Die digitalisierte (Arbeits-)Welt von heute braucht den klassischen „Nine-to-five“-Bürojob immer seltener. Moderne Unternehmen suchen zunehmend nach flexiblen Beschäftigten für einzelne, kurzweilige Aufträge. Aus diesem Bedürfnis heraus entstanden auch neuartige Beschäftigungsmodelle, etwa das Crowdworking, bei dem kleinere Aufträge per App an User vermittelt werden. Doch findet ebenfalls der Rückgriff auf bekannte, bis dato aber in einigen Branchen eher selten genutzte Beschäftigungsmodelle immer öfter statt. So gerade die Beschäftigung freier Mitarbeiter.

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Foto von Marten Bjork

Begriff der freien Mitarbeit

Freie Mitarbeit beschreibt die Erbringung einer Dienst oder Werkleistung in wirtschaftlicher und sozialer Selbstständigkeit und Unabhängigkeit für einen Auftraggeber. Freie Mitarbeiter sind Selbstständige, die, anders als Arbeitnehmer, nicht in einer persönlichen Abhängigkeit zum Auftraggeber stehen. Vertragliche Grundlage für die Beschäftigung freier Mitarbeiter ist gerade kein Arbeitsvertrag, sondern regelmäßig ein Dienst- oder Werkvertrag.

Besonders oft kommt eine Beschäftigung als freier Mitarbeiter im Kunst-, Kultur- und Medienbereich vor. Auch in der IT-Branche ist das Beschäftigungsmodell üblich. Zahlreiche Tätigkeiten können dabei jedoch grundsätzlich sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses erbracht werden. Dadurch ergibt sich die Notwendigkeit von Abgrenzungsmerkmalen und -kriterien.

Abgrenzungskriterien

Die Abgrenzung von freien Mitarbeitern zu regulären Arbeitnehmern ist nicht immer einfach. Ausschlaggebend für die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses ist weder die Bezeichnung des Vertrags (z. B. „Freier Mitarbeitervertrag“) noch der Vertragsinhalt als solcher. Abzustellen ist vielmehr auf die praktische Durchführung. Maßgeblich sind allein die tatsächlichen Umstände der Vertragsabwicklung in der Praxis.

Für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, ist eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Einen konkreten Katalog mit Abgrenzungskriterien oder eine Checkliste gibt es jedoch nicht, auch die Rechtsprechung ist uneinheitlich. Oft erfolgt die Einordnung des Vertragsverhältnisses als freies Mitarbeiterverhältnis anhand einer Negativabgrenzung zum Arbeitsverhältnis.

Als Orientierung kann dabei die durch das Gesetz zur Änderung des AÜG und anderer Gesetze mit Wirkung zum 1.4.2017 neu eingefügte Vorschrift § 611a BGB herangezogen werden. Die Vorschrift normiert unter Wiedergabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wer Arbeitnehmer und gerade nicht selbstständig ist. Danach ist Arbeitnehmer, wer „im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet“ ist.

Um das Vorliegen einer solchen Weisungsgebundenheit sowie einer persönlichen Abhängigkeit beurteilen zu können, bedarf es der Prüfung einiger Kriterien.

Persönliche Unabhängigkeit

Freie Mitarbeiter führen ihre Tätigkeit im Rahmen einer eigenständigen Arbeitsorganisation aus, ohne persönlich vom Auftraggeber abhängig zu sein. Eine eigenständige Arbeitsorganisation ist regelmäßig gegeben, wenn der Beschäftigte autark arbeitet und nicht in die Betriebsorganisation des Auftraggebers eingebunden ist. Er kann etwa selbst eigene Mitarbeiter für die Leistungserbringung einstellen und einsetzen oder für weitere Unternehmen aus der Branche des Auftraggebers tätig werden.

Persönliche Abhängigkeit liegt dagegen bei Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers vor. Deren Grundsätze ergeben sich wiederum regelmäßig aus dem Weisungsrecht des Arbeitgebers, der Inhalt, Art der Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit vorgeben kann.

