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Foto von Adeolu Eletu

1. Anmassung der Zeichnungsberechtigung: Gerechtfertigte fristlose Entlassung

Auf einem Formular für die Anmeldung für eine Weiterbildung brachte ein Arbeitnehmer unter der Rubrik “Bitte unterschreiben lassen, falls die Ausbildung vom Arbeitgeber bezahlt wird” den Firmenstempel der Arbeitgeberin und seine Unterschrift an, ohne für die Arbeitgeberin zeichnungsberechtigt zu sein. Er bestätigte damit, dass der Arbeitgeber die Ausbildung in der Höhe von Fr. 6’800.– bezahlt, die Vertragsbestimmungen zur Kenntnis genommen hat und damit einverstanden ist.
Das Bundesgericht bejahte einen krassen Treuebruch des Arbeitnehmers und schützte dessen fristlose Entlassung: Auch wenn der Arbeitnehmer durch seine eigene Unterschrift die Arbeitgeberin nicht rechtsgültig habe verpflichten können, erweckte er gegenüber dem Vertragspartner zu Unrecht den Eindruck, die Arbeitgeberin werde die Ausbildung bezahlen. Er setzte sie damit dem Risiko aus, dass der Veranstalter der Weiterbildung sich für die Begleichung der Kurskosten zunächst an sie wenden würde. Die Arbeitgeberin hätte sich diesfalls in der unangenehmen und ihrem Ansehen nicht zuträglichen Lage befunden, erläutern zu müssen, dass sich einer ihrer Mitarbeiter eine Zeichnungsberechtigung angemasst hatte. Das Verhalten des Beschwerdeführers war geeignet, das Vertrauen des Arbeitgebers in die Loyalität des Arbeitnehmers nachhaltig zu zerstören. Ob tatsächlich eine Schädigung des Arbeitgebers eintritt, sei mit Blick auf die Frage, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten ist, nicht ausschlaggebend.
(Urteil des Bundesgerichts vom 12. Oktober 2011, Nr. 4A_346/2011)

2. Fristlose Entlassung aufgrund einer unklaren, möglicherweise treuwidrigen Äusserung?

Einem Arbeitnehmer und CEO wurde fristlos gekündigt, wobei ihm in der Hauptsache vorgeworfen wurde, er habe seine Treuepflicht verletzt, indem er äusserte, er werde das Konzept Z. „mit oder ohne die Arbeitgeberin“ weiterverfolgen. Zudem wurde dem Arbeitnehmer vorgeworfen, er habe Interna weitergegeben.
Das gerichtliche Beweisverfahren ergab, dass der Arbeitnehmer lediglich äusserte, dass er das Konzept Z. im alten oder im neuen System durchziehen wollte, aber jedenfalls mit der Arbeitgeberin. Die Äusserung war demnach nicht in dem Sinn gemeint, dass der Arbeitnehmer das Konzept Z. unter Umständen auch losgelöst von der Arbeitgeberin realisieren wollte. Die Arbeitgeberin hätte zunächst beim Arbeitnehmer nachfragen müssen, wie er seine Aussage meine, anstatt wegen dieser aus dem Zusammenhang gerissenen Äusserung ohne Weiteres eine fristlose Kündigung auszusprechen. Die Weitergabe von Interna war sodann nicht erwiesen. Die fristlose Kündigung erfolgte daher ohne wichtigen Grund und war unberechtigt.
(Urteil des Bundesgerichts vom 06.Oktober 20114, Nr. 4A_298/2011)

