person stepping down on brown wooden stairs aerial photography
Foto von Raphael Koh

Getrieben wird das Wachstum in diesem Markt von zwei Trends, 1. dem Wissenszeitalter, das als Tribut von seinen Kindern stets und ständig berufliche und persönliche Weiterentwicklung fordert und 2. den neuen Biografien. Viele Menschen entdecken gerade in der Lebensmitte, dass ihr bisheriges berufliches Leben sie nicht mehr erfüllt oder sich mit ihren Werten nicht mehr deckt, und werden nicht etwa Bäcker, Lehrer oder Blumenhändler sondern Berater, Trainer oder Referent. Oft spielen persönliche Erlebnisse eine Rolle, die sie erkennen lassen, wie wichtig es ist, umzudenken und dass uns die nötigen Handwerkszeuge dafür fehlen. Andererseits locken die Chancen eines freien Marktes, auf dem es keine allgemein gültigen Gütesiegel oder Zulassungsvoraussetzungen gibt.

 

Angespornt durch Bücher wie das des erfolgreichen Referenten Hermann Scherer: “Der Weg zum Topspeaker“ hoffen immer mehr Menschen mit scheinbar schneller Arbeit sehr viel Geld zu verdienen. Doch abgesehen davon, dass maximal 5% der Freiberufler Millionäre werden, gibt es inzwischen ein Überangebot von Trainern und Referenten, und in Unternehmen wird nicht nur in Zeiten der Wirtschaftskrise bei den Investitionen in Mitarbeiter gestrichen und gespart.

 

Dies hat zur Folge, dass auf der einen Seite Unternehmen Preise drücken und insbesondere Trainer für Einkünfte arbeiten – um überhaupt zu arbeiten – für die sie in keinem Angestelltenverhältnis antreten würden. Auf der anderen Seite gibt es außergewöhnlich erfolgreiche Referenten, von deren Honoraren andere nicht einmal träumen. Wenn Jörg Löhr, Matthias Horx und Gertrud Höhler EUR 12.000 für einen Vortrag erhalten (FAZ 22.1.2012), lassen diese Aussichten die Träume der Neueinsteiger in die Wolken wachsen. Vergessen wird dabei, dass dahinter Marken und Positionierungen wie bei anderen Luxusgütern stehen, die jahrelang erarbeitet sind und eher mit den Menschen als mit dem Thema zu tun haben. Petra Spiekermann von PSPR berät Referenten in Sachen PR und weiß: „Derzeit kommen viele Trainer in den Referentenmarkt, die ihre Trainingsthemen einfach nur umbauen. Manchen locken die guten Verdienstmöglichkeiten, ohne dass klar ist, dass Topreferenten mit Tophonoraren auch richtig Zeit in Thema und Tiefgang investieren“.


Wer soll sich im Angebotsdschungel zu Recht finden?

 

Noch entscheidender aber ist, dass Unternehmen gar keinen Überblick mehr haben können, wer zu welchem Thema der geeignete Referent für ihre Veranstaltungen ist und den qualitativen Erwartungen genügt. Der Markt wird durch die Vielzahl der Angebote und Anbieter immer intransparenter. „Etwa 35.000 Coaches tummeln sich hierzulande, nur etwa 5.000 davon gelten als seriös.“ (Zeit-online 2011) Die Gefahr, Geld und Zeit falsch zu investieren wächst.

 

Glaubt man den „Stimmen“ auf den Homepages von Vortragsanbietern, gibt es ausschließlich zufriedene Kunden. Spricht man mit Unternehmen, klingt das etwas anders. Da erkennt man erst auf der Bühne, dass die Fotos des Referenten auf der Webseite viele Jahre alt sein müssen, der schwäbische Dialekt in Hamburg ganz schlecht ankommt oder der Kontakt zum Publikum einfach nicht zustande kommt. Wolfgang Fessler, Geschäftsführer der Fessler-Mühle bringt es auf den Punkt: „Wenn sich Referenten, aber auch Musiker oder Mitarbeiter vorstellen, wird oft manches versprochen, was dann nicht gehalten wird. Es passt auch nicht jeder gute Referent zu jedem Event. Da muss genau abgestimmt werden. Und am Ende bleibt es immer spannend, ob der Referent die Vorstellungen tatsächlich erfüllt.“

 

Häufig werden Events von ohnehin schon unter Zeitmangel stehender Assistenz geplant. Und auch die Personalabteilungen haben so viel anderes zu tun, dass eine strategische und punktgenaue Vorbereitung kaum geleistet werden kann. Im Ergebnis werden gern hauseigene Referenten gebucht oder die genommen, die man schon immer hatte. Das kann funktionieren, muss aber nicht. Erstere bringen keine externen Perspektiven, letztere werden den Anforderungen an neue Themen eventuell nicht gerecht. Denn alle befragten Experten waren sich einig, dass eine große Trendwende stattgefunden hat. Wurden bislang vorwiegend Fachthemen und Skills wie Kommunikation angeboten, sind jetzt Themen der Persönlichkeitsentwicklung und Motivation gefragt.

