Der Diplom-Psychologe Dr. Ediz Bökli arbeitet seit vielen Jahren als Personalberater in Deutschland. Seine Spezialität sind türkischstämmige Akademiker. Da er selbst aus der Türkei kommt, ist der bestens in der türkischen Community vernetzt und nutzt seine Kontakte für einen neue Online-Plattform: turkvita. „Wir helfen Unternehmen, die Führungskräfte in die Türkei entsenden möchten – etwa wenn sie dort ein Werk oder eine Niederlassung eröffnen“, erzählt Ediz Böli. Dafür suche er in Deutschland und in der Türkei nach passenden Kandidaten. Aber auch Unternehmen, die das türkische Segment in Deutschland für sich gewinnen wollen, sind bei ihm richtig.

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Foto von Arlington Research

Da die Türkei noch kein Mitglied der EU ist, müssen Unternehmen, die türkische Fachkräfte nach Deutschland holen möchten, mindestens 66.000 Euro Jahresgehalt anbieten. Vor diesem Hintergrund sind die Türken interessanter, die hier aufgewachsen sind, einen deutschen Pass haben und einen hohen Ausbildungsstandard vorweisen. „Jährlich verlassen 4.000 bis 5.000 türkische Absolventen die deutschen Universitäten“, so der Personalberater. Heute seien noch mindestens 300.000 türkische Akademiker in Deutschland – das entspreche 10 bis 15 Prozent der türkischen Bevölkerung hierzulande.

Dr. Ediz Bökli,

Geschäftsführer turkvita GmbH

www.turkvita.com

„Wenn man deutschen Personalern türkische Akademiker vorstellt, dann merkt man, die Qualität der türkischen Arbeitnehmer ist nicht so hoch angesehen.“

Was türkische Akademiker mitbringen

Fach- und Führungskräfte mit türkischen Wurzeln verfügen über einige Kompetenzen, die in Unternehmen derzeit besonders gefragt sind: Sie haben einen interkulturellen Background und sprechen mehrere Sprachen fließen

– fast immer Türkisch, Deutsch und Englisch. „Türkische Akademiker zeichnen sich durch interkulturelle Wahrnehmungskompetenzen aus und sind sehr kreativ

und innovativ“, sagt Bökli. Diese Eigenschaften verbänden sie mit der deutschen Methodik und Systematik, die sie

sich ebenso angeeignet hätten. „30 bis 35 Prozent haben einen ingenieurwissenschaftlichen Background. Außerdem sind unter den türkischen Akademikern Juristen, Betriebswirte und Ärzte.“

turkvita soll diese attraktive Zielgruppe mit Unternehmen zusammenbringen. Die Kandidaten in der Online-Datenbank sind teilweise handverlesen. „Ich benutze hauptsächlich Xing, LinkedIn und Facebook, also die Social Media Tools, in denen ich die türkischen Akademiker herausfische“, so Bökli. Die türkische Zielgruppe kenne ihn und deshalb bekomme er außerdem sehr viele Initiativbewerbungen und Lebensläufe von Führungskräften aktiv zugesandt. Wer auf der Plattform eine Anzeige schalte, könne bis zu 50.000 Akademiker hier in Deutschland erreichen – auf dem Portal selbst und über Social Media. „Wir streuen die Anzeigen über alle Kanäle“, so Bökli.

In deutschen Unternehmen besteht Nachholbedarf

Doch die meisten Unternehmen in Deutschland haben das Potenzial noch nicht erkannt. Da der Arbeitsmarkt in der Türkei sich positiv entwickelt, gehen immer mehr türkische, gut ausgebildete Fachkräfte in ihre Heimat zurück. Wie viele von ihnen die Türkei als Arbeitsort wählen, ist schwer zu beziffern. Im Jahr 2010 könnten es rund 6.000 gewesen sein, schätzt Bökli – Tendenz steigend.

„Wir erfahren in Deutschland zu wenig Wertschätzung“, ist er überzeugt. Es sei immer noch ein Problem, dass die deutschen Unternehmen türkische Akademiker negativ wahrnehmen. „Wenn man deutschen Personalern türkische Akademiker vorstellt, dann merkt man, die Qualität der türkischen Arbeitnehmer ist nicht so hoch angesehen.“ Deutsche Unternehmen seien zudem eher defizitorientiert: Da der Fachkräftemangel anscheinend noch nicht überall angekommen sei, sähen sich die Personaler nicht zum Handeln gezwungen. Aber der Markt habe sich längst gewandelt, beobachtet Bökli. Wer heute nicht aktiv auf gefragte Kandidaten zugehe, finde keine passenden Arbeitnehmer. Egal ob es um ältere Mitarbeiter, Frauen oder Fachkräfte mit Migrationshintergrund gehe – gute Leute wollten angesprochen werden.

So ist die Plattform turkvita schon heute global angelegt. Kandidaten können nicht nur in Deutschland und in der Türkei, sondern auch in ganz Europa oder weltweit nach Stellen suchen. Sollten sich die deutschen Unternehmen nicht bald aktiver um die türkischen Fachkräfte bemühen, könnten sie in Zukunft leicht den Kürzeren ziehen.