Frau Hirl-Höfer, Microsoft hat kürzlich kommuniziert, dass Kosteneinsparungen auf breiter Front anstehen. Insgesamt sollen rund 1,5 Milliarden Dollar pro Jahr gespart werden. Welche Möglichkeiten hat da die Personalabteilung?
Wir haben uns eher von der gesamten Organisation her überlegt, wie wir Kosten sparen können. Ein großes Thema sind dabei Geschäftsreisen. Bereits vor einem halben Jahr haben wir uns darüber Gedanken gemacht, wie wir diesen großen Block optimieren können. Wir wollten viel stärker unsere eigene Technologie einsetzen und damit Meetings virtuell gestalten. Unser Ziel war es, die Reisekosten um mindestens 20 Prozent zu senken und das ist auch gelungen. Alles, was wir auf unternehmensweiter Ebene entschieden haben, gilt natürlich genauso für mein Team. Das heißt, in der Personalabteilung überlegen wir uns ganz genau, wohin die Mitarbeiter reisen sollen. Wir haben sechs regionale Büros in Deutschland – und da gab es viele Meetings vor Ort mit Mitarbeitern aus verschiedenen Niederlassungen. Dass wir das nun eher virtuell tun, spart nicht nur Kosten, sondern auch Reisezeit.
Betrifft das auch das Thema Weiterbildung – also in dem Sinne, dass mehr E-Learning und weniger Präsenzveranstaltungen stattfinden?
Unser Weiterbildungsangebot ist ohnehin stark auf Online-Trainings ausgerichtet. Das machen wir genauso weiter wie auch die so genannten Klassenzimmertrainings. Das Thema Weiterbildung ist unser wichtigstes Steckenpferd und ein wesentlicher Grund, warum Mitarbeiter zu Microsoft kommen und bleiben. Es würde nicht zu unserer Unternehmenskultur passen, dass wir in dieser Richtung Einbußen hinnehmen. Wir möchten unsere High Potenzials fördern, weil wir es für entscheidend halten, sie gerade jetzt an das Unternehmen zu binden. Demnächst findet hier zum Beispiel eine High-Potentials-Konferenz in München statt.
Talentmanagement ist also für Sie weiterhin ein elementares Thema. Fördern Sie im Zuge der Krise noch stärker gerade die High Performer?
Nein, überhaupt nicht. Wir führen derzeit gerade unsere Karrieregespräche mit allen Mitarbeitern in der Organisation. Die Führungskräfte sprechen mit jedem Mitarbeiter, führen Karrieregespräche. Wir versuchen, 100 Prozent der Mitarbeiter zu erreichen – letztes Jahr waren es schon 99. Für jeden Mitarbeiter wird ein Entwicklungsplan generiert. Außerdem haben wir kürzlich eine ganze Reihe neuer Mitarbeitertrainings kommuniziert, für die sich jeder im Unternehmen anmelden kann.
Trotz Rezession bleiben die Weiterbildungsbudgets also unangetastet?
Wir versuchen alle möglichen Dinge cleverer zu machen, aber ohne Kompromisse einzugehen, was das Ergebnis des Talentmanagements anbelangt. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Die High-Potentials-Konferenz, die ich bereits erwähnt habe, hätte letztes Jahr wahrscheinlich in London stattgefunden. Nun haben wir versucht, sie nach München zu holen. Außerdem überlegen wir uns, welche Aufgaben wir aktuell vernachlässigen können, damit die Mitarbeiter noch mehr beim Kunden sind.
Inwiefern ist die Außenwirkung und insgesamt das Employer Branding in dieser Situation ein Thema?
Employer Branding hat jetzt einen genauso großen Stellenwert wie vorher, vielleicht hat das Thema sogar an Bedeutung gewonnen. Gerade im Moment kommt es darauf an, dass die Menschen im Unternehmen und auch außerhalb merken, dass Microsoft nach wie vor einer der attraktivsten Arbeitgeber Deutschlands ist. Ich bin mir sicher, dass der Markt irgendwann wieder anziehen wird und Fachkräfte gesucht werden. Deshalb gilt es, präsent zu sein, um die Talente der Zukunft gewinnen zu können.
In den kommenden Jahren wird die so genannte Generation Y in den Arbeitsmarkt eintreten, die erste Generation, die mit dem Internet aufgewachsen ist. Haben Sie darauf einen speziellen Fokus oder hat das ein Softwareunternehmen nicht nötig?
Wir haben diese Zielgruppe ganz klar im Fokus, etwa mit unserem Hochschultraineeprogramm, das wir seit mehreren Jahren hier in Deutschland sehr erfolgreich durchführen. Gerade erst, zum 1. Januar 2009, haben wir 20 Trainees eingestellt – doppelt so viele als im letzten Jahr. Trotz Krise halten wir hier an unseren Plänen fest. Zu dem Programm gehört, dass diese jungen Leute im März nach Istanbul fahren und dort ein mehrtägiges Training absolvieren. Es ist uns wichtig, dass der Nachwuchs dabei positive Erfahrungen macht und deshalb werden wir da auch nichts stornieren.
Ändert sich durch die Krise etwas an der Auswahl zukünftiger Führungskräfte?
