Kein Schutz von Elternzeitlern bei Betriebsstilllegungen

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Foto von Husna Miskandar

Soll einem Arbeitnehmer in Elternzeit wegen der Stilllegung des Betriebs gekündigt werden, muss die für den Arbeitsschutz zuständige Behörde einem Antrag auf Zulassung der Kündigung in aller Regel stattgeben. Die Zuständigen können den Antrag insbesondere nicht mit der Begründung ablehnen, dass der Arbeitnehmer während der Elternzeit eine beitragsfreie Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung benötige.

BVerwG Urt. v. 30.09.2009 – 5 C 32.8

Rückzahlung von Ausbildungskosten nur bei differenziertem Grund

Eine Klausel in einem Ausbildungsvertrag, die einen Erlass der Ausbildungskosten für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens aus der Prüforganisation des die Ausbildung durchführenden Unternehmens vorsieht, ist im Rahmen einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB zu würdigen. Sie ist nichtig, wenn sie dem Auszubildenden ohne Differenzierung der auslösenden Umstände immer eine Erstattungspflicht für entstandene Ausbildungskosten auferlegt.

BAG Urt. v. 17.09.2009 – III ZR 207/08

Altersteilzeit – Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit

Bei der Auslegung von Altersteilzeitarbeitsverträgen ist zu beachten, dass die Vertragsparteien grundsätzlich eine öffentlich-rechtliche Förderung sicherstellen möchten. Der Arbeitgeber soll so die Möglichkeit bekommen, die Altersteilzeitvergütungsansprüche zumindest teilweise mit Hilfe von Leistungen der Bundesagentur für Arbeit zu refinanzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Vertragsparteien die wöchentliche Arbeitszeit, die vor dem Übergang in die Altersteilzeitarbeit vereinbart war, auf die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit vermindern (§§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 6 Abs. 2 S. 1 AltTZG). Verlängern die Vertragsparteien die wöchentliche Arbeitszeit vor dem Übergang in die Altersteilszeitarbeit über einen Zeitraum von zwei Jahren um 3,5 Stunden und nehmen sie im Altersteilzeitarbeitsvertrag auf die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Altersteilzeitgesetzes Bezug, handelt es sich bei der Arbeitszeitaufstockung nicht um Überarbeit, sondern um regelmäßige „vereinbarte“ Arbeitszeit im Sinne des § 6 Abs. 2 S. 1 AltTZG.

BAG Urt. v. 18.08.2009 – 9 AZR 482/08

Neuverteilungsanspruch bei Teilzeittätigkeit

Der sich aus § 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG ergebende Anspruch auf Neuverteilung der verringerten Arbeitszeit ist bis zu den Grenzen des Rechtsmissbrauchs nicht auf das bisher vereinbarte Arbeitszeitverteilungsmodell beschränkt. Ein Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf entsprechende Vertragsänderung. Er kann zum Beispiel verlangen, statt in einer 5-Tage-Woche in einer 4-Tage-Woche zu arbeiten. Hat die Arbeitszeitverteilung eines einzelnen Arbeitnehmers aber Auswirkungen auf das kollektive System der Verteilung der betriebsüblichen Arbeitszeit, kann eine Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede dem Verlangen des Arbeitnehmers auf Neuverteilung seiner Arbeitszeit nach § 8 Abs. 2 TzBfG entgegenstehen.

BAG Urt. v. 18.08.2009 – 9 AZR 517/09

Betriebliche Übung – vorbehaltlose Leistung von Sonderzahlungen

Vergütungsansprüche aus betrieblicher Übung stehen nicht unter dem stillschweigenden Vorbehalt einer ablösenden Betriebsvereinbarung. Hat der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern mehr als zehn Jahre ohne jeden Vorbehalt einen bestimmten Prozentsatz der jeweiligen Bruttomonatsvergütung als Weihnachtsgeld gezahlt, wird der aus betrieblicher Übung entstandene vertragliche Anspruch auf Weihnachtsgeld nicht für ein Jahr durch eine Betriebsvereinbarung aufgehoben, die regelt, dass für dieses Jahr kein Weihnachtsgeld gezahlt wird. Im Verhältnis eines vertraglichen Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmers zu den Regelungen in einer Betriebsvereinbarung gilt das Günstigkeitsprinzip.

