Europäischer Wirrwarr

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Doch entscheidender ist, welche Tätigkeit an sich per Meldung im Zielland angezeigt werden muss. Hier gehen die Interpretationen der Europäischen Entsenderichtlinie weit auseinander. Als Faustregel gilt, dass etwa Teilnahmen an Kongressen, Tagungen und Messen meldefrei sind, also in jedem Vertragsstaat ohne Meldung – aber unter Mitführung der A1-Bescheinigung – erfolgen kann. Doch u. a. Italien und Kroatien verlangen, dass jede Tätigkeit in ihrem Land zur Anzeige gebracht werden muss.

Oder wie verhält es sich mit Vertragsverhandlungen im europäischen Ausland? Gespräche zu bestehenden Verträgen, sei es zu Budgetplanung, zur Abstimmung von Garantieleistungen oder Reklamationen, sind bspw. In Österreich nicht meldepflichtig. Aber: Es dürfen keine Änderungen oder Erweiterungen des bestehenden Vertrags vorgenommen werden, denn dann wird der Aufenthalt in der Alpenrepublik sofort meldepflichtig. Darüber hinaus muss man auch Vertriebsmeetings melden, da, so die Auskunft des zuständigen Ministeriums in Wien, „hierbei der wirtschaftliche Faktor im Vordergrund steht und es sich um eine wirtschaftliche Benachteiligung von Firmen aus Österreich handelt“. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …

Doch mit der Meldung allein ist es nicht getan, wenn einige Länder Repräsentanten oder bevollmächtigte Vertreter fordern, die für das entsendende Unternehmen in allen Belangen die Entsendung betreffend u. a. auch vor Gericht streiten dürfen. So in Italien. In Frankreich muss dieser nur über eine Adresse und einen Telefonanschluss im Inland verfügen sowie der französischen Sprache mächtig sein, darf aber keine Angst vor dem mitunter ruppigen Ton der Behörden haben. In einigen Staaten kann der entsandte Arbeitnehmer diese Funktion übernehmen oder ein Vertreter des Kunden. Doch ist dabei datenschutzrechtlich zu beachten, dass der bevollmächtigte Vertreter mit der Meldung persönliche Daten und Gehaltsangaben des Geschäftsreisenden übermittelt bekommt sowie Zugriff auf Gehaltsabrechnungen und Arbeitsverträge haben muss.

Eigenarten

Hinzu kommen weitere nationale Eigenarten in den jeweiligen Gesetzgebungen.

So steht in der Schweiz jedem Unternehmen ein Kontingent von 90 Kalendertagen für projektbezogene Einsätze zur Verfügung, die im vereinfachten Meldeverfahren angezeigt werden können. 90 Tage pro Unternehmen, nicht pro Beschäftigten. Dabei ist es jedoch egal, wie viele Mitarbeiter an einem der beanspruchten Kontingenttage in der Schweiz arbeiten – ob einer oder zwanzig. Zum Abschluss der Dienstreise muss man die Entsendeentschädigung berechnen. Dabei wird der deutsche Ist-Lohn dem Schweizer Soll-Lohn gegenübergestellt. Dies bedingt die Einstufung des Dienstreisenden in den zutreffenden Schweizer Tarifvertrag; hierbei werden auch Sonderzahlungen und Urlaubsregelungen berücksichtigt. Zeigt diese Berechnung, dass der Schweizer Soll-Lohn höher liegt als der deutsche Ist-Lohn, so ist diese Differenz dem entsandten Arbeitnehmer auszuzahlen. Ist das Kontingent von 90 Tagen erschöpft, kann zunächst ein Gesuch für weitere 30 Tage gestellt werden, nicht für das gesamte Unternehmen, sondern individuell für die betreffenden Angestellten. Diese Gesuche sind beim jeweiligen Kanton zu stellen, der dann u. U. die Entsendeentschädigungsberechnungen für vorherige Einsätze inklusive Zahlungsbelege verlangt.

