people doing office works
Foto von Alex Kotliarskyi

Knapp zehn Tage später reagierte nun BMW mit seiner Meldung auf diese öffentliche Rekrutierungskampagne der deutschen Politik und signalisierte Zustimmung. Im gleichen Zuge forderte Milagros Caiña-Andree erleichterte Aufenthaltsgenehmigungen und eine bessere Anerkennung von Bildungsabschlüssen. Als großen Schlüssel zur Integration wertete sie Bildung.    

Wer kommt, geht auch
unter Umständen wieder.

Integration ist indessen die große Unbekannte. Laut Statistischem Bundesamt zogen in 2012 mehr als eine Million Menschen nach Deutschland. Davon kamen 765.000 Personen aus europäischen Ländern. Herbert Brücker – Einwanderungsexperte des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung – führte diese hohe Zahl auf die europäische Wirtschaftskrise zurück. Verschiedene politische Parteien – darunter CDU und FDP – hatten diese Zuwanderungsrate begrüßt. Mahnten aber auch zu einer besseren Willkommens-Kultur. Das hat tiefere Gründe, wenn auch offiziell nicht weiter thematisiert. Gemeint ist die Abwanderungsrate: In 2012 wanderten 711.992 Menschen aus. Polen liegt dabei an der Spitze der Auswanderungsziele. Mit anderen Worten: Wer kommt, geht auch unter Umständen wieder. Zu diesem Befund kam auch das Manager Magazin und titelte im Juni:  „Deutschlands Einwanderer wandern zu oft wieder aus“. Es zog Parallelen zu den Werbeaktionen der Bundesrepublik in den 1960er und 1970er Jahren. Das Magazin weiter: „Der große Unterschied: Damals waren ungelernte Arbeitskräfte gefragt, die einfache Arbeiten übernahmen. Und sie sollten nur für einige Jahre ins Land kommen, bis die Aufbauarbeit erledigt und der Arbeitskräfteengpass überwunden wäre.“

Damals wie heute liegt
gesellschaftlicher Zündstoff
im Zeitgeschehen.

Die Geschichte lehrte, dass die Menschen den politischen Programmen nicht folgten. Etliche blieben, gründeten Familien und Existenzen. Jahrzehntelang schlugen sie sich zum Teil mit enormen Vorurteilen der deutschen Bevölkerung herum. Wiederum andere zog es nach erzieltem Erfolg heim.

Damals wie heute liegt gesellschaftlicher Zündstoff im Zeitgeschehen. Teilweise sind Einwanderer verwundert über die deregulierten Arbeitsverhältnisse – befristete Verträge, niedrige Löhne, unsichere Jobperspektiven – in Deutschland. Sie erwarten sich mehr Sicherheiten, immerhin haben sie ihre sozialen Netzwerke und gewohnten Umgebungen aufgeben. Das aber wird im deutschen Personalwesen noch wenig gesehen; vielmehr spricht die deutsche Öffentlichkeit über Burnout und ihre Rahmenbedingungen. Auf den systematischen Missstand wies das Portal „zeit-online.de“ Ende letzten Jahres mit einem Interview hin, das es mit dem Psychiater Andreas Heinz führte. Dieser berichtete, dass die psychische Gesundheit von Migranten bislang kaum erforscht sei. Heinz selbst hatte drei Jahre zu diesem Thema geforscht und festgestellt, dass die meisten der Einwanderer unter Ausgrenzung leiden, sowie darunter, dass sie mit ihren Lebenserfahrungen und -einstellungen nicht verstanden werden. Von Bildung war da – wie bei Milagros Caiña-Andree – erst einmal keine Rede.

Apropos BMW. Auch die OSB AG – ein Ingenieur- und IT-Dienstleistungsunternehmen in Deutschland – setzt auf politischen Collorit. Diese gab Ende Juni eine Meldung zu heraus, der zufolge das Unternehmen mit einem Recruiting-Programm ausländische Hochschulen anspricht. In einem Pilotprojekt wurden von 300 Bewerbern 6 für eine Laufbahn bei der OSB AG ausgewählt. „Mit unserer Recruiting-Initiative wollen wir einerseits dem hiesigen Ingenieurmangel begegnen, andererseits aber auch guten Absolventen aus EU-Krisenländern eine erstklassige berufliche Perspektive bieten“, erklärt Markus Kohlwig, Senior Executive Manger der OSB AG. Man biete ein Leistungspaket an: Studenten werden während ihres letzten Hochschulsemesters begleitet. Mehrstufige Module sollen helfen, in Deutschland Fuß zu fassen; unter anderem ein mehrmonatiger Deutsch-Intensivsprachkurs, Umzugshilfe und Unterstützung bei der Wohnungssuche. Exoten werden die Neuankömmlinge nicht  sein: Bei der OSB AG arbeiten Menschen aus 33 Nationen, darunter 18 europäische Länder. 2012 gewann das Unternehmen den Phönix-Preis der Stadt München. Mit der Auszeichnung würdigt die Landeshauptstadt herausragende wirtschaftliche Leistungen von Migrantenunternehmen sowie deren gesellschaftliches und soziales Engagement.

Die europäische Politik beobachtet diese Schieflage im europäischen Arbeitsmarkt kritisch. Im Mai forderte EU-Arbeitskommissar Laszlo Andor die Regierungen der Mitgliedsstaaten auf, endlich die längst beschlossene „Jugendgarantie“ umsetzen. Demnach müssen Staaten jeden jungen Menschen unter 25 Jahren innerhalb von vier Monaten in Arbeit, Praktikum oder Weiterbildung bringen. Sechs Milliarden Euro aus EU-Töpfen sollen laut Andor dafür bereitstehen.

