Problempunkt

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Foto von Luca Bravo

Betriebe kommen zunehmend ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach, die nichtrauchenden Mitarbeiter vor dem Tabakrauch der rauchenden Kollegen zu schützen. Die notwendige Regelung sieht regelmäßig vor, dass am Arbeitsplatz nicht geraucht werden darf. Sie gestattet den Rauchern aber, Raucherpausen an bestimmten Örtlichkeiten außerhalb der Arbeitsplätze zu machen. Da sie hierbei keine Arbeit leisten und deshalb für die Zeit der Raucherpause keinen Anspruch auf Arbeitsvergütung haben, kann der Arbeitgeber verlangen, dass die Raucher beim Verlassen des Arbeitsplatzes ab- und bei Rückkehr auf den Arbeitsplatz wieder anstempeln. „Vergisst“ ein Mitarbeiter das bewusst und bezieht er für die Raucherpause Arbeitsentgelt, liegt ein Betrug vor. Dieser kann im Wiederholungsfall nach vorheriger Abmahnung den Arbeitgeber berechtigen, fristlos verhaltensbedingt das Arbeitsverhältnis zu kündigen.

Im vorliegenden Fall hatte der Mitarbeiter jedoch vorgetragen, Nikotinabhängigkeit sei eine Sucht. Die Kündigung sei also personenbedingt – ein Unterfall der Kündigung wegen Krankheit. Ähnlich wie im Falle von Alkoholismus sei der Arbeitgeber daher verpflichtet, vor Ausspruch einer Beendigungskündigung dem Mitarbeiter die Möglichkeit zu geben, durch geeignete Maßnahmen von seiner Sucht loszukommen.

Im hier entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber den Mitarbeiter bereits sechsmal abgemahnt. Die siebte und letzte Abmahnung vor der Kündigung lautete auszugsweise:

„Sie haben zum wiederholten Mal Ihre Pausen nicht an- und abgestempelt. Wir haben diesen und auch andere Punkte bereits mehrfach mit Ihnen besprochen. Sie haben bereits im vergangenen Jahr wegen genau diesem Punkt eine schriftliche Abmahnung erhalten.“

Außerdem hatte der Mitarbeiter den Empfang folgender schriftlicher Betriebsanweisung schriftlich bestätigt:

„Die Unterbrechung der Arbeit zum Zwecke des Rauchens ist keine Arbeitszeit. Diese sind daher Pausen (Raucherpausen) und als solche abzustempeln … Nichtstempeln der Raucherpausen führt zu einer fristlosen Entlassung, da es sich hierbei um Urkunden-/Dokumentenfälschung handelt …“

All das und ein „letztes“ Personalgespräch Anfang Dezember 2008 mit dem Geschäftsführer fruchteten nichts. Nachdem der Mitarbeiter nur eine Woche später erneut an zwei Tagen hintereinander unabgestempelte Raucherpausen eingelegt hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß. Die Kündigungsschutzklage des Mitarbeiters war in erster Instanz erfolgreich: Sowohl die fristlose als auch die hilfsweise ordentliche Kündigung seien unwirksam, weil der Mitarbeiter nicht ordnungsgemäß abgemahnt worden sei. In den beiden einschlägigen Abmahnungen sei das vorgeworfene Verhalten nicht nach Zeit, Ort und den einzelnen Umständen hinreichend substanziiert dargestellt worden.

Entscheidung

Die Berufung des Arbeitgebers war erfolgreich. Mit dem vorliegenden Urteil hob das LAG Rheinland-Pfalz das erstinstanzliche Urteil auf und bestätigte die fristlose Kündigung, im Wesentlichen aus folgenden Gründen:

Der Mitarbeiter hat im Dezember 2008 an zwei Tagen hintereinander jeweils eine Raucherpause eingelegt, ohne abzustempeln.

Er war ausreichend abgemahnt bzw. gewarnt. Auch wenn die beiden einschlägigen Abmahnungen nicht konkret dokumentieren, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit genau er Raucherpausen nicht abgestempelt haben soll, konnte er erkennen, welches Verhalten die Beklagte von ihm erwartet und welches Fehlverhalten sie als so schwer wiegend ansieht, dass es aus ihrer Sicht Anlass geben wird, das Arbeitsverhältnis zu beendigen. Der Mitarbeiter konnte

– bezogen auf das Abstempeln von Raucherpausen

– den beiden Abmahnungen klar und deutlich entnehmen, was er nach Meinung der Beklagten „tun und lassen“ sollte.

Der Kläger ist nicht durch seine Nikotinabhängigkeit entschuldigt. Auch wenn ein Raucher „von Zeit zu Zeit der Auffrischung des Nikotinspiegels“ bedarf, bedeutet dies nicht, dass es ihm suchtbedingt unmöglich ist, die Stempeluhr zu betätigen. Entgegen der Ansicht des Mitarbeiters war die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung nicht verpflichtet, mit ihm zu erörtern, wie seiner Nikotinsucht entgegengewirkt werden könnte. Sie musste ihm keine Hilfsmaßnahmen zur Raucherentwöhnung anbieten, bevor sie ihm aus verhaltensbedingten Gründen wegen Nichteinhaltung der Stempelpflicht bei Zigarettenpausen kündigte.

Konsequenzen

In einer Abmahnung wegen schuldhaften Verstoßes gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis muss der Arbeitgeber – schon, um dem Mitarbeiter die Möglichkeit zu geben, darauf zu erwidern – die näheren Umstände des Vertragsverstoßes so präzise wie möglich beschreiben. Dazu gehören u. a. Datum und Uhrzeit des Verstoßes. Im Fall fehlten diese Angaben in den beiden letzten Abmahnungen. Auch bei den Verstößen im Dezember 2008, die Auslöser für die Kündigung waren, konnte die Firma keine Uhrzeiten angeben, so dass jeweils die Dauer der unberechtigt – weil unabgestempelt – eingelegten Raucherpausen offenblieb.

Das LAG Rheinland-Pfalz hat das im vorliegenden Urteil nicht beanstandet und trotzdem die Kündigung bestätigt. Das sollte aber für die Betriebspraxis kein Anlass sein, im Einzelfall nicht jede erdenkliche Bemühung zu unternehmen, auch Beginn und Ende eines Vertragsverstoßes zu ermitteln.

Praxistipp

Zur Raucherpause gehört nicht nur die am „Rauchertreff“ verbrachte Zeit, sondern auch die Zeit für den Weg vom Arbeitsplatz dorthin und von dort wieder zurück zum Arbeitsplatz. Entsprechend sind die Zeiterfassungsgeräte aufzustellen.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – 04/11