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Betriebliche Altersvorsorge – Zulässigkeit
des Eingriffs in bestehende Anwartschaften

Wird bei der Ablösung von Versorgungsregelungen durch den Abschluss einer neuen Betriebs- oder Dienstvereinbarung in bereits erworbene Anwartschaften eingegriffen, ist dies nur unter Beachtung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zulässig. Insoweit ist das von BAG entwickelte dreistufige Prüfungsschema anzuwenden.

BAG 15.01.2013 – 3 AZR 169/10

 

Nächtlicher Bereitschaftsdienst und
Zusatzurlaub für Nachtarbeit

Nächtlicher Bereitschaftsdienst ist ausgleichspflichtige Nachtarbeit im Sinne des § 6 Abs. 5 ArbZG. Eine Tarifnorm, die einen Ausgleich für nächtlichen Bereitschaftsdienst ausschließt, ohne selbst einen tariflichen Ausgleich zu bestimmen, verstößt gegen § 6 Abs. 5 ArbZG.

BAG 12.12.2012 – 10 AZR 192/11

 

Abgrenzung von Tätigkeit im Werkvertrag
und verdeckter Arbeitnehmerüberlassung

Ob Fremdarbeiter in einem Betrieb Erfüllungsgehilfen eines Werkunternehmers oder Leiharbeitnehmer mit einem Anspruch auf „Equal-Pay“ sind, bestimmt sich danach, ob sie weisungsgebunden sind und in welchem Umfang die Eingliederung in die Betriebsorganisation erfolgt. Fehlt es an einer abgrenzbaren Leistung spricht dies für eine Arbeitnehmerüberlassung. Das gilt zumindest dann, wenn der Auftraggeber durch seine Anweisungen den Gegenstand der zu erbringenden Leistungen überhaupt erst bestimmt.

LAG Berlin-Brandenburg 12.12.2012 – 15 Sa 1217/12

 

Voraussetzungen für eine außerordentliche
betriebsbedingte Kündigung mit sozialer
Auslauffrist bei Alterssicherung

Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit unter Umständen noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde. Ein wichtiger Grund kann sich auch für eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher Maßnahmen ergeben. Die einer solchen Maßnahme zugrundliegende unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Berechtigung oder Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Der Arbeitgeber muss in der Regel auch dann nicht von einer Fremdvergabe der Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einer größeren Zahl ordentlich nicht mehr kündbarer Arbeitsverhältnisse die Grundlage entzogen wird.

BAG 22.11.2012 – 2 AZR 673/11

Ankündigung einer Krankheit
rechtfertigt Kündigung nicht immer

Kündigt ein Mitarbeiter an, am nächsten Tag arbeitsunfähig erkrankt zu sein, kann hierin eine Pflichtverletzung liegen. Besteht dann aber tatsächlich objektiv eine Erkrankung, stellt das Verhalten ohne vorherige Abmahnung keinen Kündigungsgrund dar. Die Behauptung des Arbeitnehmers, er sei bereits zum Zeitpunkt der Ankündigung krank gewesen, muss der Arbeitgeber widerlegen.

LAG Berlin-Brandenburg 15.03.2013 – 10 Sa 2427/12

 



Arbeitsunfähige Arbeitnehmer dürfen
an Bewerbungsgesprächen teilnehmen

Die Teilnahme an einem Bewerbungsgespräch während einer Krankschreibung rechtfertigt nicht ohne weiteres eine Kündigung. Arbeitsunfähig erkrankte Mitarbeiter müssen sich bemühen schnellstmöglich wieder gesund zu werden. Das heißt aber nicht, dass sie die Wohnung nicht verlassen dürfen. Es ist einzelfallabhängig, welche Tätigkeiten einem Arbeitnehmer während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit untersagt sind.

LAG Mecklenburg-Vorpommern 05.03.2013 – 5 Sa 106/12

 

Keine betriebsbedingte Kündigung
bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung

Beruft sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer Kündigung darauf, dass der Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers weggefallen ist, weil seine Tätigkeiten fremdvergeben wurden, liegt eine unzulässige Austauschkündigung vor, wenn die Fremdvergabe nicht in selbstständiger Erledigung durch den Dritten erfolgt, sondern dieser in den Arbeitsbetrieb des (kündigenden) Arbeitgebers eingegliedert wird.

LAG Berlin-Brandenburg 05.03.2013 – 12 Sa 1624/12

Einsatzzeit als Leiharbeitnehmer ist nicht auf
Wartezeit für Anwendbarkeit des KSchG anrechenbar

Wird ein Leiharbeitnehmer von einem Entleiher in ein Arbeitsverhältnis übernommen, wird die Zeit der Beschäftigung als Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb nicht auf die in § 1 Abs. 1 KSchG normierte Wartefrist angerechnet. Dies gilt auch dann, wenn der (Leih-)Arbeitnehmer ununterbrochen auf demselben Arbeitsplatz eingesetzt war.

LAG Niedersachsen 05.04.2013 – 12 Sa 50/13

 

Fehlverhalten des Ehepartners
rechtfertigt keine Kündigung

Beleidigt und bedroht der Ehepartner eines Mitarbeiters dessen Vorgesetzte, rechtfertigt dies ohne vorherige Abmahnung grundsätzlich keine verhaltensbedingte Kündigung. Dies gilt zumindest dann, wenn der Mitarbeiter keine Möglichkeit hatte, die Äußerungen zu verhindern und eine Abmahnung nicht von vornherein aussichtslos erscheint.

LAG Berlin-Brandenburg 05.04.2013 – 10 Sa 2339/12

 

Kein besonderer Kündigungsschutz
bei Bewerbung für den Wahlvorstand

Im Hinblick auf eine Betriebsratsgründung ist zu beachten, dass der sich aus § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG i.V.m. § 103 Abs. 1 BetrVG ergebende besondere Kündigungsschutzzwar für Mitglieder eines Wahlvorstandes und Wahlbewerber gilt, nicht aber für Bewerber für das Amt des Wahlvorstandes.