In Deutschland hatte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen ebenfalls im Mai in Madrid die Umsetzung eines bilateralen Abkommens mit Spanien unterzeichnet. Dieses sieht die Ausbildung oder Beschäftigung von rund 5.000 Spaniern in den nächsten vier Jahren vor. Flankiert wird diese Strategie von einem Integrationsprogramm der Bundesregierung und der Bundesagentur für Arbeit, das Sprach-, Umzugs und Bewerbungshilfen umfasst. Bis 2016 stehen dafür rund 140 Millionen Euro zur Verfügung.

Milagros Caiña-Andree stammt aus dem Land, für deren jungen Menschen sie mit ihrem Pilotprojekt etwas tun möchte: Spanien. Mit vier Jahren kam sie nach Deutschland, seit einem Jahr ist sie Personalvorstand von BMW. Im kommenden September will der Autokonzern 25 Spaniern im Alter zwischen 18 und 25 Jahren eine Ausbildung bieten. Unter anderem in den Bereichen Vertrieb, Marketing und Entwicklung. Auch um die Nähe zur deutschen Kultur will man sich kümmern. In diesem Sinne sei eine Aufnahme der Spanier in BMW-Gastfamilien geplant. Ist das Projekt erfolgreich, so Caiña-Andree, solle es auf Italien oder Griechenland übertragen werden. In Spanien liegt die Jugendarbeitslosigkeit derzeit bei 56 Prozent. In Griechenland liegt die Quote bei 64 Prozent. In Deutschland sind hingegen nur 7,6 Prozent ohne Job. Davon lebt ein Großteil in Nordrhein-Westfalen. Hier weist das Statistische Bundesamt 70.880 Personen zwischen 15 bis unter 25 Jahren aus.

Diese Erfolgsmeldungen sind positive Omen. Nicht jedes Unternehmen kann sich die genannten Maßnahmen leisten. Doch es sind auch schon kleine Awareness-Aspekte, die bei Beachtung helfen, Interkulturalität im Unternehmen Schienen zu legen. HRM.de hat einmal Fragen dazu aus dem Unternehmensalltag zusammengestellt, die helfen, die eigene Achtsamkeit zu erhöhen:

Wie reagiert ein Mitarbeiter aus einem Land mit vergleichsweise schwachem Wohlstand auf Kollegengespräche, in denen es um das schöne Eigenheim, gesellschaftliche Aktivitäten wie Tennisverein oder Golfplatz, spezielle Wünsche wie Jacobs- statt Onkokaffee in der Betriebsküche oder mehr Komfort am Bürotisch geht? Und was passiert, wenn diese Themen die Gespräche dominieren?

Wie reagiert ein Mitarbeiter, der aus einem familienfreundlichen Land stammt und seine Familie zurücklassen musste, an Feiertagen?

Was passiert, wenn ein griechischer Kollege mit befristetem Vertrag und vergleichsweise geringem Gehalt einem Gespräch beiwohnt, in dem es um den unglaublich günstigen und traumhaften Sommerurlaub im griechischen Süden geht?

Wie reagieren deutsche Kollegen auf einen ausländischen Mitarbeiter, der entgegen ihrer Frontmachung Überstunden leistet oder sich mit kleinen Süßigkeiten bei Vorgesetzten beliebt zu machen versucht, um sich abzusichern?

Was empfinden deutsche Kollegen, wenn manche lateinamerikanischen Mitarbeiter immer wieder thematisieren, unter welchen schwierigen Bedingungen sie sich hochgearbeitet haben (z.B. mit vier Geschwistern in einem Zimmer / zwei Mahlzeiten am Tag / Uniweg zwei Stunden zu Fuß)?

Was löst es aus, wenn Kollegen über die Länder, aus denen ihre Kollegen stammen – z.B. Iran, Korsika oder Vietnam – undifferenziertes Wissen haben oder aus Scheu und Vorurteil – z.B. der Iran ist vollkommen lebensfeindlich – nicht darüber reden wollen;

Wie sieht es aus, wenn deutsche Kollegen in interkulturelle Kurse zur Vorbereitung einer Entsendung nach Asien geschickt werden und die Inhalte entweder kaum den Erfahrungen asiatischer Mitarbeiter entsprechen oder sie gar nicht nach diesen gefragt werden?

Wie gut kommen ausländische Mitarbeiter mit der modernen Betriebskultur der Infobeschaffung zurecht: Frage, Google, Selbststudium und erst dann Frage an Kollegen. Wie fühlen sie sich dabei?

Wie wirkt es auf deutsche Kollegen, wenn zwei Amerikaner sich in der Betriebsküche laut über „die aus Deutschland“ unterhalten und sich dazu gegenseitig Ratschläge erteilen?

Was passiert, wenn es einen Teamabend gibt, rein englischsprachige Kollegen aber nicht verständigt werden, weil man auf Deutsch lustig plauschen will?

Was passiert, wenn ein ägyptischer Ingenieur sich von einem deutschen Kollegen in einer Sache aufklären lassen muss, in der er selbst gut informiert ist; und der Deutsche merken lässt, dass er arabisches Personal für generell minderqualifiziert hält?

Wie sieht es aus, wenn deutsche Kollegen nicht wissen, dass der Frauenanteil in Lateinamerika in Führungspositionen höher ist als in Deutschland und z.B. über Brasilianerinnen in Klischees denken?


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Fotocredit: Siegfried Bellach (2) /www.pixelio.de 
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