Norwegen verlangt die fiskalische Registrierung der entsandten Beschäftigten. Vorab. War dies früher online möglich, so bestellen die norwegischen Behörden den Dienstreisenden zu einer Identitätsüberprüfung ein. Dazu muss man vorher einen Termin vereinbaren, zu dem der Reisende persönlich beim Amt vorsprechen muss. Die Terminvereinbarung ist immerhin online möglich. Doch bei den gefragten, einfach zu erreichenden Stellen im Großraum Oslo beträgt die Wartezeit gerne mehr als zwei Wochen. Eine Bagatellgrenze gibt es allerdings: Liegt der Wert der erbrachten Dienstleistung unter 10.000 norwegischen Kronen – umgerechnet etwa 1.000 Euro –, so ist eine Meldung nicht erforderlich.

Hat man in Spanien zur Meldung schließlich den Dschungel der Zuständigkeiten erfolgreich durchschritten, kann von den Ämtern als Voraussetzung für die Meldung der Mitarbeiter eine sog. REA-Registrierung des entsendenden Unternehmens gefordert werden, die vor allen Dingen auf die Einhaltung von Arbeitsschutzbestimmungen abzielt, wie sie die Richtlinie 2013/35/EU vorschreibt. Entsprechende Schulungen sind über zertifizierte Anbieter nachzuweisen. Wurde jedoch ein allgemeines Zertifikat ausgestellt, das die Vorschriften der Richtlinie in Gänze abhandelt, akzeptieren die spanischen Behörden dies ggf. für die REA-Registrierung nicht, da die dezidierte Erwähnung einzelner Paragrafen fehlt.

Luxemburg verlangt für die Ausstellung des Badge Sociale ein Gesundheitszeugnis des Dienstreisenden. In Dänemark muss das entsendende Unternehmen zum staatlichen Fonds für entsandte Mitarbeitende beitragen, der im Falle einer Insolvenz des entsendenden Unternehmens Lohnzahlungen kompensiert. Dieser Beitrag beträgt bei kurzen Dienstreisen zum nördlichen Nachbarn meist nur wenige Cent. Hier lässt sich ein Guthaben in den Fonds einzahlen, von dem die jeweils fälligen Beiträge abgebucht werden.

Arbeitsrecht des Tätigkeitsstaates gilt

Letztendlich zielt die Europäische Entsenderichtlinie darauf ab, dass – auch bei Dienstreisen – für den entsandten Angestellten das Arbeitsrecht des Tätigkeitsstaates gilt. Dies umfasst in erster Linie die Bestimmungen zum gesetzlichen Mindest- oder Tariflohn, Bestimmungen zur Arbeitszeit und eben zum Arbeitsschutz.

  • So gilt bei Dienstreisen nach Frankreich grundsätzlich die 35-Stunden-Wochen mit den entsprechenden Regelungen zum Überstundenausgleich, den vorgeschriebenen Pausenzeiten und zur maximalen wöchentlichen Arbeitszeit.
  • In Spanien etwa ist die vorgeschriebene Sonntagsruhe zu beachten,
  • in Schweden die regionalen Unterschiede beim Mindesttariflohn.
  • Bestimmte in Deutschland erworbene Sicherheitszertifikate werden in Rumänien nicht anerkannt.
  • In vielen Zielländern müssen bereits bei der Meldung die Höhe des Gehalts und die beabsichtigte Arbeitszeit über „Stundenpläne“ mit eingereicht werden.
  • In der Schweiz gibt es innerhalb einzelner Kantone unterschiedliche Feiertagsregelungen.

Kontrolliert und sanktioniert

Die Ausformung der jeweils nationalen Entsendegesetze, wie des „Lex Macron“ in Frankreich oder des SR 820 in der Schweiz, hat in der EU einen Flickenteppich an Meldepflichten, Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten eröffnet. Hier sind die Gremien der EU gefordert, eine einheitliche Definition der Dienstleistungserbringung, der Dienstreise und des Tätigkeitsbegriffs zu schaffen, der von allen Vertragsstaaten in ihre nationale Entsendegesetzgebung übernommen wird. Die Vertragsstaaten haben bis Ende Juli nächsten Jahres Zeit, die gemeinschaftlichen Regelungen in nationales Recht zu übertragen. Dabei kann es durchaus zu einem „Wie du mir, so ich dir“-Spiel kommen. Das Fürstentum Liechtenstein bspw. hat für Dienstreisende aus der Schweiz härtere Maßstäbe angelegt als für Staatsangehörige aus den übrigen Ländern.

