Problempunkt
In der Praxis ist es nicht selten, dass der Arbeitgeber versucht, eine notwendige Personalkostensenkung zur Erhaltung der Arbeitsplätze im Einvernehmen mit den Mitarbeitern zu realisieren. Meistens zieht die Mehrheit der Arbeitnehmer mit. Nur eine Minderheit legt sich quer mit der Begründung, das Sanierungsziel sei schon erreicht. Es komme auf ihren Sanierungsbeitrag nicht mehr an. So auch hier. Nach dem Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft war es notwendig, die Personalkosten durch Änderung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in insgesamt vier Punkten im Gesamtvolumen von ca. 1,5 Mio. Euro zu entlasten, um den Fortbestand des Unternehmens zu gewährleisten und die Arbeitsplätze zu sichern. Daher schloss der Arbeitgeber mit der Gewerkschaft ver.di einen Sanierungstarifvertrag. Dieser sah vor, für die Dauer der Laufzeit auf betriebsbedingte Beendigungskündigungen zu verzichten. Die Entgeltkürzungen sollte das Unternehmen mit allen Mitarbeitern einzelvertraglich vereinbaren.
Aus diesem Grund bot es auch dem Kläger mit Schreiben vom 15.11.2005 an, die Regelungen des Sanierungstarifvertrags freiwillig anzunehmen. Für den Fall, dass er ablehne, kündigte es ihm eine Änderungskündigung an. Bis Ende November 2005 stimmten 439 der 447 insgesamt betroffenen Arbeitnehmer der Änderungsvereinbarung zu. Der Kläger gehört zu den acht Mitarbeitern, die ihre Zustimmung verweigerten. Die mit Zustimmung des Betriebsrats ausgesprochene Änderungskündigung mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis zu den im Sanierungstarifvertrag vorgesehenen verschlechterten Bedingungen fortzusetzen, nahm er unter Vorbehalt an. Das Arbeitsgericht gab seiner Änderungsschutzklage statt. Das LAG wies sie ab.
Entscheidung
Die Revision des Klägers vor dem BAG blieb erfolglos. Eine Änderungskündigung zur Entgeltsenkung ist nur begründet, wenn bei Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstünden, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen würden. Regelmäßig bedarf es deshalb eines umfassenden Sanierungsplans, der alle gegenüber der Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft. Diesen Maßstäben entspricht das Sanierungskonzept. Es wurde erstellt, um der Ende 2005 bestehenden finanziellen Existenzgefährdung zu begegnen. Die darin enthaltenen Sanierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen waren geeignet und erforderlich, die drohende Insolvenz abzuwenden. Mildere Mittel waren ausgeschöpft.
Der Einwand des Klägers, sein Sanierungsbeitrag sei nicht (mehr) erforderlich, ist in sich widersprüchlich. Er beruft sich zugleich auf die Geltung und auf die Nichtgeltung des Sanierungskonzepts. Er setzt seine Anwendung voraus, indem er die dadurch erzielten Sanierungsbeiträge seiner Argumentation zugrunde legt und auch den Ausschluss der Beendigungskündigung selbstverständlich nicht infrage stellt. Das Sanierungskonzept beruht jedoch darauf, dass sich der von den Mitarbeitern zu erbringende Betrag auf alle gleichmäßig verteilt, weil auch allen der vereinbarte Kündigungsausschluss zugutekommt. Unter dieser Voraussetzung haben sich ca. 97 % der Arbeitnehmer freiwillig bereit erklärt, das Änderungsangebot anzunehmen. Aber während der Kläger einerseits die Geltung des Sanierungskonzepts für alle Arbeitnehmer – also auch für sich selbst – voraussetzt, lehnt er gleichzeitig dessen Anwendung auf sein Arbeitsverhältnis ab, weil er den nach dem Sanierungsplan von allen zu erbringenden Beitrag nicht tragen will.
Bei einer Änderungskündigung zur Kostensenkung ist aber der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Kündigungsgrund war hier einerseits die existenziell bedrohliche wirtschaftliche Lage für das Unternehmen und die Arbeitplätze, andererseits das die Risiken gleichmäßig verteilende Sanierungskonzept. Es war deshalb notwendig, allen Mitarbeitern gleich lautende Änderungsangebote zu machen, da sie auch gleichmäßig von dem betrieblichen Kündigungsgrund betroffen waren. Andernfalls hätte der Arbeitgeber im eigenen Interesse darauf verzichten müssen, das Sanierungskonzept durch freiwillige Vereinbarungen durchzusetzen. Der Argumentation des Klägers entginge er nur, wenn er die Vertragsänderungen gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern durch zeitgleich ausgesprochene Änderungskündigungen durchgesetzt hätte.
Konsequenzen
Insbesondere wenn der Sanierungsplan vorsieht, die tariflichen Ansprüche der Mitarbeiter (befristet) zu reduzieren, geht es nicht ohne Gewerkschaft. Je nach Umständen kann es aber auch ansonsten zweckmäßig sein, sie einzuschalten. Sind keine tariflichen Ansprüche betroffen, ist es möglich, Maßnahmen zur Entgeltabsenkung durch Betriebsvereinbarung zu regeln. Gibt es keinen Betriebsrat, so dass der Arbeitgeber rein individualrechtlich vorgehen muss, gelten die Grundsätze des vorliegenden Urteils ebenfalls. Entscheidend ist, dass
- ein Sanierungsplan vorliegt, der die vom BAG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt,
- er die von allen(!) Arbeitnehmern zu tragenden Lasten gleichmäßig verteilt und niemanden verschont (Gleichbehandlung!).
Nicht entscheidend ist das zahlenmäßige Verhältnis von einvernehmlichen Regelungen und Änderungskündigungen. Es müssen nur so oder so alle Mitarbeiter erfasst sein.
Praxistipp
Der Arbeitgeber kann den Sanierungsplan also auch durch Ausspruch zahlreicher Änderungskündigungen umsetzen. Aus Gründen des Betriebsklimas und um sonst ggf. notwendige Massenentlassungsanzeigen zu vermeiden, sind jedoch einvernehmliche Lösungen eindeutig vorzuziehen. Die brauchen Zeit, sog. Crash-Aktionen sind nicht empfehlenswert. Deshalb sollten Unternehmen mit den notwendigen Mitarbeitergesprächen nicht erst beginnen, wenn es schon vor der Haustür brennt.
Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi – 12/08