Das Problem: Mitarbeiter verbrennen und die Personaler gucken zu

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Foto von cetteup

Die unangenehmsten Wahrheiten kommen von guten Freunden: „Personaler sind die Ersten, auf die Du verzichten kannst“, sagte mir ein Freund aus alten Studententagen. „HR-Leute machen viel Worte, liefern aber nicht“, erklärte mir ein anderer mit reichlich Industrieerfahrung. „Personaler tun nur so, als ob sie sich für die Mitarbeiter einsetzen“, meinte ein Dritter, „aber wenn’s drauf ankommt, bist Du verlassen.“

Zwei Befunde belegen diese Ansichten:

  • Mit der Fachhochschule Trier habe ich im Jahr 2007 untersucht, wie die Arbeit von Personalern im Geschäftsbericht dargestellt wird: Personaler tauchen in der offiziellen Kommunikation selten angemessen auf.
  • Personalexperten können anscheinend nicht verhindern, dass viele Beschäftigte unter Burnout und Mobbing leiden.

Mit Lammentieren, Jammern oder „Augen zu und durch!“ ist es nicht getan, weil Personalthemen immer stärker brennen. Um die Situation zu ändern, bedarf es einer Analyse des Problems. Wieso eilt den haben Personaler ein so schlechtes Image?

Wer ernst genommen werden will, muss etwas dafür tun

Man könne entweder das Gute durchzusetzen oder ein guter Mensch sein, wusste Max Frisch: Beides könne nicht klappen. Die meisten Personaler wollen wohl gute Menschen bleiben und trauen sich nicht, auch mal Krawall zu schlagen. Daraus gedeiht in den Personalabteilungen eine Kultur, mit der HR-Fachleute beim zahlenorientierten Finanzvorstand oder der Führungskraft in der Produktion nicht punkten können.

Personaler stehen zudem ziemlich alleine da, wenn es um zwei Kulturaspekte geht, in denen sie anders „ticken“ als alle anderen betrieblichen Funktionsbereiche:

  • Viele Funktionen in Unternehmen gehen davon aus, dass sie (im Sinne von property rights) Verfügungsgewalt über Produktionsmittel haben – also auch über die Human Resources. Personaler aber wissen, dass Mitarbeiter mehr leisten, wenn die Arbeit auf individuellen Beziehungen basiert. Das sind zwei ganz verschiedene Denkweisen.
  • Personaler planen auf einen mittelfristigen Zeithorizont. Demgegenüber gehen viele Manager in anderen Funktionen davon aus, dass sie Prozesse mit einem Fingerschnipsen ändern – ohne dass dies zu Lasten der Produktivität geht.

Diese Kulturunterschiede (kurz- versus langfristig, sach- versus beziehungsorientiert) haben zur Folge, dass sich Personaler und andere Funktionen leicht missverstehen. Die „Wir sind nett zu allen“-Haltung von Personalern machen sie zu Feigenblättern sozialen Handelns im Unternehmen. Was können Personaler in einer solchen Situation tun?

Lösungsansatz: Drei Schritte zur anerkannten Kompetenz

Um Max Frisch noch einmal zu bemühen: Personaler brauchen auch den Biss (= Motivation) und die Gabe (= Qualifikation), sich mit Andersdenkenden im Unternehmen auseinanderzusetzen.

Drei wichtige Aspekte liefert mein Ratingsystem für gute Personalarbeit:

  • Ein Personaler, der die Strategie seines Unternehmens nicht kennt, kann einpacken. Wer nicht mit in der Vorstands- oder Geschäftsführer-Runde sitzt, kann die Unternehmsstrategie nicht auf seine Personalfunktion runterbrechen. Dann hechelt er bestenfalls hinterher. Personaler, die strategieorientiert handeln, bekommen in meinem Ratingsystem die Note C.
  • Personaler müssen ihre Leistung unter Beweis stellen: Ob schnelle und passende Personalbeschaffung oder konsequente Kritik an Führungskräften, die als Produktivkiller unterwegs sind – Respekt können sich Personaler erarbeiten, wenn sie konkret werden. Durch intelligentes Controlling kann der Personalbereich anderen Funktionen den Wertbeitrag seiner Arbeit vermitteln. Personaler, die intelligentes Controlling nutzen, bekommen in meinem Ratingsystem die Note B.
  • Das beste Controlling ist keinen Pfifferling wert, wenn es nicht vermittelt wird: Personaler müssen ihre Kompetenz an die richtigen Leute politisch klug kommunizieren – ja: trickreich verkaufen! Im männlich dominierten Haifischbecken der Entscheider ist eine Kommunikationsarbeit erforderlich, die gerade vielen Personalerinnen seltsam anmuten wird. Personaler, die sich durch clevere Kommunikationsarbeit Gehör verschaffen, bekommen in meinem Ratingsystem die Note A.

Vom Reden zum Tun: In zehn Schritten den CEO zum Fan Ihrer Personalarbeit machen

1) Treffen Sie Ihre Entscheidung, ob alles so bleiben soll, wie es ist, oder ob Sie etwas verändern wollen. Hinweis: „Change it“ tut meistens mehr weh als „Love it“ oder „Leave it“.

2) Entscheiden Sie, wohin Sie wollen: Was sollen die Besitzer Ihres Unternehmens und was sollen die Mitarbeiter in zehn Jahren über Ihre Personalarbeit sagen?