Eine etwaige wirtschaftliche Abhängigkeit des Leistungserbringers schließt hingegen die freie Mitarbeit nicht per se aus. Umgekehrt muss ein Arbeitnehmer nicht wirtschaftlich abhängig sein, um als solcher zu gelten. Liegt nur wirtschaftliche und keine persönliche Abhängigkeit vor, kann der freie Mitarbeiter u. U. auch als arbeitnehmerähnliche Person gelten. Solche sind Selbstständige, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sind. Aufgrund dieser besonderen Schutzwürdigkeit finden bestimmte arbeitsrechtliche Regelungen auch auf sie Anwendung; sie gehören nichtsdestotrotz zur Gruppe der selbstständig Beschäftigten.

Praxistipp

In der Praxis empfiehlt es sich, freie Mitarbeiter ausdrücklich anders zu behandeln als interne Arbeitnehmer, um eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation zu vermeiden. Dies fängt schon im Kleinen an, bspw. dass ihnen keine internen E-Mail-Adressen oder Visitenkarten zur Verfügung gestellt werden sollten, jedenfalls nicht ohne Kennzeichnung, dass es sich um einen externen Mitarbeiter handelt, oder der Tatsache, dass freie Mitarbeiter keine vergünstigten Preise in der Firmenkantine zahlen.

Eigenständige Gestaltung der Leistungserbringung

Freie Mitarbeiter sind bei der Durchführung ihrer Tätigkeit nur sehr begrenzt Weisungen des Auftraggebers unterworfen. Selbstverständlich bedeutet das aber nicht den Ausschluss jeglicher Weisung. Es gilt, zwischen Weisungen in inhaltlicher, örtlicher und zeitlicher Hinsicht zu unterscheiden.

Insbesondere inhaltlich hat der Auftraggeber einseitige Bestimmungsmöglichkeiten, ohne dass eine Weisung vorliegen muss. So ist er grundsätzlich berechtigt, das ihm im Rahmen des Dienst- oder Werkvertrags zustehende Leistungsbestimmungsrecht auszuüben. Die Leistungspflicht des freien Mitarbeiters beruht in diesem Fall auf der vertraglichen Verpflichtung und nicht auf einer entsprechenden Weisung des Auftraggebers.

Der freie Mitarbeiter ist auch hinsichtlich Zeit und Ort der Tätigkeit weisungsfrei. Arbeitnehmer dagegen gehen einer weitestgehend fremdbestimmten Tätigkeit nach, gerade hinsichtlich der Bestimmung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes. Auch hier gilt jedoch, dass nicht jegliche räumliche oder zeitliche Einschränkung automatisch das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses bedeutet. Die bloße Festlegung des zeitlichen Umfangs der Tätigkeit geht nicht mit einem Verlust der Souveränität einher, wenn der Mitarbeiter die Zeit seiner Tätigkeit innerhalb dieses Rahmens frei bestimmen kann. Wird diese Zeit hingegen ohne jegliche Mitwirkungsmöglichkeit einseitig bestimmt, spricht das für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.

Dennoch ist zu bedenken, dass jede vertragliche Bindung gewisse Einschränkungen mit sich bringt (etwa Abgabefristen), welche für sich genommen ein freies Mitarbeiterverhältnis noch nicht ausschließen. Erst wenn die Einschränkung ein derartiges Gewicht erreicht, welches sich nicht mehr alleine aus der Natur der Tätigkeit ergibt, liegt die Annahme eines verdeckten Arbeitsverhältnisses nicht mehr fern.

Besonderheiten des freien Mitarbeiterverhältnisses

Die genannten Abgrenzungskriterien machen deutlich, dass freie Mitarbeiter im Vergleich zu Arbeitnehmern viele Freiheiten genießen und vom Auftraggeber unabhängig sind. Ein entsprechendes Machtgefälle zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, welches charakteristisch für ein Arbeitsverhältnis ist, liegt gerade nicht vor. Dadurch sind freie Mitarbeiter aber auch deutlich weniger schutzwürdig. Arbeitsrechtliche Sonderregelungen finden in der Folge weitestgehend keine Anwendung. So profitieren freie Mitarbeiter i. d. R. nicht von den Urlaubsregelungen im BUrlG, der Entgeltfortzahlung nach dem EFZG, den Möglichkeiten des TzBfG oder auch dem Mindestlohn. Nur wenn das Gesetz ausdrückliche Regelungen für Nicht-Arbeitnehmer trifft, ist eine entsprechende Anwendung möglich.

