Was ist eine Abgangsentschädigung?

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Foto von Valeriy Khan

 

Soll der Arbeitnehmer einen finanziellen An­reiz dafür erhalten, dass er der sofortigen beziehungsweise vorzeitigen Auflösung sei­nes Arbeitsverhältnisses zustimmt, dann ist dieser Abfindungsbetrag eine Abgangsent­schädigung. In diesem Fall kauft der Arbeit­geber dem Arbeitnehmer seinen „Abgang“ (also die Beendigung seines Arbeitsverhält­nisses) durch die Zahlung eines bestimmten Abfindungsbetrages (Abgangsentschädigung)quasi ab.

 

Die Abgangsentschädigung ist in der Praxis ein Anreiz, um eine einvernehmliche Dienst­vertragsauflösung mit „schwer kündbaren“ Arbeitnehmern zu erreichen. Schwer kündbar sind zum Beispiel Betriebsräte, Behinderte, Arbeitnehmer in Karenz oder in Elternteil­zeit, Personen mit langen Kündigungsfristen oder befristeten Anstellungsverhältnissen (wie beispielsweise Vorstände) oder ältere Arbeitnehmer. In letzterem Fall zahlt der Ar­beitgeber die Abgangsentschädigung, um beispielsweise eine Anfechtung wegen Sozi­alwidrigkeit zu verhindern.

 

Wie ist die Abgangsentschädigung
sozialversicherungsrechtlich abzurechnen?
 

 

Die Abgangsentschädigung ist gemäß § 49 Absatz 3 Ziffer 7 Allgemeines Sozialversi­cherungsgesetz (ASVG) sozialversicherungs­frei. Im Gesetz heißt es dazu: „Als Entgelt im Sinne des Abs. 1 und 2 gelten nicht: ( …) Ver­gütungen, die aus Anlass der Beendigung des Dienst(Lehr)verhältnisses gewährt werden, wie zum Beispiel Abfertigungen, Abgangsent­schädigungen, Übergangsgelder“.

 

Zwei Urteile des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) definieren sehr klar, welche Voraus­setzungen für eine sozialversicherungsfreie Abgangsentschädigung gegeben sein müs­sen. Diese liegt demnach gemäß § 49 Absatz 3 Ziffer 7 ASVG in folgenden Fällen vor:


1. Der Arbeitnehmer erhält einen bestimmten Abfindungsbetrag als Gegenleistung dafür, dass er damit einverstanden ist, dass sein Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet wird. Im Urteil des VwGH heißt es: „Wird einem als Betriebsratsmitglied unter besonderem Kündigungsschutz stehenden Arbeitneh­mer im Rahmen eines, während des arbeits­gerichtlichen Verfahrens auf Erteilung der gerichtlichen Zustimmung zur Kündigung geschlossenen, gerichtlichen Vergleichs als Gegenleistung für seine Zustimmung zur sofortigen Auflösung des Arbeitsverhält­nisses eine freiwillige Abfertigung zugesi­chert, stellt diese Zahlung eine beitragsfreie Abgangsentschädigung im Sinne des § 49 Abs 3 Z 7 ASVG dar“ (VwGH 16. November 2005, 2005/08/0048). 

2. Der Arbeitnehmer erhält den Geldbetrag dafür, dass er seine Kündigungsanfech­tungsklage zurückzieht. Der VwGH urteilt: „Wird einem Arbeitnehmer − im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Kündigungsan­fechtungsverfahrens − als Gegenleistung dafür, dass er die Klage zurücknimmt, eine Abfertigungszahlung zugesprochen, so handelt es sich um eine sv-beitragsfreie Abgangsentschädigung. 
Ziel des arbeitsgerichtlichen Verfahrens ist im Falle einer Kündigungsanfechtung die Feststellung des Gerichts, dass eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung rechtsunwirksam und somit das Arbeits­verhältnis ununterbrochen aufrecht ist. Der Arbeitnehmer hat im konkreten Verfahren keine Entgeltansprüche aus dem beende­ten Arbeitsverhältnis geltend gemacht. Die Zahlung hatte also einzig die Funktion, zu verhindern, dass der Arbeitnehmer einen Prozess über das Fortbestehen seines Ar­beitsverhältnisses fortsetzt; er ist daher eine sv-beitragsfreie Abgangsentschädi­gung“ (VwGH 9. September 2009, 2006/08/0274). 