Hinweis:Schreiben Sie sich „Geschichten aus der Zukunft“ Ihrer Personalarbeit auf, um im täglichen Kleinklein eine Vision zu spüren.

3)Passen Ihre Ideen zu der Organisationsumwelt, in der Sie stecken? Und wie wird sich die Organisation in den kommenden fünf Jahren verändern? Auf sinkenden Schiffen sind andere Aktionen möglich als beim Stapellauf.

Hinweis:Nützlich ist die Methode „Business Wargaming“: Sie gehen in die Rolle eines „Angreifers“ und analysieren Ihre größten Schwächen. So erfahren Sie, an welchen Baustellen Sie arbeiten müssen.

4) Bevor Sie Ihre eigene Strategie starten, prüfen Sie, ob die Türen nicht sperrangelweit offen stehen: Fragen Sie, wann die nächsten Vorstands- oder Geschäftsführungssitzungen sich mit personalrelevanten Themen befassen (das sind ja letztlich alle Themen). Vielleicht wartet man ja nur darauf, dass Sie endlich mitspielen wollen.

Hinweis:Starten Sie ein neues „Spiel der Erwachsenen“ im Sinne der Transaktionsanalyse.

5)Möglicherweise geben die vorgenannten Punkte wenig Anlass zur Zuversicht. Prüfen Sie ein letztes Mal, ob Sie wirklich aufbrechen wollen auf die stürmische See oder lieber im sicheren Hafen bleiben.

Hinweis:Veränderungen fangen immer bei Ihnen an. Und sie bringen Unsicherheit und Verletzungen.

6) Ab jetzt geht es darum, Schritte im Sinne meines Ratingschemas für gute Personalarbeit umzusetzen: Um zum Rating C zu kommen, müssen Sie die Strategie Ihres Unternehmens verstehen. Ggf. recherchieren Sie selber – auch in den Medien, beim Betriebsrat oder bei den Mitarbeitern der verschiedenen Fachfunktionen. So gewinnen Sie eine Idee, wohin die Reise Ihrer Organisation gehen kann.

Hinweis:Zum Thema Strategie empfehle ich das Buch zur „Blue Ocean-Strategie“ (Chan Kim et. all.: Der Blaue Ozean als Strategie, Hanser 2005), für Strategie-Einsteiger den Autor Peter Drucker.

7)Wenn Sie die Unternehmensstrategie haben, können Sie daraus ihre Personalstrategie ableiten. Es kommt nicht auf wohlfeile Formulierungen an, sondern auf Inhalte, die im Sturm der Argumente Bestand haben: Holen Sie sich deshalb Feedback!

Hinweis:Sie sollen mit Ihrer Strategie nicht Everybody’s Darling sein, sondern Ihre Ideen überprüfen. Damit werden Sie nicht überall Beifall finden.

8)Um von Ihrer Strategie zum B-Rating zu kommen, definieren Sie Ziele mitsamt einer Messgröße, die Sie bis zu einem bestimmten Termin erreicht haben wollen (beispielsweise: 90 Prozent der Stellen in vier Wochen besetzen bis Datum xxx; jede Woche mindestens ein Feedback für Ihre Personalarbeit). Wenn Sie prüfen, was aus Ihren Zielen wird, nennt sich das Controlling: Ziele setzen, deren Erreichung überprüfen und daraus schrittweise lernen.

Hinweis:Ihre Ziele mitsamt deren Kontrolle können immer nur eine Krücke für das „wahre Leben“ sein. Besprechen Sie sich mit einem intelligenten Controller, denn Controlling ist Lernen aus Feedback.

9)Durch Strategie und Controlling gewinnen Sie selbst ein neues Gefühl für den Nutzen Ihrer Arbeit – auch, wenn nicht alles klappt, was Sie sich vorgenommen habe. Dann starten Sie Ihre Kommunikationskampagne: zuerst ein interner Bericht für Ihre Abteilung, den Sie dann im nächsten Schritt auch an Controlling, Betriebsrat und Geschäftsleitung geben. Das Triple-A-Rating bekommen Sie, wenn der Bericht auch außerhalb des Unternehmens zu lesen ist: von Anteilseignern, Bewerbern oder Banken.

Hinweis:Für den Anfang Ihrer Personalberichterstattung reicht es, wenn Sie auf etwa vier Seiten circa drei Kennzahlen dokumentieren und erläutern.

10)All diese Maßnahmen sind eine gute Vorarbeit, um Ihren Vorstand oder Geschäftsführer zum Fan Ihrer Personalarbeit zu machen. Weil er in der Regel immer noch ein Mann ist, reicht gute Arbeit nicht aus: Signalisieren Sie ihm nicht nur, dass Sie sein Geschäft unterstützen wollen, sondern auch, dass Sie das nur tun können, wenn Sie von Anfang an mitarbeiten dürfen – auch in der Vorstandsstrategie oder bei der Geschäftsleitungsstrategie.

Hinweis:Starten Sie ein „neues Spiel“ wie in Punkt 4). Und gehen Sie davon aus, dass Vorstände gerne das Spiel um Machtrangelei spielen.

Schreiben Sie mir, was aus Ihrem neuen Spiel geworden ist? E-Mail an Jens.Flammann@AusZeit.de.