In der Konstruktionsabteilung eines Maschinenbauunternehmens fallen aufgrund von Umsatzwachstum und Extrawünschen der Kunden zunehmend Überstunden an. Dadurch steigen die Krankheitstage und die Qualität leidet. Der Gruppenleiter Konstruktion fordert: „Wir brauchen zwei Leute mehr.“ Nun ist es an der Geschäftsführung, die richtige Entscheidung zu treffen. Anhand von Beispielen wie diesen erlernen die Teilnehmer von Carola Kamuffs Seminar, was es heißt, einen kompletten Entscheidungsprozess zu durchlaufen – angefangen beim Entscheidungsauslöser über die eigentliche Entscheidung bis hin zur Kommunikation gegenüber Mitarbeitern oder Kunden.

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Foto von William Iven

„Dabei habe ich Entscheidungen nach Häufigkeit und nach Wichtigkeit klassifiziert“, erzählte Carola Kamuff auf der Zukunft Personal 2010 in Köln, auf der sie als Gewinnerin des Coach & Trainer Award 2010 drei Tage lang am dvct-Stand ihr Konzept vorstellen konnte. Kamuff stuft Entscheidungen mithilfe einer Matrix ein, die vier Felder hat: häufig und wichtig, häufig und nicht wichtig, nicht häufig aber wichtig, nicht häufig und nicht wichtig.

Carola Kamuff

Zertifizierte Trainerin (dvct)

Es ist wichtig, Intuition und Bauchgefühl zu verbinden.“

Verstand versus Gefühl?

„Bei der Entscheidung stehen uns zwei Systeme zur Verfügung, die uns mit Informationen versorgen: Verstand und Gefühl“, erklärt Kamuff. „Bei komplexen, seltenen Entscheidungen sollte man auf jeden Fall einen detaillierten Entscheidungsprozess einleiten.“ Unwichtigere Entscheidungen könnten auch einmal rein intuitiv fallen. Je häufiger wichtige Entscheidungen wiederkehrten, desto eher empfehle sich ein Standardprozesse dafür. Aber auch dann sei es wichtig, diese mit Intuition und Bauchgefühl zu verbinden. Viele Menschen schalteten jedoch meistens ein System, Verstand oder Gefühl, freiwillig ab.

Thomas Müller, der bei Union Investment in Frankfurt für das Thema Immobilien in Eigennutzung verantwortlich ist, geht eher mit dem Verstand an Entscheidungen heran. Als er im Jahr 2009 an dem Seminar von Frau Kamuff teilnahm, musste er sich gerade in einem längeren Prozess mit der Frage beschäftigen, ob das Unternehmen die bisherigen fünf Standorte in Frankfurt an einen Ort zusammenlegen sollte. Die Tragweite dieser Entscheidung war enorm. „Da reden wir über 40.000 bis 50.000 Quadratmeter Mietfläche und mehr als 2.000 Mitarbeiter“, erläutert Müller. Es gelte bei einer solchen Entscheidung die Belange der Mitarbeiter zu berücksichtigen, den Betriebsrat einzubeziehen und mögliche Folgen einzukalkulieren. Deshalb müsse die Entscheidung hieb- und stichfest sein und könne nicht durch Intuition begründet werden.

„Neben der Methodik, Technik und Systematik im Entscheidungsmanagement habe ich in dem Seminar dennoch auch gelernt, mein Bauchgefühl nicht ganz zu vergessen“, so Müller. Früher habe er manche Entscheidung aus Verstandesgründen gefällt, obwohl er sich nicht immer damit wohlgefühlt habe. Nun berücksichtige er seine Intuition eher. „Oft macht es Sinn, dann noch einmal eine Runde zu drehen, sich die Sachargumente anzuschauen und zu prüfen, ob man auch nichts vergessen hat.“

Alternativen prüfen

„In dem Seminar war beides drin – auf die innere Stimme hören in Kombination mit verschiedenen Methoden. Beides hatte seinen Platz und seine Berechtigung“, berichtet auch eine weitere Seminarteilnehmerin, die Hörfunkjournalistin Petra Stalbus. „Für mich war es eine wichtige Erkenntnis, dass sich Entweder-Oder-Situationen auflösen lassen.“ Oft gehe es bei Entscheidungen nicht um ja oder nein, sondern um eine Alternative dazwischen.