Aufgrund dieser Fristen ist in absehbarer Zeit keine Änderung des bisherigen Procederes zu erwarten. Die EU wird bis Sommer nächsten Jahres abwarten, dann in eine Evaluierungs- und Nachbesserungsphase eintreten, die wiederum mindestens zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen wird, bis es zu Entscheidungen kommen wird, für deren Umsetzung es dann wieder ausreichende Fristen geben wird. Für 2023 hat die EU die Einrichtung einer Agentur angekündigt, die sich vor allem mit den Auswirkungen der Entsenderichtlinie und deren praktischer Umsetzung beschäftigten wird.

Die Einhaltung der Meldegesetze kontrollieren die einzelnen Mitgliedstaaten. Derzeit tun sich vor allen Dingen Österreich, Frankreich und die Schweiz dabei hervor. In Rumänien kam es jüngst dazu, dass „falsche“ Kontrolleure im Land unterwegs waren, die ausländischen Arbeitnehmern anboten, die vermeintliche Strafe direkt per Barzahlung begleichen zu können. Kontrolliert wird an Grenzübergängen, vor allen Dingen an den Beschäftigungsorten direkt, aber auch in Hotels und Unterkünften, die gerne von Geschäftsreisenden gebucht werden. Fehlen Unterlagen bei den Mitarbeitern vor Ort, leitet der jeweilige Staat ein Verfahren gegen den betroffenen Arbeitgeber ein. Je nach Kulanz werden Fristen eingeräumt, in denen man die fehlenden Unterlagen nachreichen kann.

Fazit: Anforderungen an das Entsendemanagement

Bis zu eventuellen gesetzlichen Änderungen ist das Entsendemanagement eines jeden Unternehmens gehalten, den jeweiligen gesetzlichen Anforderungen Folge zu leisten, um nicht sanktioniert zu werden. Dies bedingt zunächst auch eine Sensibilisierung der Dienstreisenden, sich an die Vorgaben zu halten, dem Arbeitsrecht des Tätigkeitsstaates zu entsprechen und vor allen Dingen dafür zu sorgen, die benötigten Dokumente mit sich zu führen. Darüber sind auch die gesetzlichen Vorgaben zur Archivierung der Entsendeunterlagen zu beachten – dazu gehören die endgültige A1-Bescheinigung sowie die Meldung.

Für Unternehmen, die Subunternehmen mit Arbeiten im Ausland beauftragen, gilt der Gedanke der Solidarhaftung. Verstößt einer der Subkontraktoren gegen das geltende Entsendegesetz, kann auch der Auftraggeber in Pflicht und Haftung genommen werden.

Erleichterungen gibt es lediglich beim Transit: Reist ein Mitarbeiter durch Österreich nach Ungarn, um dort tätig zu werden, ist für Österreich weder eine A1 noch eine ZKO-Meldung erforderlich. Es sei denn, der Arbeitgeber hält den Arbeitnehmer z. B. dazu an, in Wien seine E-Mails abzurufen.

 

Mit freundlicher Genehmigung der HUSS-MEDIEN GMBH aus AuA 8/19, S. 456ff.

Herausforderungen durch die EU

Seit vor neun Jahren die Entsenderichtlinie der EU mit der Verordnung 883/2004 (EG) und der entsprechenden Durchführungsverordnung in Kraft trat, sind Arbeitgeber bzw. Arbeitnehmer gesetzlich dazu verpflichtet, jede grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung und Tätigkeit innerhalb des EWR und in der Schweiz sowohl bei den jeweils zuständigen nationalen Behörden als auch beim zutreffenden Versicherungsträger anzuzeigen. Zum EWR gehören die Mitgliedstaaten der EU sowie Norwegen, Island und Liechtenstein. Monaco, Andorra und San Marino sind von diesen Regelungen ausgenommen.