LAG Hamm 15.03.2013 – 13 Sa 6/13

Freiwilliges Weihnachtsgeld?

Allein die Bezeichnung eines Weihnachtsgeldes im Arbeitsvertrag als „freiwillige soziale Leistung“ genügt für sich genommen nicht, um einen Rechtsanspruch auszuschließen. Wenn Sonderleistungen des Arbeitgebers in einem Formulararbeitsvertrag nach Voraussetzungen und Höhe präzise festgelegt werden, legt dies das Bestehen eines vertraglichen Anspruchs nahe. In der Kombination eines solchen vertraglichen Anspruchs mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt liegt grundsätzlich ein zur Unwirksamkeit des Vorbehalts führender Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).

BAG 20.02.2013 – 10 AZR 177/12

 

Umfang der gerichtlichen Prüfung
bei einer Befristung mit Sachgrund

Die Gerichte dürfen sich bei der Befristungskontrolle nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrundes beschränken. Vielmehr müssen sie zusätzlich alle Umstände des Einzelfalls prüfen und dabei namentlich die Gesamtdauer und die Zahl der mit derselben Person zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge berücksichtigen, um auszuschließen, dass der Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreift. Werden innerhalb von sechseinhalb Jahren 13 befristete Verträge mit demselben Mitarbeiter abgeschlossen, kann eine Missbrauchskontrolle veranlasst sein.

BAG 13.02.2013 – 7 AZR 225/11

 

Höchstaltersgrenze bei betrieblicher
Altersversorgung zulässig

Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ist die Festsetzung von Altersgrenzen in betrieblichen Versorgungssystemen grundsätzlich zulässig. Allerdings muss die in der jeweilligen Versorgungsregelung bestimmte konkrete Altersgrenze im Sinne des § 10 Satz 2 AGG angemessen sein. Hiervon ist beispielsweise dann auszugehen, wenn die Versorgungsregelung eine Mindestbetriebszugehörigkeit von 15 Jahren bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung festlegt. Hierin ist weder eine Diskriminierung wegen des Alters noch wegen des Geschlechts zu sehen.

BAG 12.02.2013 – 3 AZR 100/11

Fristlose Kündigung bei Einsatz einer
Firmen-Gutschrift für den Betriebssport gerechtfertigt

Verwendet ein Mitarbeiter (hier: Betriebsratsvorsitzender) eine Gutschrift, die ein Lieferant des Unternehmens gewährt hatte, für die Ausstattung einer Betriebssportgruppe mit neuen Sportanzügen, rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung. Die Nutzung einer solchen Gutschrift für private Zwecke stellt eine gegen das Vermögen des Arbeitgebers gerichtete Handlung dar, die typischerweise mit einem Vertrauensmissbrauch verbunden ist.

ArbG Hamburg 22.05.2013 – 26 BV 31/12

Identische Haftungsgrundsätze
für Schein-Handwerker und Arbeitnehmer

Verursacht ein Handwerker einen Schaden, kann er sich auf die für Arbeitnehmer geltenden Haftungsprivilegien berufen, wenn er tatsächlich als arbeitnehmerähnliche Person oder als Arbeitnehmer tätig wird. Das heißt, für ihn kommen selbst bei grober Fahrlässigkeit Haftungserleichterungen in Betracht, wenn sein Verdienst in einem deutlichen Missverhältnis zum Risiko seiner Tätigkeit steht.

LAG Hessen 17.05.2013 – 13 Sa 857/12

Schwerbehindertenrechtliche Ausgleichsabgabe
gilt auch für Beschäftigungsgesellschaften (sog. BQG‘s)

Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften, welche auf weniger als fünf Prozent ihrer „Arbeitsplätze“ schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Menschen beschäftigen, müssen grundsätzlich gemäß § 77 SGB IX eine Ausgleichsabgabe entrichten.

BVerwG 16.05.2013 – 5 C 20/12

 

Dauer der Arbeitszeit bei
fehlender ausdrücklicher Vereinbarung

Fehlt in einem Arbeitsvertrag eine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit, gilt die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart. Nach der betriebsüblichen Arbeitszeit bemessen sich dann auch die Pflichten des Arbeitnehmers zur Erbringung der Arbeitsleistung und des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung. Diese Grundsätze gelten ebenfalls für außertariflich Angestellte. Das heißt, die Vergütung eines AT-Angestellten darf gekürzt werden, wenn er die betriebsübliche Arbeitszeit unterschreitet.

BAG 15.05.2013 – 10 AZR 325/12

Verzicht auf Urlaubsabgeltung möglich

Ist das Arbeitsverhältnis beendet und hat der Arbeitnehmer nach § 7 Abs. 4 BUrlG einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung, kann er auf diesen grundsätzlich verzichten. Nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG kann von § 7 Abs. 4 BUrlG zwar nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Diese Regelung hindert aber nur einzelvertragliche Abreden, die das Entstehen von Urlaubsabgeltungsansprüchen ausschließen.

BAG 15.05.2013 – 9 AZR 844/11

 


Unzulässige Arbeitnehmerüberlassung bei
Einsatz des Leiharbeitnehmers auf einem Dauerarbeitsplatz

Eine wirksame Arbeitnehmerüberlassung setzt voraus, dass diese nur vorübergehend erfolgt. Diese vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung ist anhand des Arbeitsplatzes beim Verleihunternehmen zu prüfen. Eine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung begründet nach § 19 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher.

ArbG Cottbus 24.04.2013 – 2 Ca 1364/12 und 2 Ca 424/12