Wolters Kluwer ist ein führender globaler Informationsdienstleister und Herausgeber, der sich auf Produkte und Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit, Steuern, Accounting, Finanzen, Recht und Ausbildung spezialisiert hat. Das Unternehmen mit Sitz in Amsterdam beschäftigt 18.400 Mitarbeiter in Europa, Nordamerika, Asien und Pazifik. Wolters Kluwer ist eine Expertenorganisation und richtet sich gemäß seiner Vision „The Professional’s First Choice“ ebenfalls an Experten. Talent Management ist für das Verlagshaus essenziell, denn schon jetzt ist absehbar, dass die Zahl der verfügbaren Spezialisten in den kommenden Jahren sinken wird. Daher verabschiedete das Management eine globale Strategie, die darauf abzielte, Talente aus internen Ressourcen zu entwickeln und attraktive Perspektiven für Schlüsselkräfte zu schaffen. Der Talent-Review-Prozess sollte das Unternehmen zudem intern als Organisation etablieren, die zwar unterschiedliche Marken unter einem Dach vereint, aber gemeinsame Interessen und Standards verfolgt.

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Foto von Headway

Talent Management ist bei Wolters Kluwer eine Aufgabe des Managements. HR übernimmt eine unterstützende Funktion. Die besondere Herausforderung für das Personalmanagement lag zu Projektbeginn im Frühjahr 2005 darin, innerhalb weniger Monate ein einheitliches Konzept mit einem Umsetzungsplan aufzusetzen. Das Problem: Einheitliche Methoden des Talent Managements gab es ebenso wenig wie eine gemeinsame Datenbasis. Da die HR-Kapazitäten und die Expertise für die Einführung des Prozesses zudem nicht ausreichten, zog das Unternehmen externe Berater hinzu. Ein international zusammengesetztes Beraterteam von Deloitte erarbeitete im Auftrag von Global HR und in enger Kooperation mit dem Topmanagement von Wolters Kluwer das Konzept und den Implementierungsplan.

Das Konzept

In einem ersten Schritt ermittelte das Beraterteam den Bedarf an Talenten, indem es mit dem Topmanagement entlang der Unternehmensstrategie erhob, welche Funktionen in Zukunft besonders wichtig sein werden, um die jeweilige Geschäftsstrategie umsetzen zu können. In diesem Prozess beschrieb das Team acht strategische Berufsbilder, die vorwiegend im Produktentwicklungsprozess angesiedelt sind. Diesen strategischen Berufsbildern ordnete es die bestehenden Funktionen zu. Während die strategischen Berufsbilder im gesamten Konzern gelten, können die Funktionsbezeichnungen der unterschiedlichen Organisationseinheiten voneinander abweichen. Durch die Einführung strategischer Berufsbilder sicherte das Beraterteam somit einheitliche Standards, ohne alle internen Funktionsbezeichnungen angleichen zu müssen.

In einem weiteren Schritt führte das Beraterteam interne und externe Datenanalysen für die strategischen Berufsbilder durch, um einerseits die Ist-Situation über alle Regionen zu analysieren und andererseits den zukünftigen Bedarf zu errechnen. Erhoben wurden interne Kennzahlen wie Fluktuation, Demografie und Gehälter. Hinzu kam eine Analyse der externen lokalen Arbeitsmärkte. Die Ist-Daten fungierten in der Folge als Entscheidungsgrundlage für das Management.

Der Prozess

Aufbauend auf diesen Erkenntnissen und einer internen Analyse lokal angewandter Instrumente und Methoden entwickelte das Beraterteam gemeinsam mit den Personalverantwortlichen einen globalen Talent-Review-Prozess. Dieser wurde als Managementprozess definiert, HR stellte die Quaitätsstandards über die einzelnen Schritte sicher und begleitete die Umsetzung. Kernstück ist ein Kompetenzmodell für globale Talente, das gemeinsam mit dem Management entwickelt wurde. Darin sind jene Anforderungen beschrieben, die erfüllt werden müssen, um die globalen und individuellen Geschäftsstragtegien zu erreichen. Insgesamt defnierten die Manager sechs Kernkompetenzen mit jeweils drei bis vier Indikatoren. So ordneten sie der Kernkompetenz „Managing the Business“ die vier Indikatoren „Creates Value“, „Seeks Business Opportunities“, „Customer Focused“ und „Action Oriented“ zu. Jeden Indikator präzisierten sie zusätzlich mit Verhaltensbeschreibungen.