Die Folge ist, dass jeder Beschäftigte, der auf Weisung seines Unternehmens bspw. einen Serviceeinsatz in Rumänien erledigt oder einen Workshop in Luxemburg abhält, nicht nur den Nachweis über eine bestehende Sozialversicherung, die sog. A1-Bescheinigung, mitführen muss, sondern ggf. auch die Meldebescheinigung aus dem Zielland der Entsendung – sei es das Badge Sociale in Luxemburg, die Meldung beim zuständigen rumänischen Arbeitsinspektorat oder, wenn es nach Frankreich geht, zusätzlich einen Bevollmächtigten Vertreter bestellen muss. Dieser ist erster Ansprechpartner für die französischen Behörden. Hinzu kommt, dass für den Mitarbeiter auf Dienstreise gilt, dass im Zielland seiner Reise das dortige Arbeitsrecht für ihn gilt – auch und vor allen in Hinsicht auf Mindestlohnbestimmungen, Arbeitszeiten und Arbeitsschutz.

Die Verantwortlichen in Unternehmen stellt dies vor die große Herausforderung, wie sie Mitarbeitende rechtssicher im europäischen Ausland arbeiten lassen. Denn kann ein Arbeitnehmer auf seiner Geschäftsreise bei einer Kontrolle keines der genannten Dokumente vorweisen oder hält er sich nicht an die Arbeitsgesetze im Tätigkeitsstaat, dann drohen Sanktionen. Diese reichen von empfindlichen Geldstrafen bis hin zu einem zweijährigen Dienstleistungsverbot für das ganze Unternehmen etwa in der Schweiz. Liechtenstein veröffentlicht regelmäßig die Namen der Unternehmen, die gegen das geltende Recht verstoßen haben, im Internet.

Hintergrund dieses Entsendeverfahrens ist die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping, der sich die EU verschrieben hat. Ziel ist es, grenzüberschreitende Schwarzarbeit zu verhindern. Ob es dazu eines solch umständlichen, wenig vereinheitlichten Prozederes bedarf, ist eine Frage, die in den Gremien der EU geklärt werden muss. Doch bis dies in geltendes Recht in den einzelnen Vertragsstaaten umgesetzt wird, gibt es noch viele A1-Bescheinigungen und noch mehr Verunsicherung darüber, welche Tätigkeit nun im Ausland zu melden ist und welche Überstundenregelungen in Frankreich genau gelten.

Derzeit unumgänglich: die A1-Bescheinigung

Mitte März dieses Jahres keimte Hoffnung auf, dass die A1-Bescheinigung nur eine kurze Episode in der Verwaltungsobsession der EU gewesen sei. Die EU-Kommission verkündete damals, dass sich die Rechtsorgane der Union auf eine Überarbeitung der Verordnungen 883/2004 und 987/2009, aber auch der Richtlinie 2014/50/EU verständigt hätten. Die Medien griffen dieses Thema voreilig auf, schnell machte das Missverständnis die Runde, dass die A1-Bescheinigung umgehend abgeschafft sei und Beschäftigte wieder schnell mal eben nach Tschechien oder Belgien eine Geschäftsreise unternehmen dürften.

Doch dem ist nicht so. Auch wenn sich die Gremien der EU auf eine Überarbeitung der Verordnungen verständigt haben, muss zunächst eine rechtssichere Basis geschaffen werden, der dann noch das Europäische Parlament und schließlich der Europäische Rat, indem die Regierungen der einzelnen Mitgliedstaaten zusammengeschlossen sind, zustimmen. Es wurde im März kolportiert, dass die Überarbeitung der Verordnungen generell auf eine Abschaffung der A1-Bescheinigungen abzielt. Doch welches Verfahren zur Überprüfung einer bestehenden Sozialversicherung im Beschäftigungsstaat des Arbeitnehmers dann in Kraft treten wird, blieb unbeantwortet.

