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Prof. Dr. Scholz, Kompetenz4HR soll dazu beitragen, die Personalarbeit zu professionalisieren. Warum ist das aus Ihrer Sicht nötig?

Derzeit herrscht die Meinung vor: Personalmanagement kann jeder. Und das glauben nicht nur andere von den Personalern, sondern auch die Personaler von sich selbst. Erst vor Kurzem sagte der Personalleiter eines großen Mobilfunkanbieters auf einer Podiumsdiskussion der Messe Zukunft Personal: Ich bin ja ursprünglich kein Personaler, gerade deswegen kann ich das. Weit verbreitet ist auch die Forderung, dass Personalarbeit alles möglichst billig machen soll. Benchmarking, Shared Service Center oder Outsourcing – das zielt alles darauf ab, Personalarbeit zu routinieren und zu standardisieren. Dieser Haltung haben wir es auch zu verdanken, dass viele Unternehmen nicht Weiterbildung, sondern Kosteneinsparung als Plus betrachten. Aus meiner Sicht müssen wir wegkommen aus der Ecke, in der wir uns nur noch selbst wegrationalisieren wollen.

Was sollten HR-Fachleute dafür mitbringen?

Personalarbeit sollte wertschöpfend für das Unternehmen sein und einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Um das zu erreichen, ist es wichtig, sich vor allem an vier Zielgruppen von HR zu orientieren: dem Management, den Mitarbeitern, der Linie und den externen Geschäftspartnern. Die Personalabteilung muss bezogen auf diese vier Gruppen ganz bestimmte Kompetenzen vorweisen können – das ist die Idee hinter Kompetenz4HR.

Welche Kompetenzen sind das konkret?

Vor zwei Jahren haben wir für das Projekt Kompetenz4HR eine Befragung in Österreich durchgeführt, bei der wir diese Zielgruppen danach gefragt haben, was sie sich von HR wünschen. Dabei kam heraus: Die Unternehmensleitung möchte eine Personalabteilung, die wirklich strategisch denkt und handelt. Die Mitarbeiter hätten gern eine Personalabteilung, die sich ganz klar mit der Arbeitswelt beschäftigt und hilft, die veränderten sozialen Kontrakte im Unternehmen zu verstehen. Betriebsklima, Mitarbeitermotivation oder technische Veränderungsprozesse sind hier einige Stichworte. Die Linie wollte HR als Servicefunktion, was teilweise schon der Fall ist. Externe Institutionen würden Personaler gern stärker in der Position des Geschäftspartners für externe Projekte sehen. Häufig ist beispielsweise beim Outsourcing, einem klassischen HR-Thema, die Personalabteilung gar nicht zuständig.

Personaler sollten also auch mehr Entscheidungsbefugnis haben?

Das Wort Kompetenz – und das gefällt uns gerade so gut daran – hat eine Doppelbedeutung: Es bedeutet Befugnis und Befähigung. Genau um diese beiden Wortinhalte geht es für die Personalabteilung. Sie sollte nicht nur mitreden, sondern auch entscheiden dürfen oder sogar müssen – wie andere Abteilungen auch. Eine IT-Abteilung kann doch vorgeben, welche Rechner die Mitarbeiter benutzen und mit welchem Betriebssystem sie arbeiten. Egal ob es um Personalstrategie, Vorgaben an die Linie, die Arbeitsweltdimension oder um Projekte mit externen Dienstleistern geht – die Personalabteilung muss tatsächliche Entscheidungsbefugnis haben. Mit dieser Forderung gehen wir weiter als es das Business-Partner-Modell von Dave Ulrich vorsieht.

Wer hat hier den Schwarzen Peter: Das Management, weil es den Personalern zu wenig Befugnisse gibt oder die Personaler selbst, weil sie keine Verantwortung einfordern?

Wir richten uns an beide Gruppen, aber vor allem an die Personaler, die sich intensiver einbringen sollten. Es gibt viele Unternehmen, in denen das Management den Personalern Verantwortung zumuten möchte, Personaler es aber vorziehen, Prozesse nur zu begleiten. Da zeigt sich oft die softe Idee: „Wir wollen doch nur ein bisschen Personalentwicklung machen.“ Nötig sind deshalb vor allem mehr Personaler im Sinne von Geschäftspartnern und nicht im Sinne von Dienstleistern.

Sie sagten, der zweite Aspekt von Kompetenz ist die Befähigung. Welche Defizite gibt es diesbezüglich?

Wie viel Beachtung der Befähigung von Personalern geschenkt wird, kann man im Regelfall daran festmachen, wie hoch und wie nichtexistent die Qualifizierungsbudgets für Personaler sind. Wenn Sie mal Veranstaltungen von Bildungsanbietern anschauen: Wie viele Kurse gibt es da eigentlich für Personal im Vergleich zu Seminaren für den Vertrieb oder das Controlling? Meines Erachtens sind darunter zu wenig HR-Kurse. Doch meistens hakt es schon bei der Ausbildung.