Insbesondere wichtig anzuführen ist auch, dass kündigungsrechtliche Schutzvorschriften, insbesondere das KSchG, für freie Mitarbeiter keine Anwendung finden. Verträge mit freien Mitarbeitern sind jederzeit gem. §§ 620, 621 BGB ordentlich innerhalb der dort aufgeführten, deutlich kürzeren Fristen kündbar. Die Kündigungsfristen richten sich nach der Vergütung.

Beispiele

Ist die Vergütung nach Tagen bemessen, kann an jedem Tag für den Ablauf des folgenden Tages gekündigt werden. Ist die Vergütung nach Monaten bemessen, ist eine Kündigung spätestens am 15. eines Monats mit Wirkung zum Schluss des Kalendermonats zulässig.

Anderweitige Vereinbarungen sind jedoch möglich. Ein bedeutender Unterschied dabei ist auch, dass es für die Kündigung keines besonderen Grunds bedarf. Lediglich die Schranken der §§ 134, 138, 242 BGB müssen beachtet werden. Eine außerordentliche Kündigung richtet sich dagegen – wie auch bei Arbeitsverhältnissen – nach § 626 BGB und erfordert immer einen wichtigen Grund.

Chancen freier Mitarbeiterverhältnisse

Die Arbeit mit freien Mitarbeitern bietet auch Vorteile für beide Seiten.

Zum einen bietet sie sowohl den Beschäftigten als auch Unternehmen eine hohe Flexibilität, die mit kaum einer anderen Arbeitsform erreicht werden kann. Ist der Auftraggeber mit einem freien Mitarbeiter unzufrieden, kann er die Zusammenarbeit regelmäßig sehr einfach beenden, ohne an die kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, die für Arbeitnehmer gelten, denken zu müssen. Auch der freie Mitarbeiter ist flexibel und kann selbst entscheiden, mit welchem Auftraggeber er wie lange und in welcher Form zusammenarbeiten möchte. Hinsichtlich Zeit und Ort der Tätigkeit genießt er ebenfalls größere Freiheiten im Vergleich zu Arbeitnehmern, die i. d. R. an die klassischen Bürozeiten gebunden sind und die Arbeitsleistung grundsätzlich an dem vom Arbeitgeber vorgeschriebenen Arbeitsplatz erbringen müssen.

Sollte zudem aufgrund besonderer Umstände nur sehr kurzzeitig Arbeit anfallen oder brauchen Unternehmen in Momenten hoher Auslastung kurzfristig und schnell einsatzbereite Arbeitskräfte, kann die Beauftragung freier Mitarbeiter eine sinnvolle Reaktion auf solche Auftragsspitzen sein. Letztere wiederum profitieren neben der größeren Selbstbestimmung und Freiheit davon, dass sie regelmäßig problemlos auch für mehrere Auftraggeber tätig werden können. Dadurch können sie in die unterschiedlichsten Projekte eingebunden sein, was für sie nicht nur größere Abwechslung bedeutet; sie können darüber auch ihren Verdienst entsprechend steuern.

Für Unternehmen hat der Einsatz freier Mitarbeiter den Vorteil, dass diese im Gegensatz zu Arbeitnehmern nicht sozialversicherungspflichtig sind und der tatsächliche und monetäre Aufwand der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen entfällt. Damit können sie günstiger sein als festangestellte Arbeitnehmer. Freie Mitarbeiter müssen sich zwar selbst sozial absichern und tragen hierfür die Kosten in voller Höhe alleine, allerdings können sie mit jedem neuen Auftrag ihre Bezahlung verhandeln und haben einen größeren Einfluss auf die Höhe ihrer Vergütung – jenseits jährlicher Gehaltsverhandlungen.