Lohnabgabenprüfer sind gelegentlich der Ansicht, dass anstelle einer sozialversiche­rungsfreien Abgangsentschädigung eine sozialversicherungspflichtige Vergleichszah­lung vorliegt. Diese beiden Zahlungen haben jedoch unterschiedliche Abgeltungsmotive. Entscheidend für die Abgrenzung ist das Ziel der Forderung beziehungsweise das Ziel der Klage des Arbeitnehmers.

Fordert der Arbeitnehmer ausständige Ent­gelte oder Aufwandsvergütungen aus dem Arbeitsverhältnis oder aufgrund der Dienst­vertragsbeendigung (zum Beispiel Gehalt, Überstunden oder Abfertigung) und verglei­chen sich die Arbeitgeber und Arbeitneh­mer, liegt eine sozialversicherungspflich­tige Vergleichszahlung vor, unabhängig davon, wie die Streitparteien die Zahlung benennen.

Bekämpft hingegen der Arbeitnehmer die Rechtswirksamkeit der Kündigung (beispiels­weise wegen Motiv- oder Sozialwidrigkeit), ohne Entgeltbestandteile zu fordern, oder leistet der Arbeitgeber eine Zahlung dafür, dass der Arbeitnehmer der vorzeitigen Auf­lösung seines Arbeitsverhältnisses zustimmt, dann liegt eine sozialversicherungsfreie Ab­gangsentschädigung vor.

Arbeitgeber verhalten sich aus diesem Grund abgabenrechtlich ungeschickt, wenn sie dem Arbeitnehmer einen Pauschalbetrag gewäh­ren, der

► sowohl bestehende gesetzliche, kol­lektivvertragliche oder einzelvertrag-liche Ansprüche (beispielsweise Urlaubs-ersatzleistung, anteilige Sonderzahlungen oder Tantiemen) abgilt

► als auch eine Abgangsentschädigung ent­hält.

In diesem „Pauschalfall“ wird die Abgaben­behörde vom Pauschalbetrag zunächst die gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder einzelvertraglichen Ansprüche gemäß ihrer jeweiligen Sozialversicherungspflicht abrech­nen und nur der Restbetrag kann als sozial­versicherungsfreie Abgangsentschädigung berücksichtigt werden.

Aus diesem Grund empfiehlt es sich, schrift­lich klar getrennt festzuhalten, welcher Be­trag den Streit um gesetzliche, kollektivver­tragliche oder einzelvertragliche Ansprüche bereinigt und welcher Betrag dem Arbeitneh­mer für die Zustimmung zur Dienstvertrags­beendigung gezahlt wird.

Wie ist die Abgangsentschädigung lohnsteuerlich abzurechnen?

Die Abgangsentschädigung war bis 28. Fe­bruar 2014 als Zahlung für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzah­lungszeiträume gemäß einer Spezialregel im § 67 Absatz 8 Einkommensteuergesetz (EStG) zu einem Fünftel steuerfrei und zu vier Fünf­teln nach dem Monatstarif zu besteuern. Die­se Spezialregel hat das Abgabenänderungs­gesetz 2014 gestrichen. Der Gesetzgeber hatte das Ziel, die von ihm als Golden-Hand-shake-Zahlung titulierte Abgangsentschädi­gung in voller Höhe zu besteuern. Dies schlug jedoch fehl. Aufgrund der Regelungen des Abgabenänderungsgesetzes 2014 ist näm­lich die mit sechs Prozent begünstigte Be­steuerung der nach dem 28. Februar 2014 ausbezahlten Abgangsentschädigungen auf­grund der „Viertelregelung“ des § 67 Absatz 6 EStG, die schon bisher das lohnsteuerlich begünstigte Ausmaß einer freiwilligen Abfer­tigung prägte, für Arbeitnehmer sowohl im Abfertigungssystem „Alt“ als auch im Abfertigungssystem „Neu“ möglich. Der Gesetzge­ber erkannte den Fehler und wird ihn durch das Budgetbegleitgesetz 2014 reparieren. Ab dann werden alle nach dem Tag der Veröf­fentlichung des Budgetbegleitgesetzes 2014 ausbezahlten Abgangsentschädigungen mit dem vollen Lohnsteuertarif abzurechnen sein.