Microsoft nutzt ein sehr ausgefeiltes Verfahren, das festlegt, wer sich überhaupt zur Führungskraft entwickeln kann. Das war schon vor der Krise so. Jede Nachwuchsführungskraft muss sich verschiedenen Interviews unterziehen, auch mit einem Mitglied der Geschäftsführung. In einem Assessmentcenter überprüfen wir die Managementkompetenzen. Wir haben eine sehr hochwertige Führungskultur und diese bewährt sich nun. In diesen schwierigen Zeiten zeigt sich, welche Unternehmen gute Führungsarbeit leisten. Wenn die Geschäfte gut laufen, sieht man das weniger. Und was hat eigentlich überhaupt die Krise ausgelöst? Womöglich lag das teilweise auch an der Führungskultur. Meinen Beitrag sehe ich jetzt darin, unsere Manager und Leader zu coachen und sie dafür zu sensibilisieren, auf was sie momentan besonders achten müssen, um die Mitarbeiter abzuholen.
Erstmals in der Geschichte von Microsoft sind Stellenstreichungen geplant – darunter auch 15 Arbeitplätze in Deutschland. Im Vergleich zu einigen anderen Unternehmen ist das eine sehr geringe Zahl, doch die Mitarbeiter machen sich sicherlich trotzdem Sorgen um den Arbeitsplatz. Wie gehen Sie damit als Personalleiterin beziehungsweise als Mitglied der Geschäftsführung um?
Als diese Kommunikation zum Stellenabbau kam, da entstand schon eine gewisse Unruhe in der Belegschaft, denn Stellenstreichungen gab es noch nie bei Microsoft. Wir hatten dann am nächsten Tag ein großes Meeting, zu dem wir alle Mitarbeiter eingeladen haben. Die, die extern zu tun hatten, haben sich elektronisch dazugeschaltet. Wichtig ist es in solchen Situationen, so offen wie möglich zu berichten und zu erklären, warum es welche Stellenstreichungen in Deutschland gibt. Wir konnten klar machen, dass es nur eine relativ geringe Anzahl der Stellen betrifft und Kurzarbeit oder Überstundenabbau bisher gar kein Thema für uns sind. Mit dem Stellenabbau sind wir außerdem sehr sozial verträglich und behutsam umgegangen.
Sind Sie flexibel genug in der Personalarbeit, um auf die Krise zu reagieren – gerade wenn es vielleicht doch noch nötig wäre, Mitarbeiter in den Urlaub zu schicken oder andere Instrumente gegen die Krise einzusetzen?
Flexibilität ist im Moment absolut wichtig. Wir schauen deshalb gemeinsam mit der Geschäftsleitung ständig darauf, inwiefern wir uns besser aufstellen müssen. Seit Jahren vergleichen wir uns mit anderen Ländern, in denen Microsoft tätig ist und haben bestimmte Benchmarkwerte entwickelt. Im Moment kommt das Personalmanagement dabei stärker ins Spiel und wir müssen relativ kurzfristig unseren Beitrag leisten. Mit dem Betriebsrat arbeiten wir historisch bedingt relativ eng zusammen und überlegen gemeinsam, wie wir bestimmte Dinge optimieren können. Das ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, angemessen und schnell auf wirtschaftliche Entwicklungen reagieren zu können. Im Prinzip ist das ein ständiger Prozess, der nun besonders an Bedeutung gewinnt und uns schnellere Reaktionen als bisher abverlangt.
Wie entwickelt sich die Rolle der Personaler in der Krise?
Die Rolle von mir und meinem Team hat sich im Vergleich zu vor der Krise kaum verändert, weil wir uns hier schon immer als einen ganz engen Business-Partner verstanden haben, auch zur Geschäftsleitung. Der Beitrag, den wir leisten, ändert sich generell nicht – bis auf eine größere Sensibilität gegenüber der Belegschaft und eine Verlagerung unserer Aufgaben. Wir haben vor einem halben Jahr alle Hebel auf aggressives Recruiting fokussiert. Im letzten Quartal haben wir noch über 150 Leute eingestellt und momentan stellen wir eben mal nur ganz wenige ein. Die Prioritäten verschieben sich also.
Wie sieht das in anderen Unternehmen aus?
Da kann der „Switch“ natürlich noch viel stärker sein, wenn das Personalmanagement von viel Recruiting zu vermehrtem Stellenabbau übergeht und vorher vielleicht noch keine so wichtige Position hatte. Personal spielt nun plötzlich eine extrem zentrale Rolle. Glücklicherweise betrifft uns das bei Microsoft nicht, aber gerade bei massivem Stellenabbau, kommt es sehr darauf an, wie die Personalabteilung das angeht. Die Belegschaft wird sehr schnell reagieren, je nachdem wie der Arbeitgeber sich entscheidet so ein Thema zu lösen.
Ist die Krise so gesehen eine Chance auf mehr Einfluss für Personaler?
Das kann schon eine große Chance sein, wenn man die derzeit zentralen Themen geschickt steuert. Wer sich jetzt gut positioniert, wird auch zukünftig eher mit am Steuer sitzen.
Interview: Stefanie Hornung