Da es bei Kooperationen aber nicht nur darum geht, die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, sondern die aller Beteiligten, genügt es nicht, den eigenen Zweck im Blick zu haben, sondern es muss der gemeinsame Zweck sein. Und wenn wir erst einmal jemanden für eine Zusammenarbeit gewinnen möchten? Auch dann ist die Frage nach dem „Wofür“ genau der richtige Ausgangspunkt. What’s in it for me? – Was habe ich davon? Diese Frage beschäftigt jeden von uns und lenkt unser Verhalten – wenn auch meist auf unbewusste Weise.
Der Lean Project Management-Spezialist Gary Lloyd schlägt eine kreative Methode vor, um eine solche Vision gemeinsam zu entwickeln – das Filmplakat. Die Kooperationspartner stellen sich folgende Frage: Angenommen, das Kooperationsprojekt wäre ein Film. Wie würde das Kinoplakat dazu aussehen? Filmplakate sind die ideale Kombination aus einem Bild, einer Kernaussage – meist der Filmtitel – und weiteren wichtigen Informationen, wie zum Beispiel den beteiligten Akteuren und deren Rollen.
Der Nutzen einer solchen kreativen Arbeit liegt darin, dass alle Beteiligten ihre persönliche Sicht auf die gemeinsame Arbeit zeigen und formulieren. So werden die Werte sichtbar, die jeder in der Zusammenarbeit sieht – und eben nicht nur der materielle Wert. Zu einem gemeinsamen Plakat wird man nur kommen, wenn diese Perspektiven geäußert und verstanden werden. Die Diskussion fördert das tiefere Verständnis und bringt Informationen ans Licht, die bei einer einfachen Zielformulierung nicht zur Sprache kommen würden. Natürlich wird man sich auch gegenseitig besser kennen und einschätzen lernen. Eine gemeinsame Vision zu erstellen, ist ein fundamentaler Beitrag zu einer soliden Kooperationsbasis und der zugleich der klare Kurs für eine langfristig erfolgreiche Zusammenarbeit.
Eine Zusammenarbeit wird oft gestartet mit dem Wunsch, schnell vorwärts zu kommen und Ergebnisse zu erzielen. Kurz gesagt: Man beginnt mit der Frage „Was ist zu tun?“ Vielleicht spricht man noch darüber, „wie“ man bestimmte Dinge angehen wird. Als nächstes werden die Aufgaben verteilt, das heißt, man klärt also auch die Frage „Wer macht was?“ Das sollte auf keinen Fall vergessen werden, denn nur dann entsteht Verbindlichkeit. Wenn aber derjenige, der die Aufgaben ausführen soll, das „Wofür“ nicht versteht, wird es für ihn schwer, sinnvolle Entscheidungen zu treffen.
In jeder Zusammenarbeit fragen wir uns von Zeit zu Zeit, ob wir es alleine nicht vielleicht doch besser oder schneller schaffen könnten. Ob wir vielleicht die falschen Kooperationspartner haben. Deshalb brauchen wir etwas, das leichter zu erinnern und tiefer verankert ist als Vereinbarungen und Worte. Wir brauchen etwas, das die Motivation liefert, dranzubleiben, die Herausforderungen gemeinsam zu meistern und den Weg trotz aller Widrigkeiten miteinander bis ans Ziel zu gehen. All das muss zu einer Vision werden, die gemeinsam entwickelt und visualisiert wird. Die gemeinsame Vision ist der Leuchtturm, der jedem Einzelnen hilft, sich in Richtung des gemeinsamen Erfolgs zu orientieren und die Entscheidungen zu treffen, die zum Gelingen der Kooperation beitragen – unabhängig davon, wo der Einzelne gerade steht.
Wichtig ist, dass wirklich auch diejenigen an der Visionsfindung beteiligt werden, die tatsächlich den Hauptteil der Arbeit leisten. Besonders nachhaltig wirkt die Vision, wenn wir sie auf eine bildhafte Ebene bringen, denn so wird ein ganzes Denkkonzept mit einem Bild, mit einer symbolhaften Idee verbunden. Bilder werden 60.000 Mal schneller wahrgenommen als Text und sie sind direkt mit unseren Emotionen verknüpft. Umso mehr, wenn wir sie selbst entwickelt und ausgewählt haben. Bilder erinnern wir weit besser als Worte und können sie schnell aufrufen. Unser Gehirn funktioniert assoziativ. Das heißt, dass mit einem Bild ganze Erinnerungsketten ausgelöst werden. Sobald wir an die Vision denken, die wir gemeinsam erarbeitet haben, sind auch sofort der emotionale Prozess der Erarbeitung, das verbindende Ziel und die größeren Zusammenhänge wieder präsent.
Viele der Dinge, die unsere Zeit absorbieren, haben wenig damit zu tun, was wir eigentlich erreichen wollen. Gerade Kooperationen oder die Zusammenarbeit in Projekten sind oft eine Zusatz- oder Nebenaufgabe. So vielversprechend der Grund sein mag, warum wir eine Zusammenarbeit eingehen, der Rest der Welt hält nicht an, nur weil wir uns entscheiden, zu kooperieren. Und nicht immer läuft es so, wie man sich das zu Beginn ausgemalt hat. Aber keine Sorge: Das geht allen Beteiligten so.
Wir alle kennen die Situation, mitten in einer Arbeit zu stecken, das Gefühl, nicht vorwärts zu kommen, ständig unterbrochen zu werden, was es unmöglich macht, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Man ist genervt und genau da taucht dann plötzlich die Frage auf „Warum mache ich das eigentlich?“
Die Antwort auf diese Frage beginnt häufig mit dem Wort „weil“. „Weil ich mich verpflichtet habe, diese Arbeit zu übernehmen“ oder „Weil wir zu wenig Kunden haben“. Ganz ehrlich, motivierend klingt anders. Aber es ist das Einzige, was uns einfällt, wenn wir das Ziel aus dem Blick verloren oder erst gar keines definiert haben. Wir suchen nach einer Rechtfertigung in der Vergangenheit.
Die weitaus bessere Frage wäre „Wofür?“ Die Antwort auf diese Frage beginnt mit den Worten: „Um zu …“ und führt uns zu einer vorwärts gerichteten Perspektive im Sinne von „Welchem Zweck dient unser Tun? Was wollen wir erreichen?“ To-dos, Aufgaben – also das „Was“ – können so präzise formuliert sein, wie sie wollen. Erst das „Wofür“ inspiriert uns und setzt immer wieder die Energie frei, die es uns erlaubt, weiterzumachen – gerade, wenn es schwierig wird.

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Foto von Sean Pollock