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Keine Zurückweisung durch den Betriebsrat möglich

Das Landesarbeitsgericht hatte noch zu Gunsten der Klägerin entschieden. Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung jedoch aufgehoben und dem Arbeitgeber Recht gegeben. Die Kündigung war wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG wirksam. Ein Betriebsrat kann eine Betriebsratsanhörung zu einer beabsichtigten Kündigung durch einen Boten oder Vertreter des Arbeitgebers nicht entsprechend § 174 Satz 1 BGB zurückweisen, wenn der Anhörung keine Vollmachtsurkunde beigefügt ist.

Der Zweck des Anhörungserfordernisses stehe, so das BAG, einer entsprechenden Anwendung von § 174 BGB entgegen. Das Verfahren nach § 102 BetrVG ist nicht an Formvorschriften gebunden. Eine mündliche oder telefonische Anhörung ist möglich. Auch in einem solchen Fall beginnt die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu laufen. Hat der Betriebsrat Zweifel an der Boten- oder Vertreterstellung der Person, die ihm bei der Anhörung gegenübertritt, kann er sich nach dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit unmittelbar an den Arbeitgeber wenden und um einen entsprechenden Nachweis bitten.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung sorgt für Rechtssicherheit in der Bearbeitung von Betriebsratsanhörungen durch Arbeitgeber. Formmängel wie der vorliegende bleiben ohne Auswirkung. Außer in den Sonderfällen einer Liquidation oder Insolvenz besteht regelmäßig Gewissheit, von wem eine Betriebsratsanhörung stammt. Sollte einmal Streit darüber herrschen, ob die richtige Person im Unternehmen unterschrieben hat, wirkt sich dies nach dieser Entscheidung nicht auf die Kündigung aus.

Praxistipp

In jedem Fall ist es aus Beweisgründen unerlässlich, dass der Betriebsrat inhaltlich schriftlich und in der gebotenen Ausführlichkeit über die Kündigungsgründe unterrichtet wird. Kommt es zu Fehlern, führt dies zwar grundsätzlich nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats. Es kann aber dazu führen, dass der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess “präkludiert” ist. Das bedeutet, er kann keine neuen Umstände vortragen, die nicht Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren. Er müsste dann ggf. nochmals kündigen und vorher den Betriebsrat auch zu den neuen Umständen anhören. Bei einer außerordentlichen Kündigung fehlt hierzu allerdings oft die Zeit, da die dort geltende Zwei-Wochen-Frist dann meist abgelaufen ist.


Fotocredit: Ralf Knuth / www.pixelio.de

 

Betriebsratsanhörung durch
Unternehmensfremden ohne Vollmacht

Der Arbeitgeber – eine als Aktiengesellschaft griechischen Rechts mit Sitz in Griechenland firmierende Fluggesellschaft – beschäftigte insgesamt circa 70 Arbeitnehmer an mehreren Standorten in der Bundesrepublik Deutschland. Die Klägerin, eine Vertriebsmitarbeiterin, war am Standort Stuttgart beschäftigt. Das Unternehmen wurde nach griechischem Recht liquidiert. Als Liquidator wurde eine andere Gesellschaft griechischen Rechts eingesetzt. Der Liquidator entschloss sich, die deutschen Standorte zu schließen und alle Arbeitsverhältnisse zu kündigen. Er beauftragte einen deutschen Rechtsanwalt mit den Anhörungen des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigungen. Dieser hörte den Betriebsrat des Standorts Stuttgart mit Schreiben vom 15. Dezember 2009 zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin an. Allerdings war dem Schreiben keine Vollmachtsurkunde des Rechtsanwalts beigefügt. Der Betriebsrat wies die Anhörung deshalb am 21. Dezember 2009 zurück. Der Rechtsanwalt kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 29. Dezember 2009 zum 31. März 2010. Die Klägerin hat sowohl gegen ihren Arbeitgeber als auch gegen den Liquidator Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hält die Kündigung für unwirksam, weil der Anhörung des Betriebsrats kein Nachweis über die Bevollmächtigung des handelnden Rechtsanwalts beigefügt gewesen sei.