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„Personalexperten sind inzwischen gefragter als IT-Fachkräfte“, so ein Zitat aus dem Handelsblatt (“93 Prozent mehr HR-Stellen als vor Corona”). Ist das so? Wie ist der aktuelle Stand und welchen Stellenwert haben die Human Resources aktuell?

Laut Handelsblatt stieg die Zahl der offenen Stellen im Human Resource Management im vierten Quartal 2021 verglichen mit Vor-Coronazeiten um 93 Prozent und überragten damit die Positionen in der IT oder im Ingenieurswesen deutlich.  Das Handelsblatt bezieht sich hier auf den Hays-Fachkräfte-Index. Allerdings interpretiert das Medium diesen meiner Meinung nach nicht richtig.

Der Hays-Fachkräfte-Index basiert auf einer Auswertung, die quartalsweise erfolgt. Er bezieht sich auf die Zahl der Stellenanzeigen in verschiedenen Spezialisierungen wie Engineering, Information Technology, Life Sciences oder auch Human Resources. „Verglichen mit Vor-Coronazeiten stiegen laut Hays die Stellenausschreibungen für Personaler im vierten Quartal 2021 um 93 Prozent. Die Nachfrage nach IT-Fachkräften kletterte im selben Zeitraum um 54 Prozent, im Ingenieurwesen waren es 48“, heißt es im Handelsblatt. Danach stieg die Zahl der Stellenanzeigen im Human Resources relativ gesehen stärker als in den anderen Spezialisierungen. Stimmt dann auch die Aussage, dass Personalexperten stärker gefragt sind als Information Technology-Fachkräfte? Aus meiner Sicht nicht.

Nachfrage nach Personalexperten nimmt zu

Grundlage des Index sind Referenzwerte aus dem 1. Quartal 2015. Dies sind absolute Zahlen, welche den Referenzwert von 100 im Index darstellen. Die absoluten, gerundeten Zahlen an Stellenanzeigen im Jahr 2015 sind beispielsweise im Human Resources 4.000, im Engineering 23.000 und in der Information Technology 42.000. Rechnen wir diese Zahlen mit dem Index hoch, so sind die absoluten Zahlen der Stellen im Engineering oder in der Information Technology immer noch um ein Vielfaches höher als jene im Human Resource Management.

Somit ist die Aussage „Personalexperten sind inzwischen gefragter als IT-Fachkräfte“ meiner Ansicht nach nicht richtig. Richtig ist aber, dass die Nachfrage nach Personalexperten stark zugenommen hat. Hier ist aber auch ein gewisser Nachholeffekt „eingepreist“, da Unternehmen in Folge der Pandemie eher für die Information Technology als für die Personalabteilung Budgets freigegeben haben. Mit höherer Planungssicherheit rücken Themen wie Retention und Recruiting wieder verstärkt in den Mittelpunkt – und dafür benötigen die Betriebe schlicht und einfach Personal.

Warum HR aktuell sehr gefragt ist

Fakt ist: durch die Pandemie sind interne IT-Abteilungen als Enabler von Remote Work oder die Human Resources als zentraler Anker für Personal stärker in den Mittelpunkt gerückt. HR-Abteilungen schaffen nicht nur Rahmenbedingungen für verstärkt in den Fokus gerückte Bereiche wie Remote Work, New Work, Retention und Employer Branding.

Die Pandemie hat vielen Beschäftigten auch eine hohe Stressbelastung beschert. Eine dauerhaft hohes Stressniveau führt zu niedrigerer Produktivität. Hohe Arbeitsbelastungen, Unsicherheit über das Weiterbestehen des Arbeitsplatzes, Einkommenseinbußen durch Kurzarbeit oder ein herausforderndes privates Umfeld durch Kinderbetreuung und andere Rahmenbedingungen gehen an den meisten Beschäftigten nicht spurlos vorüber. Dies haben mehrere Studien bestätigt. Ein Vergleich von Deutschland zu anderen Ländern vor den Fragestellungen des Stressniveau durch die Pandemie, aber auch zu

  • Remote Work,
  • Lohngleichgewichte innerhalb Human Resources -Positionen sowie den
  • Einsatz von Human Resources -Software

hat eine aktuelle Studie des Softwareanbieters factorial aus dem Jahr 2021 zum Inhalt.

Rollen im HRM werden spezialisierter

Der zentrale Ansprechpartner zur Abfederung der hohen Stressbelastung und zur Kanalisation der Energien in die richtigen Bahnen sollte die Personalabteilung des Unternehmens sein. Sie muss Konzepte mit Führungskräften und Mitarbeitenden entwickeln sowie umsetzen. Idealerweise werden diese dauerhaft implementiert und gemessen. Care Spezialisten oder Feel Good Manager als Jobrollen der Human Resources sind erst in den letzten Jahren entstanden und können bei der Steuerung der Stressbelastung unterstützen.

Die Rollen im Personalwesen werden zunehmend spezialisierter. Eigene Jobrollen oder ganze Abteilungen für Candidate Experience, Employer-Branding oder Human Resources-Digitalisierung waren vor einigen Jahren kaum beachtet und werden zunehmend wichtiger.

Fachkräftemangel und Nachwuchsmangel als Treiber

Die Wichtigkeit des Personalwesens unterstreicht auch der HR-Report 2022 des Beratungsunternehmens Hays. Auf die Frage, welcher Faktor am ehesten verhindert, dass Unternehmen ihre strategischen Ziele erreichen, landen mit Fachkräftemangel und Nachwuchsmangel zwei klassische Personalthemen auf den Rängen zwei und vier. Mit einem Drittel der Nennungen steht die „Zeit“ auf Platz eins, die zumindest indirekt ebenfalls ein Thema des Human Resource Managements ist.

Gelder fließen in Digitalisierung und Prozessoptimierung, aber bereits auf Platz drei folgt die Personalentwicklung. So wird das Unternehmen Bosch laut einem Bericht des Manager Magazins in den kommenden fünf Jahren über eine Milliarde Euro investieren, um unter anderem 80.000 Mitarbeiter in den Zukunftsthemen Elektromobilität oder Fahrzeug-Software fortzubilden.

Unternehmen sind gefordert, in HR zu investieren

Viele Geschäftsführungen rücken das Thema Personal immer mehr in den Mittelpunkt. Dies ist bei etlichen Unternehmen auch schlichtweg existenznotwendig. Aus meiner persönlichen Sichtweise sollten Unternehmen dies auch in der hierarchischen Stellung von HR und der täglichen Kommunikation klar herausarbeiten. Um sich zu entwickeln, benötigt HR zudem verstärkt eigene Manpower und ausreichende Budgets zur Weiterentwicklung. Kurz gesagt: Budget oder Geld.

Zusammenfassend werden Personalabteilungen immer wichtiger. Sie entwickeln sich weiter und werden professioneller. Und dies ist gut so. Aber die Personalabteilung hat noch einen weiten Weg vor sich, auf dem sie sich die Stellung in den Unternehmen „erkämpfen“ muss, den sie innehaben sollte. Als zentraler Dreh- und Angelpunkt für den künftigen Erfolg vieler Unternehmen in Deutschland. Um diese Position ausfüllen zu können, müssen Geschäftsführungen in die Schnittstelle zu ihrem wertvollsten Gut, den aktuellen und potenziellen Arbeitnehmenden, verstärkt investieren.