Rechtliche Risiken beim Einsatz freier Mitarbeiter

Der Einsatz birgt aber neben den vorgenannten Vorteilen ebenso Risiken für den Auftraggeber.

Aufgrund der Flexibilität des Beschäftigungsverhältnisses ist es schwieriger, Planungssicherheit mit freien Mitarbeitern zu erreichen. Anders als festangestellte Arbeitnehmer stehen diese mitunter nicht immer zur Verfügung, da sie bspw. bereits mit anderen Projekten stark ausgelastet sind. Zudem ist die tatsächliche Vergütung regelmäßig höher als das vergleichbarer festangestellter Arbeitnehmer.

Durch die kurzzeitige Beauftragung und Beendigung der Zusammenarbeit mit einem freien Mitarbeiter wird außerdem wiederholt eine Einarbeitung, die Zeit und Ressourcen bindet, notwendig. Ein Arbeitnehmer hingegen ist nach einmaliger Einarbeitung über einen langen Zeitraum einsatzfähig und versteht Prozesse und die Arbeitsweise seines Unternehmens – insbesondere mit zunehmender Betriebszugehörigkeit – immer besser. Zudem wird ein freier Mitarbeiter aufgrund seiner zeitlichen und örtlichen Flexibilität i. d. R. nicht das gleiche Teamgefühl entwickeln, wie es bei ständig zusammenarbeitenden Beschäftigten der Fall ist. Auch dürfte er meistens nicht in gleichem Maße loyal gegenüber seinem Auftraggeber sein, vielmehr ist er eventuell auch für direkte Konkurrenten tätig.

Praxistipp

Wer mit der Leistung eines freien Mitarbeiters sehr zufrieden ist und auch spezielles Knowhow im Unternehmen binden möchte oder regelmäßig braucht, sollte überlegen, ob nicht eine Festanstellung eine sinnvolle Alternative ist.

Scheinselbstständigkeit

Das wohl größte Risiko der freien Mitarbeit stellt jedoch die Scheinselbstständigkeit dar (vgl. dazu im Detail auch Hoppe/Groffy, AuA 5/20, S. 276 ff., in diesem Heft): Stellt sich im Nachhinein heraus, dass ein als freies Mitarbeiterverhältnis abgeschlossenes Beschäftigungsverhältnis nach einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände faktisch ein Arbeitsverhältnis darstellt, kann das erhebliche negative Folgen für den Auftraggeber nach sich ziehen.

Mit einer Statusklage vor dem Arbeitsgericht kann man feststellen lassen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht. Wird nun tatsächlich festgestellt, dass eine abhängige Beschäftigung vorliegt, unterliegt der Arbeitnehmer zum einen den arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen. Das bedeutet, dass auf ihn u. a. Regelungen

  • des KSchG,
  • nach dem MuSchG oder
  • des TzBfG

anwendbar sein können.

Zudem stellt sich die Frage, nach welcher Höhe der als Scheinselbstständige eingestufte „neue“ Arbeitnehmer zu vergüten ist. Regelmäßig wird das mangels Entgeltabrede zwischen den Parteien auf eine übliche Vergütung gem. § 612 Abs. 2 BGB hinauslaufen.

Wird die Tätigkeit dabei auch noch in persönlicher Abhängigkeit verrichtet, kann zudem eine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung vorliegen.

Die wohl einschneidendste Konsequenz ist jedoch im Bereich des Sozialrechts zu verorten: Liegt eine Scheinselbstständigkeit vor und wurden dementsprechend für den freien Mitarbeiter keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet, so wird das Unternehmen als Arbeitgeber für den in der Vergangenheit unterbliebenen Sozialversicherungsbeitrag zahlungspflichtig, § 28e Abs. 1 SGB IV. Dieser gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV vier Jahre zurückgreifenden Nachzahlungspflicht muss er, der als Gesamtschuldner des Sozialversicherungsbeitrags für sowohl den Arbeitgeber- als auch den Arbeitnehmeranteil in der Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung haftet, gegenüber den Sozialversicherungsträgern nachkommen. Hierauf sind zudem oftmals Säumniszuschläge zu leisten, derzeit i. H. v. 1 % des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrags für jeden angefangenen Monat der Säumnis (§ 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Derartige Säumniszuschläge stellen oft einen nicht unerheblichen Teil der Nachzahlung dar. Säumniszuschläge sind nur dann nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft machen kann, er habe unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt.