Sollte die endgültige A1-Bescheinigung vor Reiseantritt noch nicht vom zuständigen Sozialversicherungsträger übermittelt worden sein, so reicht der Antrag vorerst aus. Es ist dann eine Ermessensentscheidung des jeweiligen Kontrolleurs, ob er die vorläufige Bescheinigung, die nun in ihrer Aufmachung wahrlich nicht als vorläufig rechtswirksames Dokument wahrgenommen werden kann, akzeptiert. Regelmäßig zeigen sich die Behörden jedoch kulant, fordern im Einzelfall dann die Nachreichung der endgültigen A1-Bescheinigung. Unverständliche Willkür gibt es hinsichtlich der Bescheinigungen derzeit lediglich in Italien, das auf einer Übersetzung des europaweit genormten endgültigen A1-Dokuments ins Italienische besteht. Ausnahme: Ist der Tätigkeitsort in Südtirol, reicht die herkömmliche, von den deutschen Sozialversicherungsträgern ausgestellte Bescheinigung aus. Man akzeptiert i. d. R. auch, dass die A1-Bescheinigung elektronisch und nicht als Ausdruck vorgezeigt wird.

Praxistipp

Festzuhalten ist: Die A1-Bescheinigung ist noch nicht abgeschafft und es empfiehlt sich weiterhin, vor Antritt der Dienstreise eine entsprechende Bescheinigung zu beantragen. Und: Diese ist während der Geschäftsreise unbedingt mit sich zu führen.

Vom ersten Augenblick an

Die A1-Bescheinigung ist gemeinhin vor Beginn der Dienstreise zu beantragen. Denn im Sozialversicherungsrecht gibt es keine Unterscheidung zwischen einer halbtätigen Dienstreise und einer zweijährigen Entsendung. In der Begriffsungenauigkeit liegt das grundsätzliche Missverständnis über die europäische Entsenderichtlinie. Geht man bei einer Entsendung im herkömmlichen Sprachgebrauch gemeinhin davon aus, dass ein Mitarbeiter eines Unternehmens für längere Zeit auf eine Arbeitsstelle im Ausland entsandt wird, so zielt die Entsenderichtlinie der EU in erster Linie auf kurzzeitige Geschäfts- oder Dienstreisen ab. Demnach liegt eine Entsendung nicht nur dann vor, wenn ein Beschäftigter zur Auftragserledigung im Ausland eingesetzt wird, sondern auch bei der Teilnahme an Konferenzen und Seminaren oder beim Besuch von Messen.

Dies bringt die Verpflichtung mit sich, dass für jede noch so kurze Tätigkeit im EWR oder der Schweiz „eine A1“ eingeholt werden muss. Und zwar vor Arbeitsaufnahme im Ausland. Gleiches gilt auch für Tätigkeiten in denjenigen Staaten, mit denen Deutschland ein Doppelsozialversicherungsabkommen geschlossen hat; dazu zählen u. a. die Türkei und die Philippinen. Hier ist vor Beginn – auch von kurzzeitigen Reisen auf Weisung des Arbeitgebers – eine der A1 entsprechende jeweilige 101-Bescheinigung zu beantragen. Geschieht dies nicht, so drohen empfindliche Bußgeld- und Beitragsbescheide durch ausländische Versicherungsträger. Denn der Arbeitgeber, der es versäumt, für seinen Arbeitnehmer eine A1 oder 101 einzuholen, wird im Tätigkeitsstaat seines Mitarbeiters sozialversicherungsabgabepflichtig. Eine zeitliche Bagatellgrenze für Dienstreisen sehen die gesetzlichen Rahmenbedingungen derzeit nicht vor.

Reist ein Mitarbeiter geschäftlich häufiger in ein und dasselbe Zielland, so kann eine sog. Dauer-A1 beantragt werden. Sie gilt für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren in allen Vertragsstaaten, in denen die Erwerbstätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird. Man spricht dann von „gewöhnlicher Mehrfacherwerbstätigkeit“. Voraussetzung dafür ist, dass der betreffende Beschäftigte mindestens einen Tag pro Monat oder fünf Tage pro Quartal in dem jeweiligen Zielland tätig ist. Wird diese Voraussetzung nicht eingehalten, kann das Unternehmen bei einer Überprüfung in den in der Dauer-A1 angegebenen Ländern sozialversicherungsabgabepflichtig werden. Darüber hinaus drohen Bußgelder.