BAG Urt. v. 05.08.2009 – 10 AZR 483/08

Fristlose Kündigung für EDV-Administrator bei unbefugtem Lesen und Weiterleiten von E-Mails

EDV-Administratoren können fristlos entlassen werden, wenn sie ihre Zugriffsrechte missbrauchen. Ein Missbrauch liegt etwa dann vor, wenn sie unbefugt auf Daten aus dem Personalbereich zugreifen oder gezielt bestimmte E-Mails eines Geschäftsführers lesen und an den zweiten Geschäftsführer weiterleiten, um eine angebliche Pflichtverletzung zu belegen. In einem solchen Fall muss der Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Kündigung regelmäßig nicht abgemahnt werden.

LAG München, Urt. v. 08.07.2009 – 11 Sa 54/09

Verlängerung der Arbeitnehmerkündigungsfristen – Vertragsstrafe

Eine arbeitsvertragliche Klausel, mit der ein Arbeitgeber auf gesetzliche Regeln verweist, wahrt regelmäßig das Transparenzgebot, welches in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB normiert ist. Die Verlängerung der Fristen für eine ordentliche Arbeitnehmerkündigung ist grundsätzlich keine überraschende Klausel im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB. Es bleibt unentschieden, ob eine solche Klausel für bestimmte Branchen oder Beschäftigungssektoren eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellen kann, wenn in dem Beschäftigungsbereich nur eine kurzfristige Auswechslung von Arbeitsvertragspartnern üblich ist. Um solche typischen Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen, bedarf es eines entsprechenden Tatsachenvortrags der Parteien. Vertragsstrafen nach Vereinbarungen in Formulararbeitsverträgen sind nach § 309 Nr. 6 BGB nicht generell unzulässig. Die Unzulässigkeit kann sich jedoch nach § 307 BGB ergeben. Beispielsweise ist eine Vertragsstrafenregelung, die vorsieht, dass ein Arbeitnehmer im Falle der Kündigung eines neuen Arbeitsverhältnisses vor Vertragsbeginn ein Monatsgehalt als Strafe bezahlen soll, obwohl in den ersten sechs Monaten eine Kündigungsfrist von zwei Wochen (die in etwa einem halben Monatsgehalt entspricht) festgehalten ist, vollständig unwirksam.

BAG Urt. v. 28.05.2009 – 8 AZR 896/07

Tarifvertragliche Ausschlussklausel bei Betriebsrenten

Tarifvertragliche Ausschlussklauseln beziehen sich nur dann auf Ruhegeldraten, wenn dies im Tarifvertrag deutlich zum Ausdruck gekommen ist. Dies gilt auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis während der Zahlung der Betriebsrente noch besteht. Die 30-jährige Verjährungsfrist des § 18a Satz 1 BetrAVG betrifft ausschließlich das Rentenstammrecht. Ansprüche der Betriebsrentner auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen und entsprechende Rückforderungsansprüche der Arbeitgeber unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 18a Satz 2 BetrAVG in Verbindung mit § 195 BGB.

BAG Urt. v. 26.05.2009 – 3 AZR 797/07

Anspruch auf Anpassung der Betriebsrente

Der Anspruch nach § 16 BetrAVG auf Anpassungsprüfung und -entscheidung ist eine sicherungsfähige Forderung im Sinne des § 303 Abs. 1 AktG, da er regelmäßig werthaltig ist. § 16 BetrAVG gewährt zwar keine Anpassungsgarantie. Der Zweck der Versorgungsleistungen selbst und der Zweck des Betriebsrentengesetzes gebieten es aber, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Anpassungen vorzunehmen sind, solange und soweit der Versorgungsschuldner leistungsfähig ist. Die Anpassung ist der Regelfall, die Nichtanpassung der Ausnahmefall.