Sind für die Abgangsentschädigung Lohnnebenkosten abzuführen?

Gemäß § 49 Absatz 3 Ziffer 7 ASVG sind Ab­gangsentschädigungen unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer dem Abfertigungssystem „Alt“ oder „Neu“ unterliegt, sozial­versicherungsfrei. Da sozialversicherungs­freie Entgelte nicht in die Bemessungs­grundlage des Abfertigung-Neu-Beitrages einzubeziehen sind, müssen Arbeitgeber für die Abgangsentschädigungen auch keine Abfertigung-Neu-Beiträge entrichten. Für Abgangsentschädigungen sind nach umstrit­tener Ansicht der Finanz Lohnnebenkosten zu entrichten, also der Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds (DB) sowie der Zuschlag zu DB und Kommunalsteuer.

Die Abgangsentschädigung kann ausnahms­weise als lohnsteuerlich begünstigte Ver­gleichszahlung abgerechnet werden: Obwohl eine Zahlung des Arbeitgebers dafür, dass der Arbeitnehmer seine Kündigungsanfech­tungsklage zurückzieht, eine Abgangsent­schädigung ist, hat die Finanz entgegen­kommenderweise für den Arbeitnehmer ein kleines Steuerzuckerl in die Randzahl 1103 der Lohnsteuerrichtlinien 2002 eingepackt: „Zahlungen im Zusammenhang mit einer Kündigungsanfechtungsklage sind als Ver­gleichssumme zu versteuern.“ Indem der Ar­beitgeber auf diese Randzahl verweist, kann er diese Zahlung als lohnsteuerlich begünstigte Vergleichszahlung (siehe Teil 1 dieses Beitrags) anstelle der lohnsteuerlich nach Ta­rif abzurechnenden Abgangsentschädigung abrechnen.

Quelle: personal manager – Zeitschrift für Human Recources | Ausgabe 4 (Juli / August) 2014

Abrechnungen von Sozialplanzahlungen 

Das Abgabenänderungsgesetz 2014 hat auch Auswirkungen auf Sozialplanzahlungen. Zwar bleiben die Voraussetzungen und Grundsätze für die Abrechnung von Sozialplänen (siehe den Beitrag in der März/April-Ausgabe dieser Zeitschrift) von den neuen Regelungen unan­getastet, sehr wohl verändert das Gesetz je­doch das Ausmaß der Abgabenbegünstigung.

Für Arbeitnehmer im System Abfertigung „Alt“ wirken sich die in Teil 1 dieses Beitrags ausführlich behandelten gesetzlichen Ände­rungen bei der freiwilligen Abfertigung auch bei der Abrechnung von Sozialplanzahlungen aus. Das Abgabenänderungsgesetz 2014 hat

a) die „Viertelregelung“ auf maximal das Neunfache der monatlichen Höchstbemes­sungsgrundlage (2014: 40.770 Euro) und

b) die „Zwölftelregelung“ gemäß der Zwölf­telregelungstabelle (Abbildung 1) begrenzt.

