Nach dem Berichtssystem Weiterbildung haben im Jahr 2003 zwar 31 Prozent der 35- bis 49-Jährigen, aber nur 17 Prozent der 50- bis 64-Jährigen an einer Weiterbildungsmaßnahme teilgenommen („Chancen für Ältere“, Berlin, 2.März 2007, Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft e.V., Saarbrücken).

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Foto von Alejandro Escamilla

Problematisch ist dies, weil unzureichende Qualifikation zu Überforderung, Stress, Unsicherheit und Arbeitsunfähigkeit führen kann, Qualifikationsanforderungen im Zuge des raschen technologischen Wandels und des expandierenden internationalen Handels zunehmen, Kompetenzen schneller entwertet werden und mit dem anhaltenden Übergang zu einer Dienstleistungswirtschaft Qualifikationsprofile angepasst werden müssen, um neue Beschäftigungsmöglichkeiten auch für Ältere nutzbar zu machen.

Flexible Arbeitskräfte – flexible Arbeitsorganisation

Eine zukunftsorientierte Arbeitsgestaltung muss dem Leistungswandel im Berufsverlauf Rechnung tragen. Ältere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können ihre Erfahrung einbringen, jüngere Mitarbeiter neues Wissen. Formen der Arbeitsgestaltung und der Arbeitsorganisation haben einen erheblichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit gerade älterer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Das heißt: Nicht das Alter allein ist entscheidend für die Motivation, die Einsatzbereitschaft, die Produktivität der Beschäftigten und für die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens. Handlungsfelder im Betrieb sind deshalb: Gruppen- und Projektarbeit, um Beschäftigte entsprechend ihrer Fähigkeiten in einzelnen Prozessabschnitten einzusetzen, altersgemischte Teams, körperlich und geistig abwechslungsreiche Aufgaben, Beteiligung an Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen und flexible Arbeitszeiten, wie Langzeitkonten. Zwei Beispiele aus der Praxis: Bereits im Jahre 2006 wurde bei der BASF AG das Programm Generations@ Work gestartet. Es ist von einem umfassenden Kulturwandel die Rede, um die Personalpolitik der BASF nachhaltig demografiefest zu machen. Die Umsetzung wird in insgesamt zwölf Projekten erarbeitet und umfasst die gesamte Breite der Personalarbeit. Die gesamte HR-Funktion ist gefordert, um ein Unternehmen für den demografischen Wandel einzustellen. Bei der Audi AG wird gar von einem Paradigmenwechsel gesprochen mit der zentralen Aussage, dass die gesamte Erwerbsbiografie darauf angelegt werden muss, die Leistungs- und Entwicklungsfähigkeit der Mitarbeiter über die bisher üblichen Altersgrenzen hinaus zu erhalten. Dieser Paradigmenwechsel ist nicht nur eine personalpolitische Aufgabe, sondern auch hochgradig wettbewerbsrelevant, um die Leistungsfähigkeit des Unternehmens dauerhaft zu erhalten.

Eine Umfrage des Bundesverbandes Junger Unternehmer (BJU) aus dem Jahr 2006 unter seinen Mitgliedern hatte das Ergebnis, dass die Personalverantwortlichen vor allem die Arbeitsmoral, das hohe Qualitätsbewusstsein, den Erfahrungsschatz und die Loyalität der älteren Mitarbeiter sowie die Lernbereitschaft, die ebenso hoch wie bei jüngeren Mitarbeitern sei, schätzen (iwd – Nr. 2, 10. Januar 2008).

Gut 70 Prozent der jungen Vorgesetzten sagten, sie hätten nichts dagegen, Ältere einzustellen. Etwa 44 Prozent der Befragten waren der Auffassung, dass die Generation 50-plus genauso viel leistet wie die Jüngeren. Oft ist weniger mehr: Knapp 39 Prozent der jungen Führungskräfte schätzten das erfahrungsgestützte Knowhow der Älteren – selbst wenn diese quantitativ weniger leisten.

Am 21. September 2006 schlossen die Tarifvertragsparteien in der Eisen- und Stahlindustrie den ersten Tarifvertrag zur „Gestaltung des demographischen Wandels“ ab. Dieser Tarifvertrag enthält Empfehlungen für die Entwicklung einer zukunftsgerichteten betrieblichen Alterskultur und kann den Unternehmen helfen, bestehende Defizite zu korrigieren. Die Kernpunkte sind:

Die tarifgebundenen Unternehmen sind gehalten, Altersstrukturanalysen (Bestandsaufnahme, Analyse und Prognose) durchzuführen. Dieses Instrument erfasst das Alter aller Mitarbeiter differenziert nach Qualifikation, Tätigkeit und Abteilung. Auf der Grundlage der Ergebnisse können die Verantwortlichen die Altersentwicklungen feststellen und betriebliche Maßnahmen für die älter werdenden Mitarbeiter ableiten, entwickeln und umsetzen. Konkrete Maßnahmen können die Arbeitszeitgestaltung, die Qualifizierung oder die Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz sein.