Für Konzerne sind dabei einige Besonderheiten zu beachten: Dem Anspruch auf Sicherheitsleistung durch das ehemals herrschende Unternehmen für künftige Anpassungsprüfungs- und -entscheidungsansprüche gegenüber dem ehemals abhängigen Unternehmen stehe jedoch regelmäßig entgegen, dass es dem die Sicherheit beanspruchenden Versorgungsgläubiger an einem schützenswerten Sicherungsinteresse fehlt. Verlangen die Betriebsrentner der abhängigen Gesellschaft während des Bestehens eines Beherrschungsvertrages eine Anpassung ihrer Betriebsrenten, rechtfertigt der Beherrschungsvertrag – ohne weitere Voraussetzungen – einen so genannten Berechnungsdurchgriff. Es kommt dann auf die wirtschaftliche Lage der herrschenden Gesellschaft an. Diese hat die infolge der Anpassung der Betriebsrenten etwa entstehenden Verluste der abhängigen Gesellschaft nach § 302 AktG auszugleichen. Der Schutzzweck der §§ 4 und 16 BetrAVG erfordert keine erweiternde Auslegung des § 303 AktG. Führen gesellschaftsrechtliche Veränderungen während der Dauer eines Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages dazu, dass die für eine Betriebsrentenanpassung erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der abhängigen Versorgungsschuldnerin beeinträchtigt wird oder entfällt, kommen Schadensersatzansprüche der Versorgungsgläubiger gegenüber dem (ehemals) herrschenden Unternehmen in Betracht. Das herrschende Unternehmen treffen bei Beendigung des Beherrschungsvertrages gegenüber den Betriebsrentnern der abhängigen Gesellschaft regelmäßig dieselben Verpflichtungen wie den bisherigen Versorgungsschuldner bei Ausgliederung einer Gesellschaft, auf die Versorgungsverbindlichkeiten übertragen werden.

BAG Urt. v. 26.05.2009 – 3 AZR 369/07

Abmahnung – Warnfunktion

Aus der formellen Unwirksamkeit einer Abmahnung kann ein Arbeitnehmer nicht entnehmen, dass der Arbeitgeber das abgemahnte Verhalten billige. Der Arbeitnehmer bleibt also auch dann abgemahnt, wenn die Abmahnung an einem Formfehler leidet. Die Anforderungen für eine zwingend notwenige Warnung vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung kann eine an einem Formfehler leidende Abmahnung ebenso erfüllen.

BAG Urt. v. 19.02.2009 – 2 AZR 603/07

Elternzeit – Tücken vorzeitiger Beendigung

Arbeitnehmer können die Elternzeit mit Zustimmung des Arbeitgebers nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG jederzeit beenden. Für die vorzeitige Beendigung wegen der Geburt eines weiteren Kindes gilt nach § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG die besondere Regelung: Der Arbeitgeber kann die von einem Elternteil erklärte vorzeitige Beendigung der Elternzeit wegen der Geburt eines weiteren Kindes (oder wegen eines besonderen Härtefalles) nur innerhalb von vier Wochen schriftlich aus dringenden betrieblichen Gründen ablehnen. § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG begründet ein einseitiges Gestaltungsrecht des Arbeitnehmers. Die vorzeitige Beendigung der Elternzeit ist deshalb nicht von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig. Lehnt der Arbeitgeber die vorzeitige Beendigung nicht form- oder fristgerecht oder nicht aus dringenden betrieblichen Gründen ab, wird die Elternzeit auf Grund der Gestaltungserklärung des Arbeitnehmers nach Ablauf von vier Wochen seit Zugang der Erklärung beendet. Mit der vorzeitigen Beendigung der Elternzeit geht der nicht verbrauchte Anteil (Restelternzeit) nicht unter. Er steht wieder für die Inanspruchnahme zur Verfügung. Die vorzeitige Beendigung hebt lediglich die Bindungswirkung des ursprünglich festgelegten Zeitrahmens auf. Der Arbeitnehmer kann die Restelternzeit gemäß § 15 Abs. 2 Satz 4, 1. Halbsatz BEEG mit einem Anteil von bis zu zwölf Monaten auf die Zeit bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes übertragen. Die Übertragung bedarf der Zustimmung des Arbeitgebers. Diese steht nicht in seinem freien Belieben. Er hat seine Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Entscheidung nicht der Billigkeit, wird sie durch Urteil getroffen, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB.

BAG Urt. v. 21.04.2009 – 9 AZR 391/08

Mitbestimmung bei kurzfristiger Änderung des Arbeitsbereiches

Weißt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsbereich zu, liegt hierin noch keine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, wenn die Änderung für die Dauer von nicht mehr als einem Monat geplant ist. Von einer Versetzung – und damit von der Erforderlichkeit der Zustimmung des Betriebsrates hierzu – ist bei der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches zudem nur dann auszugehen, wenn sich die äußeren Arbeitsumstände erheblich ändern.

BAG Beschluss v. 11.12.2007 – 1 ABR 73/06

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