Herr Staudt, Sie waren einer der Speaker beim zweiten Peter Drucker Management Forum in Wien. Sind die Lehren von Peter F. Drucker noch aktuell?

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Foto von Austin Distel

Ja. Peter F. Drucker hat weit vor anderen erkannt, wie wichtig die soziale Verantwortung ist und dass Wirtschaft nicht nur Stakeholder-Value bedeutet. Er hat erfasst, dass wir einen Sinn in dem entwickeln müssen, was wir tun. Wir alle haben letztendlich einen Beitrag dazu zu leisten, dass es der Gesellschaft und den Menschen in der Gesellschaft insgesamt besser geht. Es ist aktueller denn je, dass Wirtschaft, der Einzelne und die Gesellschaft zusammengehören. Wir empἀnden ganz genau, dass wir voneinander abhängig sind. Die großen Probleme der Gesellschaft, also Daseinsvorsorge, die Gesundheitsthemen und die Fragen der nächsten Generation, können wir nur gemeinsam lösen. Von Peter Drucker habe ich auch gelernt, dass im Zusammenhang mit Leadership nicht nur Zahlen wichtig sind, sondern wir Bedingungen zu schaffen haben, dass sich jeder einbringen und seine ganze Persönlichkeit entwickeln kann.

Sie waren Vorsitzender der Geschäftsführung von IBM. Heute sind Sie Präsident eines Fußballvereins. Warum sind Sie damals ausgestiegen?

Als das Angebot kam, Präsident des VfB Stuttgart zu werden, hatte ich 30 Jahre Computerbranche hinter mir, war 55 Jahre alt und bekam die Chance, in einen Bereich einzutreten, der mich schon immer faszinierte – der Fußball. Für mich war das ein klarer Fingerzeig, dass ich noch einmal etwas gestalten und erleben kann. Das bedeutete für mich eine ganz neue Herausforderung.

Wo sehen Sie die Gemeinsamkeiten und auch die Unterschiede zwischen der Führung eines Unternehmens und der eines Fußballvereins?

Gemeinsam ist beiden das ganze Zahlenwerk. In beiden Bereichen geht es darum zu wachsen, das Geschäft zu entwickeln, zufriedene Kunden beziehungsweise Fans zu haben und letztendlich profitabel zu sein. Einen gewaltigen Unterschied macht das öffentliche Interesse aus, das im Sport natürlich überragend ist. Daraus resultiert auch der noch größere Druck auf die Vereinsmanager, denn wir arbeiten natürlich nicht auf Quartalsergebnisse hin, sondern sehen Erfolg und Misserfolg jede Woche daran, wo unser Verein in der Tabelle steht. Dementsprechend stelle ich mich wöchentlich der Verantwortung. Das ist nicht immer ganz einfach, vor allem, wenn es sportlich nicht so läuft, wie man das gerne hätte. Dann bekomme ich natürlich von allen Seiten massive Kritik.

Die Leitung eines Unternehmens unterscheidet sich also nicht groß von der Lei-tung eines Fußballvereins. Welche Rolle spielen denn moderne Managementmethoden in einem Fußballverein?

Sie spielen eine enorme Rolle. Alles das, was wir in einem modern geführten Unternehmen wie etwa IBM umsetzen, das ist auch im Sport wichtig. Zum Beispiel wollen wir unsere Mitarbeiter nicht zu Betroffenen, sondern zu Beteiligten machen. Wir versuchen ein großes Team zu sein, in dem der eine für den anderen geradesteht, in dem man den Mitarbeitern Vertrauen gibt und ihnen Aufgaben und Freiräume verschafft, in denen sie sich entfalten können.

Was können Sie als Manager von Fußballern lernen?

Was mich anfangs überrascht hat, war, wie wenig Zeit man sich im Sport von der Idee zur Umsetzung gibt. Es geht alles so enorm schnell. Kaum ist es ausgesprochen, ist es auch schon gemacht. So wird es im Sport erwartet. Überspitzt formuliert schläft man in der Industrie gerne erst noch mal eine Nacht über Vorschläge, überlegt hin und her und diskutiert in den verschiedenen Kreisen. Das ist im Sport fast unmöglich.

Fußballer brauchen Kraft und Ausdauer, Beharrlichkeit und Kreativität. Sind das auch Eigenschaften von Managern in Wirtschaftsunternehmen?