Auch das Problem des gleitenden oder vorzeitigen Übergangs in die Rente wurde angepackt. IG Metall und Arbeitgeber einigten sich darauf, dass die Tarifvertragsparteien Verhandlungen mit dem Gesetzgeber führen. Der Tarifvertrag setzt zudem auf Impulse über die Einrichtung und Finanzierung eines betrieblichen „Fonds demographischer Wandel“, der sich aus Mitteln der Arbeitnehmer und Arbeitgeber speist. Verwendet werden können die Fondsmittel etwa für die betriebliche Altersvorsorge, für Einzahlungen in Arbeitszeitkonten oder für Qualifizierungen der Mitarbeiter, soweit der über den betriebsnotwendigen Bedarf hinausgeht. Schließlich sieht der Tarifvertrag eine paritätisch besetzte Kommission vor, welche die Umsetzung der Tarifregelungen begleiten soll; diese wird sich auch für den getrennten Tarifvertrag in Ostdeutschland mit der Thematik beschäftigen.

Europäische Perspektive

Wie in Deutschland, sind in ganz Europa viele Firmen noch keineswegs demografiefest genug. Das ergab eine Unternehmensbefragung des Adecco Instituts in acht europäischen Ländern (iwd – Nr. 27, 5. Juli 2007).

Doch schon heute müssen die Unternehmen die personalpolitischen Weichen für diese Herausforderung stellen, zumal sich auch die Suche nach passenden Fachkräften aufgrund des ausbleibenden Nachwuchses schwieriger gestaltet. Daher hat das in London ansässige Adecco Institut einen Index entwickelt, der acht europäischen Ländern – Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, der Schweiz, Spanien und Großbritannien – auf Basis von Umfrageergebnissen ein Attest über die demografische Fitness der Betriebe ausstellt. Der Index soll jährlich aktualisiert werden.

Für die erste Ausgabe befragte das Institut in jedem Land 500 Unternehmen aller Branchen und Größenordnungen. Zu erreichen waren zwischen 100 und 400 Punkte. Die meisten Zähler sammelten die britischen Unternehmen – sie kamen durchschnittlich auf 189 Demografie-Fitness-Punkte. Doch das ist zum einen nicht viel, denn als einigermaßen gut für den demografischen Wandel aufgestellt gelten kann eine Firma erst, wenn sie die 300er-Marke übertrifft. Und zum anderen sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern nicht groß. Am schlechtesten schnitt Frankreich mit 172 Punkten ab, die deutschen Betriebe liegen mit 181 Punkten auf dem fünften Platz.

Auf den ersten Blick ein eher unrühmlicher Rang für Deutschland. Gleichwohl sind hierzulande etwas mehr Unternehmen als anderswo gut für ein steigendes Belegschaftsalter gewappnet: So sammelten elf Prozent der befragten Betriebe über 300 Punkte im Demografie-Index. In Großbritannien waren es lediglich vier Prozent und in Frankreich sogar nur ein Prozent.

Bewertet werden für den Index fünf personalpolitische Handlungsfelder:

  1. Gezielter Generationenmix. Hier sind viele Firmen in Deutschland schon deutlich weiter als die europäische Konkurrenz. Zwei Drittel der hiesigen Betriebe setzen auf Arbeitsteams, in denen die Erfahrung lang gedienter Mitarbeiter und das aktuelle Know-how von Berufseinsteigern kombiniert werden. Im Durchschnitt der acht Länder trifft das nur auf knapp die Hälfte der Firmen zu, und in den Niederlanden kommen altersgemischte Arbeitsgruppen nicht einmal in jedem dritten Betrieb vor.
  2. Lebenslanges Lernen. Weiterbildung ist ein Schlüssel zum Erfolg – so viel scheint in den meisten Führungsetagen angekommen: Arbeitsplatzbezogene Schulungen etwa finden hierzulande in vier von fünf Unternehmen statt, der Umfrageschnitt liegt sogar bei 84 Prozent.
  3. Wissensmanagement. Im Umgang mit dem Know-how der Mitarbeiter liegen hingegen unausgeschöpfte Potenziale für den Unternehmenserfolg. So verfügt in Deutschland gerade ein Viertel der befragten Firmen über ein Verzeichnis der Wissensträger.
  4. Betriebliches Gesundheitsmanagement. Hierzulande bieten 60 Prozent der Arbeitgeber regelmäßig Gesundheitschecks für die Belegschaft an. Beim Thema Ernährung endet jedoch die Sensibilität für das körperliche Kapital: Gesunde Verpflegung ist gerade in einem Drittel der Häuser zu bekommen.
  5. Laufbahnplanung und Karrieremanagement der Mitarbeiter. Auf dem Gehaltszettel zahlen sich gute Leistungen in hiesigen Unternehmen dank darauf ausgerichteter Vergütungssysteme häufig aus. Jenseits finanzieller Anreize könnte die individuelle Entwicklung der Mitarbeiter jedoch besser gefördert werden – beispielsweise über Mentorenprogramme: In deren Rahmen begleiten erfahrene Kollegen das berufliche Fortkommen ihrer Schützlinge mit Rat und Tat. Für hiesige Betriebe ist eine solche Karrierebetreuung eher ungewöhnlich, während sie in Großbritannien in jedem zweiten Unternehmen üblich ist.

Alle hier zitierten Befragungen machen deutlich, dass deutsche Unternehmen in Fragen des demografischen Wandels am Start stehen. Aber ebenso deutlich ist, dass sie noch durchstarten müssen.

Internet-Tipp

www.boeckler.de

www.iab.de

Lese-Tipp

Böhne, Alexander: Generierung von Identifikations- und Motivationspotenzialen älterer Mitarbeiter im Kontext eines professionellen Human Resource Management.

Verlag Rainer Hampp, München/Mering 2008,

ISBN 978-3-86618-193-9, 27,80 Euro

Quelle: PERSONAL - Heft 06/2008