Im Recruiting konkurrieren Familienunternehmen aus dem Mittelstand mit bekannten Großkonzernen. Das ist nicht immer einfach. Dabei haben sie viele Vorzüge, die sie im Employer Branding deutlich herausarbeiten können.

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Foto: Cherrydeck, Unsplash

Recruiting und Employer Branding trotz Krise

Auf den ersten Blick könnte man annehmen, dass die Dringlichkeit von Recruiting und Employer Branding in Pandemiezeiten in den Hintergrund rückt. Gleichzeitig suchen viele Talente gerade jetzt nach Arbeitsstellen. Zudem gibt es nach wie vor einen Mangel an Fachkräften. Dieser wird sich in den kommenden Jahren eher noch verstärken. Das stellt die Studie „Fachkräftemigrationsmonitor“ der Bertelsmann Stiftung von Januar 2021 heraus. Sie zeigt, dass 54 Prozent der Unternehmen im Jahr 2021 mit einer Knappheit an Fachkräften rechnen.

Familienunternehmen stellen 80 Prozent der Ausbildungsplätze

Das betrifft auch die Familienunternehmen, die in Deutschland ein Rückgrat der Wirtschaft sind. Neun von zehn Firmen sind in Familienhand und diese stellen insgesamt fast 60 Prozent aller Arbeitsplätze. Die mit einem Anteil von 95 Prozent bedeutendste Unternehmensform Deutschlands erwirtschaftet rund die Hälfte des gesamten deutschen Umsatzes. Außerdem stellt sie 80 Prozent der Ausbildungsplätze. Auch für Familienunternehmen bietet die aktuelle Lage gerade jetzt die Chance, hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte für sich zu begeistern.

Experten raten deshalb dazu, in klares Arbeitgebermarketing zu investieren. Unternehmen sollten Zeit nutzen, um sich als attraktiver Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren und relevante Zielgruppen zu erreichen, so auch das Fachmedium Personalwirtschaft in einem Beitrag vom Oktober 2020 („So optimieren Sie ihr Employer Branding in Krisenzeiten“). Diesen Rat beherzigen auch Familienunternehmen, gelten sie doch durch ihre langfristige Ausrichtung als Garant für sichere Jobs und wirtschaftliches Wachstum. Doch wie können sie Ihre Vorzüge gut nach außen vermitteln?

Zielgruppe und Botschaft klären

Damit Employer Branding Erfolg hat, müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber als erstes die Frage beantworten: Wer ist die relevante Zielgruppe und welche Botschaften wollen wir vermitteln? Auf der Hand liegt, dass es potenzielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind, die eine Organisation für sich gewinnen will. Dafür ist es nicht ausreichend, sich publikumswirksam als toller Arbeitgeber zu inszenieren. Die beste Außenwirkung hat keinen Erfolg, wenn sie nicht auch in die Tat umgesetzt wird. Ein Unternehmen, das mit leeren Versprechungen lockt, muss davon ausgehen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dies früher oder später bemerken.

Daher besteht die zu erreichende Zielgruppe nicht nur aus zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern vor allem aus den Bestehenden. Sie sind die wichtigsten Akteure, wenn es um die Umsetzung einer erfolgreichen Employer-Branding-Strategie geht. Denn neben zufriedenen Kunden sind vor allem zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die besten Markenbotschafter. Wer sonst kann das Image eines Unternehmens so authentisch nach außen transportieren? Im Optimalfall steht ihre Überzeugung dann – wie ein Gütesiegel – für die Transparenz und Korrektheit der positiven Unternehmensdarstellung.

Nachhaltiges Personalmanagement beginnt beim Employer Branding

Employer Branding ist die Grundlage für ein nachhaltiges Personalmanagement. Denn wenn die Kandidatinnen und Kandidaten ihre Erwartungen frühzeitig mit dem Umfeld abgleichen können, das Unternehmen bieten, lässt sich Fluktuation vorbeugen. Die Kosten einer Kündigung betrachten durchschnittlich 14.900 Euro, so die Deloitte-Studie „Fluktuation und deren Auswirkung auf Unternehmen“ von 2019.

Mitarbeiterbindung spart also nicht nur Zeit, sondern auch Kosten ein, die eine starke Fluktuation, beispielsweise durch wiederholte Stellenausschreibungen und Einarbeitungsphasen mit sich bringt. Damit ist sie ein langfristiger Erfolgsgarant auf vielen Ebenen – bis hin zum erfolgreichen Recruiting. Die Formel erscheint denkbar einfach: Gelebte Wertschätzung führt zu zufriedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese „Innenwirkung“ geht wiederum mit einer positiven Außenwirkung des Unternehmens einher.

Weichen für Familienunternehmen stehen im Employer Branding günstig

In Familienunternehmen stehen die Weichen für erfolgreiches Employer Branding per se günstig. Mit Antritt einer Stelle wird man hier zu einem Teil der Familie und, wie in einer Familie üblich, ganz grundlegend geschätzt, unabhängig von individueller Leistungsfähigkeit. Das brachte auch Richard Oetker, 2010-2016 Geschäftsführer und Gesellschafter der Dr. August Oetker KG, auf dem 11. Karrieretag Familienunternehmen mit den Worten „Der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt“ zum Ausdruck.