Seit dem 1. Juli dieses Jahres ist die A1 ausschließlich auf elektronischem Wege einzuholen. Hintergrund dafür ist, dass der Datenaustausch zwischen den europäischen Sozialversicherungsträgern vereinfacht, beschleunigt und standardisiert wurde. In der Konsequenz bedeutet dies aber auch, dass die Behörden im Zielland der Entsendung Kenntnis von den Einsätzen der Mitarbeiter erlangen. Aufgrund der zunehmenden Kontrollen im Ausland kann man darüber hinaus annehmen, dass im Zielland auch weitere Behörden in den Datenaustausch einbezogen sind.

Die elektronische Beantragung des A1-Dokuments erfolgt entweder über eine Schnittstelle im jeweiligen Personal-, Entgeltabrechnungs- oder Lohnbuchhaltungsprogramm bzw. – insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen – über SV-Net. Hier werden online die geforderten Daten an den jeweiligen Versicherungsträger übermittelt, umgehend der Antrag erstellt, der als PDF zur Verfügung steht, und schließlich über das elektronische Postfach im SV-Net die endgültige Bescheinigung zugestellt. SV-Net hat hinsichtlich der Nutzungsfreundlichkeit und Anwendungsperformance noch hohes Optimierungspotenzial, auch z. B. die Weigerung Schnittstellen anzubieten, zeugt von wenig Kundenorientierung seitens des Anbieters.

Für Drittstaatler, also Mitarbeiter mit einer Staatsangehörigkeit außerhalb der EWR oder der Schweiz, sind – sofern sie zu den deutschen Sozialversicherungssystemen beitragen – ebenfalls A1-Bescheinigungen einzuholen. Jedoch gibt es Ausnahmen: Führt die Geschäftsreise etwa nach Dänemark, so kann keine A1-Bescheinigung für einen Drittstaatler ausgestellt werden. Die Ablehnung wird damit begründet, dass die entsandte Person aufgrund ihrer Drittstaatsangehörigkeit und unter Berücksichtigung des Ziellandes vom persönlichen Geltungsbereich der Verordnung 883/2004 nicht erfasst wird. Dies ist bei den vier Nicht-EU-Vertragsstaaten Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz der Fall.

Praxistipps

1. Zusammengefasst bedeutet dies, dass für jeden beruflich bedingten Grenzübertritt im EWR oder in die Schweiz eine A1-Bescheinigung erforderlich ist.

2. Es empfiehlt sich, den Kreis der Arbeitnehmer, die für die Dauer-A1 infrage kommen, vorab festzulegen und retrospektiv zu überprüfen, ob diese Voraussetzungen in der Vergangenheit jeweils eingehalten wurden. Die Dauer-A1 ist i. d. R. bei der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) zu beantragen.

Fünf Dinge braucht der Reisende

Zu beachten ist, dass die A1-Bescheinigung oder der vorläufige A1-Antrag wesentliche Bestandteile der Entsendedokumente sind, die der Beschäftigte vor Antritt seiner Dienstreise dabei haben muss. Hinzu kommt ein gültiger Personalausweis, schließlich noch der Arbeitsvertrag sowie eine aktuelle Gehaltsabrechnung. Auch diese lassen sich i. d. R. in elektronischer Form mit sich führen und – falls sie bei einer Kontrolle beanstandet werden – in gesetzter Frist den Behörden in übersetzter Fassung vorlegen. Denn nach den jeweiligen nationalen Ausformungen der Europäischen Entsenderichtlinie sind alle Dokumente in der Sprache des Ziellandes mitzuführen. Doch dabei lassen die Behörden regelmäßig Kulanz walten. Ausnahme ist auch hier Italien, wo es per se als Verstoß gegen das nationale Entsendegesetz gilt, wenn die geforderten Dokumente nicht von Anbeginn auf Italienisch mitgenommen werden – es sei denn, die Entsendung führt nach Südtirol.