Weiters legte das Management fest, dass alle globalen Einheiten sowie die ersten beiden Berichtslinien in jeder Landeseinheit beziehungsweise Business Unit Talente nominieren sollten. Damit waren auch die Schnittstellen zum lokalen Talent Management beschrieben. Zielgruppe des Talent Managements sollten Experten und Führungskräfte sein, die den Talentkriterien entsprechen.

Wie sehen nun die einzelnen Schritte des Talent-Review-Prozesses aus? Ausgangspunkt ist die Talent-Management-Strategie, die CEO Nancy McKinstry und Senior Vice President Human Resources Kathy Baker jährlich festlegen. Anschließend identifizieren die Führungskräfte die Talente nach vorgegebenen Kriterien – insbesondere nach dem Bedarf im Bereich der strategischen Berufsbilder, den Kompetenzen und Mobilitätserfordernissen. Sie geben eine Potenzialeinschätzung ab und holen das Commitment der Talente ein. Auf jeder Managementebene findet dann ein sogenanntes Talent-Review-Meeting statt, in dem die Führungskräfte einer Ebene über alle zuvor nominierten Talente sprechen und weitere Aktivitäten festlegen. HR dokumentiert die Ergebnisse und legt dem Vorstand die bottom-up-akkordierte Talent-Liste vor. Mit der formalen Abstimmung wird der Feedbackprozess in Gang gesetzt, in dem jeder Vorgesetzte mit seinen Talenten das Potenzial und weitere Schritte bespricht.

Einführung des Talent-Prozesses

Alle Instrumente des Talent-Review-Prozesses sind online verfügbar. Dazu gehören Input-Sheets für Führungskräfte und Mitarbeiter. Die erhobenen Daten werden in einer Datenbank gesammelt und sind dort auch abrufbar.

Um Personalisten, Führungskräfte und Management über das neue System und den Nominierungsprozess zu informieren, entwickelte Global HR einen Trainings- und Kommunikationsplan. Es entstanden Handbücher für HR und Management, außerdem erarbeitete das Team Trainings für HR, Senior Management, mittleres Management und schließlich für die Zielgruppe der Talente selbst. Die Trainings informierten die Teilnehmer über den Talent-Review-Prozess, Kernstück war die Handhabung der (Potenzial-)Einschätzungen durch die Führungskräfte und der Dialogführung beim Entwicklungsfeedback.

Nach Abschluss der Trainings startete Wolters Kluwer ein Pilotprojekt in den USA, da dort die notwendigen HR-Ressourcen verfügbar waren. Anfang 2006 rollte das Unternehmen den Talent-Review-Prozess auf Europa aus. Nach einer Evaluierung der ersten Talent-Review-Runde erweiterte das Unternehmen das System um eine organisatorische Ebene (2. Führungskräfteebene unter der Unitleitung) und integrierte sie in den jährlichen Planungsprozess. Im Rückblick zeigt sich, dass der Prozess den Talente-Pool für Schlüsselpositionen bereichert hat. Die Führungskräfte zeigen ihre Talente in der Datenbank und diskutieren in Meetings über die Potenziale der Mitarbeiter. Der gesamte Prozess hat interne Netzwerke mobilisiert und die Mobilität zwischen den Business Units gesteigert.

Erfolgskriterien

  • Unterstützung durch das Topmanagement
  • Integration in den regulären Planungs- und Strategieprozess
  • Expertise, insbesondere Erfahrung und Methoden-Know-how Bedarfsorientierung (Grundlage des Talent Managements sind Einschätzungen und Formulierungen der Führungskräfte)
  • regelmäßige Erfolgsmessung auf Basis von Talent-Management-Kennzahlen und qualitativ hochwertigen Ist-Daten
  • Anpassung des Prozesses an die Veränderungsgeschwindigkeit des Geschäfts und der Talente

Quelle: personal manager 2/2007