3. Bis wann kann ein Arbeitszeugnis und Entschädigung wegen ungerechtfertigter fristloser Entlassung gefordert werden?

Einem Arbeitnehmer wurde am 2. April 2004 fristlos gekündigt. Als Grund wurden schwerwiegende Verfehlungen und konstante Pflichtverletzungen angegeben, welche das Vertrauensverhältnis zerstört hätten. Der Arbeitnehmer, welcher in der Folge nach Deutschland ging, wo er eine andere Anstellung fand, äusserte sich im Nachgang in beleidigenden Schreiben an den Geschäftsführer der Arbeitgeber. Dies hatte ein Strafverfahren zur Folge, welches aber eingestellt wurde. Erst im Oktober 2009, somit mehr als fünf Jahre später, erhob der Arbeitnehmer Klage auf Ausstellung eines Arbeitszeugnisses und auf Entschädigung wegen ungerechtfertigter fristloser Entlassung. Da es bei diesen Klagen nicht um Lohnzahlungen ging, erachteten die Gerichte die ordentliche zehnjährige Verjährungsfrist gemäss Art. 127 OR als anwendbar und verwarfen die Verjährungseinrede des Arbeitnehmers. Verworfen wurde auch der Einwand, der Arbeitnehmer habe die Klage nach Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) verwirkt. Das Bundesgericht hielt fest, die Geltendmachung der Verwirkung der Klage aus Art. 2 ZGB verlange das Vorliegen besonderer Umstände. Ein blosser Aufschub der Klage innert der Verjährungsfrist genüge dafür nicht. Besondere Umstände liegen etwa dann vor, wenn die späte Geltendmachung dem Arbeitgeber einen nicht wiedergutzumachenden Schaden verursacht und vom Arbeitnehmer die frühere Geltendmachung erwartet werden kann oder wenn der Arbeitnehmer aus der späten Forderung einen ungerechtfertigten Vorteil zieht. Solche Umstände lagen im beurteilten Fall nicht vor. Der Arbeitnehmer erhielt CHF 18‘000 Entschädigung wegen ungerechtfertigter fristloser Entlassung. Zudem musste ihm die Arbeitgeberin das verlangte Zeugnis ausstellen.
(Bundesgericht, Urteil vom 13. Oktober 2011 Nr. 4A_403/2011)

4. Schadenersatzanspruch des Arbeitgebers: Strenge Voraussetzungen

Ein Arbeitnehmer hatte als Chauffeur zweimal alkoholisiert einen Unfall verursacht und war seit 1. Januar 2008 als Maschinist angestellt. Am 8. August 2008 wurde er fristlos entlassen. Dabei behielt sich die Arbeitgeberin die Geltendmachung des aus den Unfällen der Jahre 2004 und 2007 entstandenen Schadens vor. Die letzte Lohnabrechnung der Arbeitgeberin vom 14. August 2008 erfolgte vorbehaltlos. Erst im Nachgang zur letzten vorbehaltlosen Lohnauszahlung, im Schreiben vom 12. September 2008 an den Rechtsvertreter des Arbeitnehmers, behielt sich die Arbeitgeberin wiederum vor, Schadenersatzforderungen einzufordern, sollte der Arbeitnehmer die Kündigung anfechten.
Dem Arbeitnehmer wurde in der Folge eine Entschädigung wegen ungerechtfertigter fristloser Entlassung zugesprochen. Die Schadenersatzforderung des Arbeitgebers wurde hingegen infolge Verwirkung abgewiesen und dessen Verrechnung mit der Entschädigungsforderung nicht zugelassen. Das Bundesgericht berief sich dabei auf seine Rechtsprechung, wonach Schadenersatzansprüche des Arbeitgebers zwar grundsätzlich erst mit Ablauf von zehn Jahren verjähren (Art. 127 OR). Muss indes der Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben auf einen vertraglichen Verzicht auf Schadenersatzansprüche schliessen, wird ein vorzeitiger Untergang der Forderung angenommen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann der Arbeitnehmer von einem Verzicht ausgehen, wenn der Arbeitgeber es unterlässt, Ansprüche, die ihm dem Umfang oder dem Grundsatz nach bekannt sind, vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen, insbesondere bei vorbehaltloser Auszahlung des letzten Lohnes.
Das Bundesgericht nahm einen Verzicht auf die Schadenersatzansprüche an, da die letzte Lohnzahlung vorbehaltlos erfolgte. Die Höhe des aus den Unfällen in den Jahren 2004 und 2007 entstandenen Schadens sei der Arbeitgeberin im Zeitpunkt der letzten Lohnabrechnung am 14. August 2008 längstens bekannt gewesen. Sie hätte daher spätestens mit der letzten Lohnabrechnung ihre Schadenersatzforderung geltend machen oder zumindest erneut einen entsprechenden Vorbehalt anbringen müssen.
(Urteil des Bundesgerichts vom 5. September 2011, Nr. 4A_351/2011)

5. Muss bei Probeanstellung vor Abschluss des Arbeitsvertrages eine Arbeitsbewilligung eingeholt werden?

Der Geschäftsführer eines Restaurants liess einen Bewerber für eine Stelle als Küchenhilfe an zwei aufeinanderfolgenden Tagen über die Mittagszeit während je maximal 90 Minuten in der Küche probeweise und unentgeltlich arbeiten. Der Bewerber verfügte lediglich über einen Ausweis N (für Asylsuchende) ohne Arbeitsbewilligung.
Das Bundesgericht entschied, eine solche Probeanstellung sei kein Verstoss gegen Art. 117 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuG, SR 142.31). Danach wird bestraft, wer als Arbeitgeber vorsätzlich Ausländer beschäftigt, die in der Schweiz nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt sind. Nach Bundesgericht muss die Arbeitsbewilligung erst im Zeitpunkt des Stellenantritts und nach erfolgtem Vertragsabschluss vorliegen. Die blosse Bewerbung und die Teilnahme an einem Rekrutierungsprozess könnten hingegen nicht von einer Bewilligung abhängig gemacht werden. Vielmehr werde der Arbeitgeber regelmässig erst im Rahmen der fortgeschrittenen Vertragsverhandlungen das Einholen einer Arbeitsbewilligung zusagen. 
(Urteil des Bundesgerichts vom 3. November 2011, Nr. 6B_277/2011)