Eindeutig ja. Für jemanden, der in der Wirtschaft erfolgreich sein will, sind für mich aber vor allem drei Komponenten entscheidend: Fleiß, Enthusiasmus und Kommunikationsfähigkeit. Diese sind ebenso wie die in der Frage aufgezählten Eigenschaften auch für Fußballer von entscheidender Bedeutung.

Der Weg zur Spitze im Fußball kann sehr beschwerlich sein. Gilt dies auch für den Weg an die Spitze eines Unternehmens?

Ich habe den Weg an die Spitze als nicht sonderlich anstrengend empfunden. Ich hatte bei IBM das Glück, in einer Firma zu sein, die für mich maßgeschneidert war, eine Firma, in der meine Tugenden vollkommen angekommen sind.

Was zeichnet Sie denn aus?

Ich bin sehr zäh, wenn es um die Verfolgung von Zielen geht. Geradezu unnachgiebig. Und ich bin gerne mit anderen Menschen zusammen und versuche, ein guter Teamplayer zu sein. Optimismus ist eine weitere meiner Eigenschaften. Deshalb stecke ich auch Niederlagen meistens schnell weg. In drei oder vier Situationen meines beruflichen Lebens habe ich gedacht, dass sie das Ende meiner Karriere bedeuten. Ich hatte damals Vorstellungen, die durch aktuelle Entwicklungen widerlegt wurden. Aber gerade aus diesen Situationen heraus hat sich für mich genau der Weg entwickelt, auf dem ich letztendlich erfolgreich war. Ich bin beharrlich genug, auch Dinge zu tun, die im Moment vielleicht nicht ins Schema passen. Aber ich weiß, dass auch daraus wieder etwas Positives entstehen kann.

An der Spitze von Unternehmen gibt es nur wenige Frauen. An der Spitze von Fußballvereinen noch weniger…

Fußball ist traditionell ein Männersport, obwohl sich auch viele Frauen dafür interessieren. Unter unseren Zuschauern sind ungefähr 20 Prozent weiblich. Wenn sich das noch entwickelt, werden die Frauen auch bald Einzug in die Führungsetage von Fußballvereinen halten. Dass sie in der Führung von Unternehmen nicht stark vertreten sind, würde ich so nicht unterschreiben. Bei IBM zum Beispiel haben wir bei allen Personalrunden größten Wert darauf gelegt, dass Frauen zum Zuge kommen. Wenn eine Frau in einem Führungsgremium sitzt, ändert sich schlagartig das Klima. Man redet anders miteinander, man geht rücksichtsvoller miteinander um. Ich habe die Frauen, die ich in Spitzenpositionen kennengelernt habe, immer als Bereicherung erlebt, weil sie auch fachlich und vom Einsatz her mustergültig waren.

Kann man eigentlich lernen, ein guter Manager zu werden?

Keiner kommt als guter Manager auf die Welt. Es gehört auch viel Handwerkszeug dazu, eine Führungskraft zu sein. Wichtig ist, dass man seine Aufgabe liebt und gerne mit Menschen zusammen ist. Wenn man Menschen als Belastung empfindet, sollte man keine Führungsaufgabe übernehmen.

Die Arbeitswelt und die Arbeit selbst werden sich verändern. Was wird die Manager der Zukunft auszeichnen?

Die Manager der Zukunft werden große Kommunikatoren sein, weil die Arbeit immer komplexer wird. Die Aufgaben der Beschäftigten werden immer kleinteiliger werden, aber Teil eines großen Ganzen sein, sodass auf die Manager in der Zukunft eine ungeheure Koordinierungs- und Motivationsaufgabe zukommt.

Müssen die Teile des großen Ganzen sich harmonisch verhalten? Oder braucht man auch Querdenker?

In der Wirtschaft braucht man Querdenker – und auch im Sport. Querdenker sorgen automatisch für Unruhe und provozieren unter Umständen neue Wege. Ein Team sollte nicht zu harmonisch sein, sonst bringt es nicht die Top-Performance. Es muss immer einer da sein, der für Unruhe sorgt – aber auch nicht für zu viel.

Sie sind ein Querdenker?

Eigentlich nicht. Ich ordne mich eher in die Mainstream-Kategorie ein. Wobei ich das nicht als negativ empfinde. Mit lauter Querdenkern kann man keine große Organisation führen.

Interview: Wilfried Dorsch

Quelle: personal manager 1/2011