des Anspruchs. Der Gläubiger muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Der Anspruch und seine Höhe müssen hinreichend deutlich bezeichnet werden. Zwar kann dem Schuldner des Anspruchs die Berufung auf die Ausschlussfrist nach § 242 BGB verwehrt sein, wenn er den Gläubiger von der Geltendmachung des Anspruchs bzw. der Einhaltung der Ausschlussfrist abhält. Wie die vorliegende Entscheidung zeigt, sind die Anforderungen dafür aber hoch. Der Hinweis der Beklagten, zunächst endgültige Umsatzzahlen abwarten zu wollen, reicht dafür nicht aus. Darüber hinaus kann der Einwand des Rechtsmissbrauchs dem Ablauf einer Ausschlussfrist nur solange entgegengehalten werden, wie es gerade das rechtsmissbräuchliche Verhalten ist, welches den Arbeitnehmer von der Geltendmachung des Anspruchsabhält. Sobald klar wird, dass der Arbeitgeber seiner Forderung nicht nachkommen wird, muss der Gläubiger seinen Anspruch innerhalb einer kurzen, nach Treu und Glauben zu bestimmenden Frist geltend machen.

Verlangt eine Ausschlussklausel die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs, ist die Ausschlussfrist analog § 203 Satz 1 BGB gehemmt, solange die Parteien vorgerichtliche Vergleichsverhandlungen führen; der Zeitraum, während dessen die Vergleichsverhandlungen andauern, wird entsprechend § 209 BGB in die Ausschlussfrist nicht eingerechnet (BAG, Urt. v. 20.6.2018 – 5 AZR 262/17, AuA 2/19, S. 118). Mit der vorliegenden Entscheidung stellt das BAG aber klar, dass diese Analogie nur für die zweite Stufe einer Ausschlussfristenklausel gilt, nicht aber bereits für die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs.

Praxistipp

Das BAG stärkt mit der vorliegenden Entscheidung die Wirksamkeit von Ausschlussfristen in AGB. Um die Frist zu wahren, muss der Gläubiger die Forderungen konkret und hinreichend deutlich gegenüber der anderen Seite geltend machen. Der Einwand, der Schuldner könne sich nicht auf die Ausschlussklausel berufen, da er den Gläubiger von der Geltendmachung des Anspruchs abgehalten habe, ist regelmäßig schwierig zu führen.

 

Mit freundlicher Genehmigung der HUSS-MEDIEN GMBH aus AuA 12/19, S. 728.