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Problempunkt

Der Kläger war bei der beklagten Bank seit 2001 beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag enthielt folgende Ausschlussklausel:

„Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind von den Vertragsschließenden binnen einer Frist von drei Monaten seit ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Falle ihrer Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Frist von drei Monaten einzuklagen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen.“

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Wirkung zum 31.12.2004. Die vom Kläger fristgerecht erhobene Kündigungsschutzklage hatte Erfolg. Am 27.1.2006 reichte der Kläger Zahlungsklage wegen rückständiger Vergütungsansprüche für die Monate Januar bis Dezember 2005 ein.

Entscheidung

Das BAG gab der Zahlungsklage statt. Bei einer zweistufigen Ausschlussfrist handelt es sich um eine (arbeits- oder tarifvertragliche) Regelung, wonach bestehende Ansprüche (z. B. Lohnansprüche) ersatzlos wegfallen, wenn sie nicht in einer bestimmten Form und innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht werden:

  • Auf der ersten Stufe muss der Inhaber regelmäßig den Anspruch binnen einer bestimmten Frist schriftlich gegenüber dem Vertragspartner anmelden.
  • Erfüllt ihn der Vertragpartner danach nicht oder bestreitet er ihn, hat der Berechtigte den Anspruch auf der zweiten Stufe innerhalb einer bestimmten Frist einzuklagen.
  • Versäumt er Stufe eins oder zwei, verfällt der Anspruch.
Hier hatte der Kläger seine Lohnansprüche, die erst nach Ablauf der Kündigungsfrist fällig wurden, nicht innerhalb der vereinbarten Ausschlussfrist geltend gemacht. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Ausschlussklausel wären sie damit verfallen. Das Gericht stellte jedoch auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage ab. Es entschied, dass der Kläger damit auch alle hiervon abhängigen Ansprüche aus Annahmeverzug wirksam und fristwahrend i. S. d. ersten Stufe geltend gemacht und gleichzeitig gemäß der zweiten Stufe „eingeklagt“ hatte.

Konsequenzen

Mit dieser Entscheidung hat das BAG seine Rechtsprechung zu arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen grundlegend geändert. Bislang ging es zwar davon aus, dass durch die Erhebung einer Kündigungsschutzklage regelmäßig auch die vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängigen Vergütungsansprüche, die nach Ablauf der Kündigungsfrist fällig werden, i. S. d. ersten Stufe geltend gemacht sind. Allerdings reichte die Erhebung der Kündigungsschutzklage nicht aus, um der zweiten Stufe zu genügen und den Annahmeverzugslohnanspruch innerhalb der Ausschlussfrist „einzuklagen“.

Diese Rechtsauffassung hat das BAG zumindest bei einzelvertraglich vereinbarten Ausschlussklauseln nunmehr aufgegeben. Es sieht eine solche Klausel als nicht hinreichend klar an. Folglich ist sie dahin auszulegen, dass die Erhebung der Kündigungsschutzklage bei Vergütungsansprüchen, die während des Kündigungsschutzprozesses fällig werden, auch die zweite Stufe der Ausschlussfrist wahrt. Die Ansprüche verfallen nicht. Der Mitarbeiter kann sie auch noch uneingeschränkt geltend machen, wenn das Kündigungsschutzverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.

Praxistipp

Das BAG hat ausdrücklich offengelassen, ob Ausschlussklauseln den Arbeitnehmer unangemessen i. S. v. § 307 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch benachteiligen, wenn sie ihn verpflichten, Annahmeverzugsansprüche, die vom rechtskräftigen Abschluss eines Kündigungsschutzverfahrens abhängen, binnen einer bestimmten Frist mittels einer bezifferten Leistungsklage geltend zu machen. Dann wäre die gesamte Ausschlussklausel unwirksam. Um dieses Risiko zu vermeiden, sollte der Arbeitgeber die Annahmeverzugsansprüche vom Anwendungsbereich der Ausschlussklausel ausnehmen. Folgende Formulierung ist denkbar:

Muster

Zweistufige Ausschlussfrist

„Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis müssen innerhalb einer Frist von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder erklärt sich nicht innerhalb von einem Monat nach Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von weiteren drei Monaten nach der Ablehnung oder Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Dies gilt nicht für Zahlungsansprüche des/der Beschäftigten, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen.“

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht - Personal-Profi - 10/09