Bei Vorsatz gilt die Nachzahlungspflicht sogar für die letzten 30 Jahre (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV), regelmäßig also für das gesamte Beschäftigungsverhältnis.

Abwälzung und Strafbarkeit

Eine Abwälzung dieser Nachzahlungspflicht auf den Mitarbeiter ist dabei nur sehr begrenzt möglich, denn per Gesetz können Arbeitgeber die Erstattung des vom Arbeitnehmer zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags lediglich im Wege des Lohnabzugs geltend machen, § 28g SGB IV. Regelmäßig darf der Abzug nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, wobei Pfändungsfreigrenzen zu beachten sind. Bei weiteren Zahlungen von Arbeitsentgelt darf ein Abzug nur geltend gemacht werden, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. Ein solches liegt jedoch regelmäßig vor, nämlich in Form einer zumindest fahrlässigen Verkennung der bestehenden Sozialversicherungspflicht. Besteht das Arbeitsverhältnis nicht mehr bzw. ist kein Lohn mehr abzurechnen, scheidet eine Zahlungspflicht des Arbeitnehmers bzw. ein Rückgriff auf diesen im Übrigen vollständig aus.

Zudem kann sich ein Arbeitgeber, der Sozialversicherungsbeiträge vorsätzlich nicht abführt, nach §§ 266a, 14 StGB strafbar machen. Auch trägt er grundsätzlich ein steuerrechtliches Risiko bei der Beschäftigung von Scheinselbstständigen.

Wird festgestellt, dass tatsächlich eine abhängige Beschäftigung vorliegt, besteht Versicherungspflicht i. d. R. rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Eintritts in das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis. Je nach Dauer des Verfahrens kann das Unternehmen zu erheblichen Beitragsnachzahlungen verpflichtet sein. Ausnahmsweise tritt die Versicherungspflicht erst nach Bekanntgabe der Entscheidung der DRV Bund ein. Voraussetzung hierfür ist, dass

  • der Antrag innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt wurde,
  • der Beschäftigte zustimmt und
  • er sich für den zurückliegenden Zeitraum anderweitig gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge abgesichert hat,

§ 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV.

In der Praxis ist zu beobachten, dass die Anforderungen der DRV Bund an die Feststellung einer freien Mitarbeit sehr hoch sind. Ein besonderes Augenmerk sollte man demnach auf die Begründung legen, warum vorliegend kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt.

Praxistipp

Ist man unsicher, ob es sich bei der Tätigkeit des freien Mitarbeiters um ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis (also ein Arbeitsverhältnis) handelt, lässt sich eine Entscheidung über den sozialversicherungsrechtlichen Status bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund beantragen, § 7a Abs. 1, 2 SGB IV.

Fazit

Die Beschäftigung von freien Mitarbeitern hat viele Vorteile. Sie lassen sich schnell und flexibel beauftragen und bei Bedarf kann die Zusammenarbeit ebenso schnell und flexibel wieder beendet werden. Dennoch ist Vorsicht geboten: Insbesondere bei der tatsächlichen Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses sollten Arbeitgeber nicht in die Falle der Scheinselbstständigkeit tappen. Dies stellt jedoch keine unlösbare Aufgabe dar.

Wer mit entsprechender Sorgfalt und Sachverstand an die Arbeit mit freien Mitarbeitern herangeht, gewinnt mit Sicherheit wertvolle Arbeitskräfte, die mit ihrer Expertise und ihrem oft speziellen Knowhow eine Vielzahl von Unternehmen bei ihrer Geschäftstätigkeit unterstützen und voranbringen können.

Mit freundlicher Genehmigung der HUSS-MEDIEN GMBH aus AuA 5/20, S. 272ff.