Professor Felfe, woran erkennen Sie, ob sich ein Mitarbeiter seinem Unternehmen verbunden fühlt?
Mitarbeiter, die sich ihrem Unternehmen verbunden fühlen, engagieren sich besonders für ihren Arbeitgeber und reden gut über ihn. Sie halten ihm auch in Krisenzeiten die Treue, haben geringe Fluktuationstendenzen und stehen auch hinter kritischen Entscheidungen der Führungsebene. Dieses Commitment lässt sich auf die Formel „Say, Stay und Serve“ bringen. Engagierte Mitarbeiter helfen zum Beispiel ihren Kollegen, sorgen für ein gutes Klima, gehen besonders gewissenhaft mit den Ressourcen des Unternehmens um, planen vorausschauend und kümmern sich um die eigene Weiterbildung. Forschungsergebnisse zeigen, dass Unternehmen, deren Mitarbeiter ein besonders hohes Commitment zeigen, leistungsstärker sind als andere. Daher kann man schon sagen, dass sich Mitarbeiterbindung für ein Unternehmen auszahlt.

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Foto von Oli Dale

Gilt das Commitment der Beschäftigten immer dem Unternehmen als Ganzes?
Nein, die Forschung hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt mit anderen Zielen des Commitments beschäftigt – zum Beispiel mit der Bindung gegenüber Aufgaben oder Teams. Denn man hat festgestellt, dass die Organisation für die Beschäftigten oft sehr abstrakt ist. Das gilt vor allem für große Unternehmen. Doch die Ziele des Commitments können auch von Berufsstand zu Berufsstand sehr unterschiedlich sein. Eine Krankenschwester fühlt sich ihrer Tätigkeit und ihren Patienten stärker verbunden als ihrem Krankenhaus und ein Professor identifiziert sich stärker mit seinem Fach und seiner Forschung als mit seiner Hochschule.

Verlieren diese verschiedenen Formen der Bindung in Krisenzeiten an Bedeutung?
In Zeiten wie diesen wird vielen Arbeitnehmern ihre Bindung an ein Unternehmen erst bewusst. Zugleich stellen Krisen die Haltbarkeit der Mitarbeiterbindung auf die Probe. Denn gerade jetzt tragen manche Arbeitgeber einiges dazu bei, die Bindung ihrer Mitarbeiter zu zerstören – zum Beispiel indem sie nur unzureichend oder falsch informieren. Dabei sind sie gerade jetzt auf eine Kernbelegschaft angewiesen, die den Karren aus dem Dreck zieht.

Wie können Unternehmen ihre Mitarbeiter binden?
Ein wichtiger Faktor ist der Arbeitsinhalt. Wenn Mitarbeiter über ausreichende Handlungsspielräume verfügen, ihre Arbeit interessant finden und Entwicklungsperspektiven sehen, kann Commitment entstehen. Denn Mitarbeiter engagieren sich eher, wenn sie ihre eigenen Ziele, Bedürfnisse und Werte verwirklichen können. Förderlich ist zudem eine mitarbeiterorientierte, partizipative und wertschätzende Führung, die persönliche Entwicklung ermöglicht. Wenn es Führungskräften nicht gelingt, Commitment herzustellen, gefährden sie die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen. Destruktiv wirken auch negative Faktoren auf der Ebene der Organisation: Herrscht im Unternehmen eine Hire-and-fire-Mentalität? Oder macht das Management deutlich, dass ihm auch in der Krise das Wohl der Mitarbeiter am Herzen liegt? Wenn das Unternehmen Leute nach einem unfairen Auswahlprozess scheinbar beliebig vor die Tür setzt, wird das Commitment der verbleibenden Mitarbeiter höchstwahrscheinlich sinken. Wenn die Beschäftigten die Kündigungen aber als nachvollziehbar und einigermaßen fair erleben, fällt es ihnen leichter, den Personalabbau mitzutragen.

Bleiben Mitarbeiter immer aus denselben Gründen bei einem Arbeitgeber?
Die Forschung unterscheidet drei Arten von Commitment: affektives, kalkulatorisches und normatives. Besonders wichtig ist hierzulande das affektive Commitment. Mitarbeiter, die sich ihrem Unternehmen emotional verbunden fühlen, bleiben bei ihrem Arbeitgeber, weil sie es so möchten. Kalkulatorisches Commitment verspüren Beschäftigte, die nur deshalb im Unternehmen bleiben, weil es für sie besonders günstig ist oder ihnen keine andere Wahl bleibt. Sehen sie eine andere Perspektive, sind sie die ersten, die gehen. Normativ committed sind Menschen, die sich dem Unternehmen verpflichtet fühlen – zum Beispiel aufgrund der Erwartungen ihres persönlichen Umfeldes.

Gibt es beim Thema Mitarbeiterbindung kulturelle Unterschiede?
Ich habe dazu Forschungen in China und Deutschland durchgeführt, die gezeigt haben, dass das affektive Commitment in China niedriger ausgeprägt ist als in Deutschland. Emotionale Bindung an ein Unternehmen scheint vor allem ein Phänomen individualistisch geprägter Kulturen zu sein. Dafür ist in China das normative Commitment deutlich stärker ausgeprägt. In beiden Kulturkreisen zeigen sich jedoch Zusammenhänge zwischen der Mitarbeiterbindung und den Leistungen der Unternehmen.


Interview: Bettina Geuenich

Literaturtipp
Mitarbeiterbindung. Von Jörg Felfe, Hogrefe 2008.

Quelle: personal manager 4/2009