Die Kulanz der Behörden findet jedoch ihre Grenzen, wenn etwa der Arbeitsvertrag oder die Gehaltsabrechnung vom Mitarbeiter geschwärzt wurden. Dies geschieht oft im Irrglauben der Arbeitnehmer, dass sie gegenüber ausländischen Behörden nicht auskunftspflichtig seien.

Die Beschäftigten sind darüber hinaus verpflichtet, am Zielort der Entsendung einen Zeitaufschrieb zu führen, der Arbeits-, Pausen- und Wegezeiten umfasst. Dies kann handschriftlich oder per Excel-Liste geschehen. Dieser Zeitnachweis ist den Behörden ebenfalls auf Verlangen vorzuweisen oder im Anschluss an eine Kontrolle nachzureichen.

Praxistipp

Geschwärzte oder in irgendeiner anderen Form unkenntlich gemachte Gehaltsabrechnungen werden als nicht vorhandenes Dokument gewertet, was sanktioniert wird.

Rut, Limosa und ZKO

Schließlich müssen die Mitarbeiter im Auslandseinsatz noch das vielleicht wichtigste Dokument mitführen: die sog. Meldung. Diese heißt Sipsi, wenn die Reise nach Frankreich geht, Limosa in Belgien, ZKO 3 in Österreich, Rut in Dänemark oder ClicLavoro in Italien. Es sind mehr oder weniger intuitiv nutzbare Internetplattformen, über die man vorab die Entsendung den jeweiligen Behörden anzeigen muss. Andere setzen auf ein landessprachliches Formular, das entweder per Fax oder E-Mail eingereicht werden kann. In Ungarn steht eine ungesicherte Webseite zur Verfügung, über die persönliche Daten des entsandten Arbeitnehmers übertragen werden müssen. Einen Beleg gibt es nicht, daher empfiehlt es sich hier, den reisenden Kollegen einen Screenshot der Meldung an die Hand zu geben. In Spanien trifft man auf Vorschriften, die sich von Region zu Region unterscheiden, ob überhaupt gemeldet werden muss, wie die Meldung durchzuführen ist und an wen sie zu richten ist.

I. d. R. muss dies spätestens am Vortag der Arbeitsaufnahme im Zielland erledigt sein. In der Schweiz beträgt die Frist zwingend acht Tage, eventuelle Notfalleinsätze sind gegenüber den jeweils zuständigen kantonalen Behörden zu argumentieren und können von diesen ggf. auch nicht bewilligt werden. In Rumänien beträgt die Frist fünf Tage und ist oftmals ein Geduldsspiel, da die Entsendemeldung bei manchen Arbeitsinspektionen per Fax abgesetzt werden muss. In Italien empfiehlt sich ebenfalls eine frühzeitige Erledigung, da die Entsendeplattform auch für italienische Muttersprachler an manchen Stellen schwer verständlich ist – etwa hinsichtlich, welche Information an welcher Stelle genau gefordert wird.

In den meisten Ländern Osteuropas erfolgt die Meldung über das aufnehmende Unternehmen oder den örtlichen Nutznießer der Dienstleistung, der dies gegenüber den entsprechenden Behörden nachweisen muss. In Spanien gibt es einen bunten Flickenteppich an Meldeformularen und Meldewegen. Abhängig ist dies von der jeweiligen Region, in die entsandt wird.

Von den 32 Vertragsstaaten verzichten derzeit nur zwei auf einen Meldeprozess: Großbritannien, das voraussichtlich zum 31. Oktober aus der EU ausscheidet, sowie die Niederlande, die derzeit noch technische Schwierigkeiten bei der Implementierung der nationalen Plattform haben, was sich aber kurzfristig ändern kann. Nur wenige Vertragsstaaten haben eine Bagatellzeit eingerichtet, in denen Mitarbeiter meldefrei arbeiten dürfen.

Praxistipp

Hilfreich ist es, sich einen Vorrat an E-Mail-Adressen anzulegen, denn auch versehentlich gemachte Fehler, wie ein Tippfehler in der Steuernummer, sind nicht zu korrigieren und dann ist es hilfreicher, einen neuen Meldeaccount auf ClicLavoro anzulegen, als bei der Behörde eine Korrektur der Daten zu erbitten.