 

Erwartungen und Enttäuschungen wachsen

 

Es gibt erste Sättigungserscheinungen. Kunden und Mitarbeiter haben ja schon viel gesehen, gelesen, trainiert. Die Organisatoren stehen vor der Herausforderung, immer etwas Neues, Besseres, Außergewöhnlicheres zu bieten, damit überhaupt jemand kommt. „Bei Kundenevents ging es bisher um die Vermittlung von Themen und Inhalten, jetzt eher um Unterhaltung. Dort sind wir bald nicht mehr steigerungsfähig. Das Publikum hat schon so viel Ausgefallenes gesehen, was soll noch kommen? Bei der Weiterbildung zählen Tiefgang und Nachhaltigkeit. Dafür benötigt man ein echtes Vertrauensverhältnis zum Referenten und sollte dies nicht zu Gunsten immer neuer Moden und vermeintlicher Trends gefährden. Die Preisentwicklung bei Referenten ist erstaunlich und nicht immer nachvollziehbar“ sagt Uwe Brunotte, Business Development Manager bei der Ostsächsischen Sparkasse Dresden. Doch auch die Referenten haben so ihre Erfahrungen und beklagen, dass Unternehmen nicht gut vorbereitet sind und nicht genau wissen, was sie wollen und dass der Sparidee oft die Qualität einer Veranstaltung geopfert wird. „Ich wünsche mir mehr Unternehmen, die sich trauen, „anders“ zu denken, das heißt auch, „andere“ Veranstaltungen zu organisieren, mit neuen Titeln, kreativen Orten und innovativerem Catering“ so Gerriet Danz, Kommunikations- und Rhetoriktrainer.

 

9 goldene Regeln für den Erfolg eines Events

 

1.

Je unübersichtlicher ein Markt ist, umso genauer gilt es zu klären, was das Ziel ist. Welches Ergebnis wäre das Optimum? Wie sollen die Teilnehmer nach Hause gehen? Mit neuem Wissen, neuen Fähigkeiten, guter Laune oder nachdenklich?

2.

Informiert sein und Erfahrungen zählen. Erfolgreiche Unternehmen buchen nur, wen sie life oder zumindest auf einem aktuellen Video gesehen haben, oder nach einer verlässlichen Empfehlung.

3.

Mitarbeiter- und Kundenevents sind Chefsache. Ein gemeinsamer Topevent bleibt für immer in guter Erinnerung und damit auch der Gastgeber.

4. 

Weniger ist mehr. Besser wenige Veranstaltungen top gestalten, als viele durchschnittlich. Der Referent muss gut instruiert sein. Für welche Stimmung soll er sorgen? Was ist seine Rolle? Krönt er als Sahnehäubchen die Fachthemen oder soll er eine Botschaft, für die er steht, transportieren?

5.

Mensch schlägt Thema. Was verspricht der Referent? Wie setzt er/sie es im eigenen Leben um? Menschen sind – zu Recht – besonders kritisch in Sachen Authentizität.

6.

Nicht jeder Top-Experte ist ein Top-Referent. Was hat Priorität? Expertise, Unterhaltung oder Stimmung?

7.

Wer an der falschen Stelle spart, zahlt drauf. Ein Referent, der nicht nur „nett“ ist, sondern begeistern soll, hat seinen Preis. Es ist wie bei allen anderen Investitionen auch: Wer billig kauft, kauft häufig zwei Mal.

8.

Trends setzen statt hinterherlaufen: Inspiration findet sich

9.

Der eigene Spaßfaktor entscheidet. Je mehr der Gastgeber sich für das, was er anbietet, selbst interessiert, umso erfolgreicher wird die Veranstaltung sein.

 

Dr. Ilona Bürgel, www.ilonabuergel.de

Das Buch zum Thema „Der Referentenkompass“ http://www.amazon.de/Der-Referentenkompass-effizient-perfekten-Veranstaltung/dp/384821976X/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1355133327&sr=8-1