„Ein ganz wichtiges Thema in meinem Seminar besteht darin, Handlungsspielräume zu erweitern“, erläutert die Trainerin Kamuff. Wer sich nicht entscheiden könne, habe oft nicht die passende Auswahl an Lösungen. Wenn es darum gehe, Alternativen zu finden sei einerseits die Konzentration auf die eigenen Ziele gefragt. Andererseits gehöre auch eine Portion Kreativitätstraining dazu. „Vielleicht ergibt sich dabei eine bessere Entscheidung – und wenn nicht, dann bin ich mir umso sicherer mit der Entscheidung, die ich getroffen habe.“

Wie sie neue Entscheidungswege finden können, erfahren die Teilnehmer des Seminars nicht nur in der Theorie, sondern auch ganz praktisch: So steht etwa bei einer Übung ein Teilnehmer im Weg und symbolisiert damit das Hindernis. Dahinter platziert sich ein weiterer Teilnehmer, der das Ziel verkörpert, das es zu erreichen gilt. „Wer gegen das Hindernis ankämpft, hat es viel schwerer zum Ziel zu gelangen als jemand, der sich direkt auf das Ziel konzentriert“, hat Petra Stalbus erfahren.

Entscheidungen wollen

Bei der Entscheidung selbst geht es laut Kamuff nicht darum, irgendwelche mathematischen Modelle und Entscheidungsbäume zu vermitteln, sondern eine neue Haltung dazu einzunehmen. Das habe auch damit zu tun, Entscheidungen wirklich zu fällen und nicht auf die lange Bank zu schieben. „Früher habe ich doch recht lange über der Speisekarte gebrütet, bis ich mich für ein Essen entschieden habe“, sagt Petra Stalbus. „Dieses Seminar hat dazu beigetragen, dass ich mich nun schneller entscheide.“ Das habe auch das Entscheidungskompetenzrad gezeigt, das Carola Kamuff einsetzt.

Die Teilnehmer zeichnen dabei in einer Art Spinnennetzdiagramm die verschiedenen Einflussfaktoren auf ihre Entscheidungsfindung auf und verorten sich selbst in verschiedenen Kompetenzen, die für Entscheidungen erforderlich sind. Das Instrument zeigt auf diese Weise auf, wo die Einzelnen stehen und wo sie hinwollen. Zum Abschluss des Seminars stellen die Teilnehmer anhand dieses Systems ihr Ergebnis vor.

„Ich habe mich nach dem Seminar viel sicherer in meinen Entscheidungen gefühlt“, resümiert Thomas Müller. Häufig habe er nach Weiterbildungen erlebt, dass er nur einen Bruchteil in der Praxis anwenden konnte. In diesem Fall sei es deutlich mehr gewesen. „Ich hatte schon einen erheblichen Mehrwert.“

Gianni Liscia

 Vorstandsmitglied dvct

Wir möchten ganzheitliche und innovative Konzepte prämieren.“

Neuer Trainingspreis: Coach & Trainer Award

Auch Gianni Liscia, den stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden des dvct, hat das Konzept überzeugt. Zum ersten Mal vergab der Verband in diesem Jahr den Coach & Trainer Award. Unter mehr als zwanzig Einreichungen wählte Liscia gemeinsam mit einer Zertifizierungskommission drei Konzepte für die engere Wahl aus. Die Konzeptentwickler konnten im Trainings-Camp 2010, das die Firma documenteam veranstaltet hat, ihr Seminar vorstellen. Gemeinsam mit zwei Vertretern aus der Wirtschaft entschied sich die Jury am 24. September für einen Gewinner: das Seminar „Der Weg zur guten Entscheidung“.

„Für uns war wichtig, dass es ein Konzept ist, das auch von anderen Coachs und Trainern übernommen werden kann“, so Liscia. Damit die Mitglieder des dvct von der Preisverleihung profitieren könnten, sei gerade dieser Aspekt wichtig. Außerdem komme es dem dvct darauf an, ganzheitliche und innovative Konzepte zu prämieren. „Es gibt auf dem Markt viele Seminare zum Thema Entscheidungsmanagement, aber die meisten bieten eher eine Rückbetrachtung an und beschäftigen sich mit der Frage, wie es wirklich zu einer Entscheidung gekommen ist“, sagt Liscia. Das Neue an Kamuffs Seminar sei vor allem, dass die Trainerin sich zutraute, die Teilnehmer zu einer Entscheidung zu führen.

Auch im nächsten Jahr haben Trainer und Coachs aus ganz Deutschland wieder die Möglichkeit, ihre Ideen und Konzepte unter Beweis zu stellen. Es könne allerdings sein, dass der dvct die Kriterien anpasst oder ein bestimmtes Thema als Schwerpunkt wählt, so Liscia. „Wir schauen uns an, was gerade die Wirtschaft bewegt und schreiben den Preis entsprechend aus.“

Weitere Informationen zum Coach & Trainer Award: www.dvct.de

Veranstaltungstipp:

Seminar „Der Weg zur guten Entscheidung“,

27. und 28. Januar im Hotel Zeller in Kahl am Mai,

www.kamuff.net/entscheidung.html