Welchen Karriereweg machen derzeit die meisten Personaler?

Sie kommen vielfach aus der Linie. Viele Personaler haben eine Lehrlingsausbildung abgeschlossen. Zumindest haben die wenigsten HR wirklich gelernt – egal ob an der Berufsakademie, der Fachhochschule oder der Universität. So viele Universitäten, die dezidierte Personalausbildungen anbieten, existieren auch gar nicht mehr. Früher gab es die Personalmanagementlehrstühle von Karl-Friedrich Ackermann, Rainer Marr, Dudo von Eckardstein, Rolf Wunderer und einigen anderen, aber heute sind sie nicht mehr als solche ausgeflaggt.

Das widerspricht aber doch dem Trend, dass Personalarbeit insgesamt für Unternehmen an Bedeutung gewinnt, oder?

Ja, genau das ist ja das Paradoxe zurzeit. Deshalb versuchen wir dem Ganzen einen neuen Touch zu geben. Für uns steht beispielsweise nicht die Personalarbeit, sondern die Organisationseinheit Personalabteilung im Mittelpunkt. Ein berühmter Kollege hat seine Vorlesungen immer mit den Worten eröffnet: „Ich richte mich an HR-Manager und nicht an die komischen Typen, die in der Personalabteilung arbeiten.“ Wir glauben, wir brauchen gerade die Professionalisierung in der Personalabteilung.

Was machen Sie an der Hochschule in Saarbrücken noch anders, um Personaler besser zu befähigen?

Das Projekt Kompetenz4HR zielt darauf ab, ganz klare Fähigkeitsprofile zu entwickeln. Was genau müssen Personaler eigentlich können? Wir sind zwar noch ganz am Anfang, aber wir versuchen schon viel offensiver mit HR-Strategiekonzepten zu arbeiten – also messen und in Euro rechnen. Mit der Humankapitalrechnung haben wir das ja schon getan. Im Umgang mit externen Dienstleistern setzten wir darauf, dass Personaler viel mehr von IT und neuen Medien verstehen. Wir haben beispielweise einen eigenen Kurs, in dem wir uns mit Medienwirtschaft beschäftigen. Das Ziel ist es, im Bezug auf die Arbeitswelt viel näher an solider Wissenschaft dran zu sein. Wir versuchen zunehmend, diese Kompetenzen abrufbar zu produzieren, beispielsweise mit neuen Kursen wie HR-Strategy.

Um die Kompetenzen abrufbar zu machen, müssen sie auch in der Praxis einsetzbar sein. Wie stellen Sie das sicher?

Viele Unternehmen helfen uns dabei unsere Ideen umzusetzen. Mit Henkel und Praktiker arbeiten wir beispielweise eng zusammen und Thomas Sattelberger von der Deutschen Telekom kommt nun als Referent zu einem unserer Kurse. Wir sind aber gleichzeitig der Meinung, dass wir nicht beliebig Praxisvertreter an die Hochschule holen können, damit sie berichten, was sie gerade so machen. Wir entwickeln ganz gezielt einzelne Themen mit bestimmten Firmen zusammen. Diversity ist beispielsweise so ein Thema, das sich in vielen Feldern niederschlägt. Hier müssen Personalabteilungen die vier erwähnten Zielgruppen von HR ins Boot holen und das machen wir beispielsweise mit Henkel zusammen. Gemeinsam mit der Asko Europa-Stiftung kümmern wir uns um das Thema Nachhaltigkeit im HR-Bereich.

Inwiefern grenzen Sie sich von der HR Alliance ab?

Sie ist sehr stark an unseren Vorstellungen dran. Dass wir auch einmal inhaltlich eine andere Meinung haben, das passiert. Beispielsweise reibe ich mich mit Herrn Sattelberger, wenn es um die Humankapitaldiskussion geht. Ich halte das für einen zentralen Indikator. Es kann nicht angehen, dass Vorstände – wie etwa Günther Fleig von Daimler – fünf Milliarden Humankapital vernichten und dann noch eine Gehaltssteigerung bekommen. Thomas Sattelberger lehnt hingegen unsere Humankapitalrechnung kategorisch ab. Diese Meinungsverschiedenheiten machen das Zusammenspiel aus meiner Sicht interessanter, denn die Grundeinstellung teilen wir mit der HR Alliance: die Überzeugung, dass wir die HR-Profession ganz stark nach vorne pushen müssen. Personalfragen werden wichtiger, darin sind sich eigentlich alle einig, aber wir versuchen, das auch in die Ausbildung und die Praxis zu tragen. Wir wollen die Idee verbreiten, dass Personalmanagement die Welt wirklich bewegt und dass es deshalb das tollste Fach ist.

Interview: Stefanie Hornung


Wer sich der Diskussion um die Professionalisierung anschließen möchten, hat dazu in der neu gegründeten Gruppe „Kompetenz4HR“ auf HRM.de die Gelegenheit. Werden Sie hier Gruppenmitglied:
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