Bei der sogenannten „Viertelregelung“ kann ein Betrag bis in Höhe eines Viertels der Summe der laufenden Bezüge aus den letzten zwölf Monaten (maximal 40.770 Euro) mit sechs Prozent Lohnsteuer abge­rechnet werden. Weist der Arbeitnehmer Vordienstzeiten als Dienstnehmer nach, lässt sich aufgrund der nachgewiesenen Gesamt­dienstzeit noch ein zusätzlicher Betrag mit sechs Prozent Lohnsteuer abrechnen. Die­sen Begünstigungszusatzbetrag errechnet man, indem man ein Zwölftel der Summe der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate mit einem Faktor multipliziert, der von der nachgewiesenen Gesamtdienstzeit abhängig ist (= Zwölftelregelung; siehe Abbildung 1). Auch die Zusatzbegünstigungsbeträge aufgrund der Zwölftelregelung wurden auf­grund des Abgabenänderungsgesetzes 2014 gedeckelt. Die während der nachgewiesenen (Vor-) Dienstzeiten erhaltenen gesetzlichen, kollektivvertraglichen und/oder freiwilligen Abfertigungen mindern das begünstigte Zusatzausmaß ebenso wie die am Ende des aktuellen Arbeitsverhältnisses allenfalls zu­stehende gesetzliche Abfertigung.

Der Betrag, der das begünstigte Ausmaß an freiwilliger Abfertigung übersteigt, kann bis 22.000 Euro mit dem halben Steuersatz ver­steuert werden. Diese „eigentliche“ Sozial-planbegünstigung blieb von dem Abgaben-änderungsgesetz 2014 unangetastet.

Beispiel:

Die Logistikabteilung wird geschlossen. Für die betroffenen Arbeitnehmer wird ein Sozial-plan erstellt. Karl Hebenvoll ist Angestellter in dieser Abteilung und verliert daher seinen Arbeitsplatz.

Sein aktuelles Monatsbruttogehalt beträgt 3.000 Euro. Er ist 19 Jahre im Unternehmen.

Davor war er vier Jahre als Lagerarbeiter in einer Spedition tätig. Am Ende des Dienstver­hältnisses bei der Spedition erhielt er keine Abfertigung. Der erforderliche Vordienstzei­tennachweis liegt vor.

Er erhält zusätzlich zur gesetzlichen Abferti­gung in Höhe von 21.000 Euro eine Sozial­planzahlung in Höhe von insgesamt 45.000 Euro.

Die Sozialplanzahlung wird in drei Etappen abgerechnet:

a)     Zunächst werden die Begünstigungen der freiwilligen Abfertigung im maximal mög­lichen Ausmaß genutzt:

Viertelregelung: 12 x 3.000 Euro = 36.000 Euro > hiervon ¼ = 12.000 Euro

Zwölftelregelung: 19 Jahre im Unterneh­men + 4 Vordienstjahre > insgesamt: 23 Jahre > ergibt einen Faktor 9 > 3.000 Euro x 9 = 27.000 Euro abzüglich 21.000 Euro (= gesetzliche Abfertigung) = 6.000 Euro

Der maximal mit sechs Prozent begünstigte Betrag an freiwilliger Abfertigung beträgt somit 18.000 Euro (= Viertel- und Zwölftel­regelung)

b) Die nächsten 22.000 Euro werden mit dem halben Steuersatz versteuert (= eigentliche Sozialplanbegünstigung).

c)   Die verbleibenden 5.000 Euro werden mit dem vollen Steuertarif abgerechnet.

 Da Sozialpläne regelmäßig für Beendigungs­zahlungen gelten, die innerhalb mehrerer Monate, in vielen Fällen auch Jahre, anfallen, hat der Gesetzgeber im Abgabenänderungs­gesetz 2014 eine „Vertrauensschutzklausel“ geschaffen. Die lohnsteuerliche „Abrechnungs-verschlechterung“ bei der freiwilligen Abfertigung trifft nur Sozialpläne, die nach dem 28. Februar 2014 abgeschlossen wurden. Für „Alt-Sozialpläne“ können Personalabtei­lungen die freiwillige Abfertigung weiterhin betraglich ungedeckelt begünstigt abrechnen.