Diese innere Grundhaltung hängt eng mit der Eigentümerstruktur zusammen. Denn anders als bei Nicht-Familienunternehmen werden die Positionen „Unternehmen“ und „Eigentum“ meist von ein und derselben Person besetzt. Sie hängen daher auch direkt voneinander ab. Daraus ergibt sich maßgeblich eine, allen Familienunternehmen eigene, besondere Wertekultur, die sich meist über Generationen hinweg aufgebaut und transportiert hat.

Besondere Wertekultur und persönliche Atmosphäre

Unternehmerfamilien formulieren einen gemeinsamen Wertekanon, sowohl für das Unternehmen als auch für die Familie und deren Inhaberrolle. Dass Familienunternehmen als Gemeinschaft eine starke Identität brauchen, wirkt sich auf das Verhältnis zwischen der Unternehmerfamilie sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus. Diesen wird keine anonyme Personalnummer zugeordnet, sondern sie, und zum Teil auch ihre Familien, stehen meist in einem engen persönlichen Verhältnis zum Unternehmen. Das hat in Familienunternehmen positive Auswirkungen auf die Arbeitsatmosphäre und fördert den Teamgeist. Wie eine von der Stiftung Familienunternehmen in Auftrag gegebenen Forsa-Befragung es formuliert: „sich sicher- und wohlzufühlen, stellt einen eigenen Wert dar, der Arbeitskräfte produktiver macht.“

Durch viele verschiedene Schritte können Unternehmen diese Wertschätzung intern und extern zum Ausdruck bringen. Zunächst gilt es als einen grundlegenden Erfolgsfaktor des Employer Brandings, „die gesamte Belegschaft mit auf die Reise zu nehmen“, die Theorie also in die Praxis umzusetzen. Konkrete Beispiele bestehen beispielsweise in dem innerbetrieblichen Angebot einer Gesundheitsvorsorge, einer Altersvorsorge oder einer Unterstützung der Familien durch Kinderbetreuung sowie in Angeboten zur Weiterbildung und individuellen Förderung. Letztere wird durch die oben beschriebene Unternehmensstruktur erleichtert. Wer in einem Familienunternehmen Engagement und Leistungsbereitschaft zeigt, der wird als Einzelner, jenseits von Parametern wie der Länge der Betriebszugehörigkeit, viel individueller wahrgenommen und gefördert. Demnach ist „Fordern und fördern“ ein weiterer Grundsatz, der in der Wertekultur von Familienunternehmen konsequenterweise eine hohe Bedeutung innehat.

Committment in Familienunternehmen hoch

Die Studie „Markenbildung Familienunternehmen im Kontext der Arbeitgebermarke“, die im Auftrag der Industrie- und Handelskammer Schwaben vom Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen durchgeführt wurde, zeigt außerdem einen starken Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung als Familienunternehmen und dem Commitment. Je mehr das Unternehmen als Familienunternehmen wahrgenommen wird, desto höher ist die emotionale Bindung zum Arbeitgeber. Ein Familienunternehmen zu sein, kann also als verbindendes Element zwischen Unternehmen und Mitarbeiter gesehen werden.

Um seine Positionierung als Familienunternehmen aktiv in den Vordergrund zu stellen, geht es im letzten Schritt dann an die Suche der geeigneten Kommunikationskanäle, mit denen Betriebe die Generation X, Y und Z erreicht. Hier setzt „Karriere im Familienunternehmen“, Deutschlands erstes Employer Branding- und Jobportal für führende Familienunternehmen, an. Es geht auf eine Initiative des Entrepreneurs Clubs zurück und baut auf die Zusammenarbeit mit rund 300 großen Familienunternehmen auf.

Stefan Klemm, Inhaber und Gründer des Entrepreneurs Clubs, erklärt zum Hintergrund der Initiative: „Unsere Vision entstand aus der Tatsache heraus, dass in Deutschland überwiegend die großen DAX-Unternehmen öffentlich wahrgenommen werden und als prägend für die Wirtschaft gehalten werden. Bei vergleichbarer Leistungsfähigkeit stehen gerade bei Absolventen und Young Professionals die bekannten Marken im Fokus des Interesses und die Familienunternehmen werden oftmals in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung unterschätzt. So weiß kaum jemand, dass es jedoch zu einem Großteil die familiengeführten Unternehmen sind, die Deutschlands Wirtschaft bestimmen.“ Daher hat es sich „Karriere im Familienunternehmen“ zum Ziel gesetzt, Fach- und Führungskräfte über das Karriereumfeld in der Unternehmensklasse der Familienunternehmen aufzuklären.

Fazit:

Familienunternehmen haben viele Vorzüge, die sie herausstellen können, um Bewerberinnen und Bewerber anzuziehen. Dabei lohnt es sich, die bestehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzubinden, die als Markenbotschafter des Unternehmens auftreten können. Familienunternehmen sollten aber auch nach außen hin gemeinsam auftreten, um sichtbarer zu werden.