6. Genugtuung bei Kündigung wegen Krankheit?

Einem an Krebs erkrankten Arbeitnehmer wurde nach Ablauf der Sperrfrist mit der Begründung gekündigt, seine Stelle werde im Zuge einer Neuorganisation aufgehoben. Der Arbeitnehmer klagte in der Folge auf eine Genugtuung von CHF 50‘000. Er machte geltend, die Kündigung sei nicht wegen der Reorganisation, sondern wegen seiner Krankheit erfolgt. Zudem habe die Arbeitgeberin während seiner Chemotherapie keinerlei Mitgefühl gezeigt, sondern ihm lediglich mit Telefonanruf mitgeteilt, dass er gekündigt sei. Die Klage wurde abgewiesen. Eine Entschädigung wegen rechtsmissbräuchlicher Kündigung kam nicht in Frage, da die Frist für die Einsprache verpasst war. Das Bundesgericht führt aus, dass eine Genugtuung nur ausnahmsweise neben der Entschädigung wegen rechtsmissbräuchlicher Kündigung geltend gemacht werden könne, so wenn dies durch besondere Umstände und eine sehr schwere Persönlichkeitsverletzung gerechtfertigt sei. Dafür genüge weder die einfache Lüge der angeblichen Kündigung wegen Neuorganisation noch der Umstand, dass der Arbeitgeber niemals Worte des Mitgefühls während der Chemotherapie gezeigt hatte. Zudem zeige sich sonst kein Mangel an Rücksichtnahme in der Ausübung des Kündigungsrechtes. Bei diesem Ergebnis liess das Bundesgericht offen, ob auch für den Genugtuungsanspruch die für die Geltendmachung der rechtsmissbräuchlichen Kündigung erforderliche Einsprache Voraussetzung sei.
(Bundesgericht, Urteil vom 10. November 2011, Nr. 4A_607/2011)

7. Höhe der Konventionalstrafe bei Konkurrenzverbot

Zwischen einem Unternehmensberater in Personalfragen (Personalselektion und Personalvermittlung) und dem Arbeitgeber war ein Konkurrenzverbot mit einer Konventionalstrafe von CHF 100‘000 vereinbart, was in etwa acht Monatslöhnen entsprach.
Das Bundesgericht bestätigte ein Urteil des Kantonsgerichtes St. Gallen, wonach die Konventionalstrafe in der Höhe von CHF 100‘000 nicht übermässig war. Es führte aus, bei der richterlichen Herabsetzung einer Konventionalstrafe sei Zurückhaltung geboten. Eine Herabsetzung rechtfertige sich vor allem dann, wenn zwischen dem vereinbarten Betrag und dem Interesse des Berechtigten im Zeitpunkt der Vertragsverletzung ein krasses Missverhältnis bestehe. Dies beurteilt sich insbesondere unter Berücksichtigung der Art und Dauer des Vertrags, der Schwere des Verschuldens des Verpflichteten, des Interesses des Berechtigten sowie der wirtschaftlichen Lage der Beteiligten, namentlich des Verpflichteten. Als Indiz einer übermässigen Konventionalstrafe gilt der Umstand, dass diese den höchstmöglichen Schaden übersteigt. Nicht massgebend ist hingegen der effektiv eingetretene Schaden. Zu berücksichtigen sind ferner allfällige Abhängigkeiten aus dem Vertragsverhältnis und die Geschäftserfahrungen der Beteiligten. Der Arbeitnehmer vermochte seine angeblich schwierige Situation nicht zu beweisen. Angesichts der vom Arbeitnehmer eingenommenen Honorare von CHF 400’000 pro Jahr ging das Bundesgericht von einem erheblichen Schädigungspotential aus. Eine Konventionalstrafe, die etwa acht Monatslöhnen des Arbeitnehmers entspreche, sei nicht übermässig, zumal auch bei einem Arbeitnehmer in bescheidener Stellung auch schon eine Konventionalstrafe von sechs Monatslöhnen als zulässig erachtet worden sei. 
(Bundesgericht, Urteil vom 25. August 2011, Nr. 4A_107/2011)