Als Vorstandschef René Obermann den Raum betritt geht ein Raunen durch die Reihen der versammelten Journalisten. Die Fotoreporter und Kamerateams unter ihnen richten sofort die Linsen aus, ein Blitzlichtgewitter beginnt. Auch die anwesenden Telekom-Führungskräfte trauen ihren Augen nicht. Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick zupft nervös an seiner Krawatte, Personalvorstand Thomas Sattelberger ruckelt an seiner Brille. Obermann indessen schreitet in braunen Slippern, hellbeigen Bermudashorts und gestreiftem Halbarmarmhemd ohne Krawatte nach vorn zum Podium…

table lamp on desk inside room
Foto von Christian Mackie

Was ist geschehen? Der Chef des privatisierten Staatskonzerns hat sich kurzfristig entschieden, das momentane Lebensgefühl der Deutschen und seiner 250 000 Mitarbeiter wiederzuspiegeln. Er kleidete sich so, wie viele andere Menschen dieser Tage – just casual, unbekümmert, leicht. Obermann wollte demonstrieren, dass er die luftigen Lebensgefühle seiner Mitarbeiter und Kunden teilt.

Soweit die Fiktion.

Topmanager kommen schlecht weg

Wäre das auch in Realität möglich? In Deutschland? Vermutlich kaum. Denn andere Götter tragen Weiß, die Uniform des deutschen Managers dagegen ist gedeckte Krawatte, dunkler Anzug, unauffällige Halbschuhe.

Des deutschen Managers Kleidung signalisiert Überlegenheit. Sie ist ein Schutzpanzer. Gegen die Mitarbeiter. Gegen die Kunden. Gegen jeden, der nicht so weit nach oben kam, wie man selbst. Durch ihre Kleidung heben Führungskräfte optisch ab. Sie schweben über dem Alltag. Sie machen sich nicht gemein mit dem Normalbürger. Sie sind Brahmanen – eine Kaste, die Parias nicht anrührt.

Das Paradox an diesem Dresscode ist, dass sich unsere Industriekapitäne selbst zu Unberührbaren machen. Geschöpfe, denen das gemeine Volk lieber nicht zu nahe kommt. Wie Wesen aus einer anderen Welt.

Kleider machen Leute, sagt man. Das ist wahr. Doch das Signal, das der Dress der Manager ausstrahlt, verstärkt weit verbreitete Vorurteile. Und es wird noch verstärkt durch Auftreten, das keine Zuwendung ausdrückt, und durch Fachsprache, die die wenigsten verstehen.

Noch nie standen Deutschlands Topmanager derart im Mittelpunkt des Medieninteresses. Und noch nie kamen sie derart schlecht weg. Das stellt Kommunikationsforscher Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim in einer Langzeitstudie fest. Ging es früher in Berichten eher um ökonomische Firmenleistungen, steht heute oft die Unternehmer- und Managerpersönlichkeit im Zentrum der Story. Angekreidet werden: kräftige Gehaltserhöhungen in Zeiten der Sparsamkeit, selbstgewisses Gehabe selbst vor Gericht und unbedachte Worte wie Peanuts. Hinzu kommt moralisches Fehlverhalten.

Dabei könnten Vorstandsvorsitzende ihrem Unternehmen durchaus eine Image-Dividende verschaffen, meint Brettschneider. Dazu bedürfe es jedoch eines geplanten Reputation Managements. Sonst bleibe Personalisierung der Unternehmenskommunikation eine Eintagsfliege. Eine Analyse, die Auftrittsberater und Medientrainer teilen. Halten wir fest: der Habitus deutscher Manager ist stark verbesserungswürdig. Warum also nicht einmal gegen den Strich der Zunft bürsten und für sich ein Auftreten annehmen, das einnimmt. Man kann ja mal mit der Kleidung anfangen. Es müssen natürlich nicht gleich Sandale, Short und offenes Shirt sein.

Quelle: PERSONAL – Heft 09-08/2008

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