Ärztliches Attest darf bereits ab dem ersten Krankheitstag verlangt werden
Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG dürfen Arbeitgeber von ihren Arbeitnehmern bereits am ersten Tag einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung verlangen; und zwar ohne besondere Voraussetzungen und nach dem Ermessen des Arbeitgebers. Insbesondere ist kein Verdacht erforderlich, dass der Arbeitnehmer die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nur vortäuscht.
BAG 14.11.2012 – 5 AZR 886/11

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Arbeitszeiten sind zeitnah zu dokumentieren, sonst droht Arbeitszeitbetrug
Erfasst ein Arbeitnehmer seine abgeleistete Arbeitszeit nicht zeitnah, nimmt er Fehleintragungen billigend in Kauf. Und dies begründet eine bedingte Vorsätzlichkeit, die zu einer außerordentlichen Kündigung wegen Arbeitszeitbetruges führen kann. Dies gilt explizit für Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit selbst erfassen müssen.  
LAG Rheinland-Pfalz 15.11.2012 – 10 Sa 270/12

Keine Diskriminierung in Rente gehender Arbeitnehmer durch Stichtagregelung für Jahressonderzahlung
Eine tarifliche Regelung, wonach ein Anspruch auf Jahressonderzahlungen ausschließlich für Arbeitnehmer besteht, die zum 1.12. eines Jahres in einem Arbeitsverhältnis stehen, verstößt nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Dies gilt auch für Arbeitnehmer, die kurz vor dem Stichtag aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, weil sie das gesetzliche Rentenalter erreichen. Es liegt somit keine Altersdiskriminierung vor.
BAG 12.12.2012 – 10 AZR 718/11


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Anspruch auf Arbeitszeitverringerung im Leiharbeitsverhältnis
Der Anspruch auf Arbeitszeitreduktion steht nach § 8 Abs. 1 TzBfG auch einem Arbeitnehmer zu, der bereits in Teilzeit beschäftigt wird. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht berechtigt, den Verringerungswunsch abzulehnen, selbst wenn aus dem Überlassungsvertrag, den er mit einem Entleiher abgeschlossen hat, hervorgeht, dass Leiharbeitnehmer nur zu einer spezifizierten Arbeitszeit überlassen werden. Er muss vielmehr darlegen und beweisen, dass dem Teilzeitverlangen bei allen arbeitsvertraglich möglichen Einsätzen betriebliche Gründe entgegenstehen (§ 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG).
BAG 13.11.2012 – 9 AZR 259/11

Arbeitgeber dürfen Dauerarbeitsplätze nicht mit Leiharbeitnehmern besetzen
Die Besetzung eines Dauerarbeitsplatzes mit einem Leiharbeitnehmer verstößt gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, da der Leiharbeitnehmer danach nur vorübergehend überlassen werden darf. Der Betriebsrat kann daher die nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG erforderliche Zustimmung zur Einstellung des Leiharbeitnehmers verweigern.
LAG Berlin-Brandenburg 19.12.2012 – 4 TaBV 1163/12

Entleiher wird durch dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung zum Arbeitgeber
Wird ein Leiharbeitnehmer auf Dauer überlassen – anders als von § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG vorgesehen – so wird ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer begründet (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG). Eine dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung ist nämlich nicht von der erforderlichen Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gedeckt.
LAG Berlin-Brandenburg 09.01.2013 – 15 Sa 1635/12

Leiharbeitnehmer zählen für die Anwendbarkeit des KSchG
Für die Ermittlung einer Betriebsgröße im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG sind auch  die dort beschäftigen Leiharbeitnehmer relevant. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ihr Einsatz auf einem so genannten, “in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht.
BAG 24.01.2013 – 2 AZR 140/12.

Darlegungs- und Beweislast bei Arbeitszeugnissen
Verlangt der Arbeitnehmer, dass seine Leistungen im Zeugnis mit “gut” anstatt mit “befriedigend” bewertet werden, muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, was einer “guten” Bewertung entgegensteht. Zwar tragen nach der Rechtsprechung des BAG die Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für eine überdurchschnittliche Beurteilung. Eine “gute” Bewertung kann aber inzwischen nicht mehr als überdurchschnittlich angesehen werden, da mittlerweile – laut Arbeitsgericht Berlin in über 85 Prozent aller Zeugnisse “gute” oder bessere Leistungen bescheinigt werden.
ArbG Berlin 26.10.2012 – 28 Ca 18230/11

Kein Anspruch auf Korrektur der Dankesformel im Arbeitszeugnis
Für Arbeitgeber besteht keine Verpflichtung, in ein Zeugnis eine Schlussformel aufzunehmen, mit der sie sich bei dem Arbeitnehmer bedanken, sein Ausscheiden bedauern oder ihm alles Gute für die Zukunft wünschen. Demzufolge haben Arbeitnehmer auch keinen Anspruch auf die Korrektur einer solchen Schlussformel. Sie können lediglich verlangen, dass der Arbeitgeber die Schlussformel komplett aus dem Zeugnis streicht.
BAG 11.12.2012 – 9 AZR 227/11

Betriebsrat darf Anhörung zur Kündigung nicht wegen fehlenden Vollmachtnachweises verweigern
Ist ein Anhörungsschreiben eines Arbeitgebers zu einer beabsichtigten Kündigung an den Betriebsrat gerichtet, muss ein Bote oder Stellvertreter des Arbeitgebers keine Vollmachtsurkunde beifügen. Die Anhörung ist formlos möglich. Sie kann auch mündlich oder telefonisch erfolgen. Hat der Betriebsrat allerdings Zweifel an der Boten- oder Vertreterstellung, kann er dies dem Arbeitgeber nach dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs.1 BetrVG) unmittelbar mitteilen.
BAG 13.12.2012 – 6 AZR 348/11

Frage an Stellenbewerber nach eingestellten Ermittlungsverfahren unzulässig
Arbeitgeber dürfen Stellenbewerber grundsätzlich nicht nach bereits eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren fragen. Dies gilt auch für sensible Bereiche. Entsprechende Fragen verstoßen gegen Datenschutzrecht sowie die Wertentscheidungen des § 53 Bundeszentralregistergesetz; sie sind daher unzulässig. (Eine Wertentscheidung ist eine ethisch-normative Direktive, durch die Grundrechte in Staat und Gesellschaft verankert werden). Beantwortet der Stellenbewerber eine solche unzulässige Frage des Arbeitgebers nicht wahrheitsgemäß, nimmt er sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung wahr. Eine spätere Kündigung des Arbeitsverhältnisses lässt sich daher nicht mit der wahrheitswidrigen Antwort begründen.
BAG 15.11.2012 – 6 AZR 339/11

Altersdiskriminierung bei Ausschreibung einer Trainee-Stelle für Berufsanfänger
Wendet sich ein Arbeitgeber mit einer Stellenausschreibung für ein Trainee-Programm für Berufsanfänger insbesondere an Hochschulabsolventen, und lehnt er einen grundsätzlich geeigneten 36-jährigen Bewerber mit Berufserfahrung ab, benachteiligt er diesen grundsätzlich wegen seines Alters. Es sei denn, der Arbeitgeber legt dar, dass der Bewerber schlechtere Examensnoten als die Mitbewerber hat und damit nicht in die Bewerberauswahl einzubeziehen war.
BAG 24.01.2013 – 8 AZR 429/11