Der Ansatz der wertorientierten Vergütung basiert auf Ideen des US-Ökonomen Alfred Rappaport, der gemeinsam mit dem Unternehmensberater Joel Stern den Shareholder-Value-Ansatz entwickelt hat. Rappaport erklärte die Steigerung des Unternehmenswerts zum obersten finanzwirtschaftlichen Ziel. Die von ihm propagierte wertorientierte Führung ordnet alle unternehmerischen Entscheidungen dem Stakeholder-Value unter, der neben dem Shareholder-Value auch den Wert für Mitarbeiter und Kunden umfasst. In einem entsprechend gestalteten Vergütungssys-tem erhalten die Mitarbeiter nur dann einen Bonus, wenn sie zur Gewinnsteigerung der Organisation beigetragen haben. Ihre Leistungen bemessen sich somit an ihrem Beitrag zum Unternehmenswert.

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Foto von Ali Yahya

Die wertorientierte Unternehmensführung

Nach Rappaport lässt sich der Unternehmenswert mithilfe der Discounted-Cashflow- Methode ermitteln. Danach zinst die Organisation den gesamten Mittelzufluss oder -abfluss (Cashflow) über einen bestimmten Zeitraum – meist drei bis fünf Jahre – um die Kapitalkosten ab. Die zentrale Kennzahl der wertorientierten Unternehmensführung ist der „Return on Capital Employed“ (ROCE). Er misst, wie effektiv und profitabel ein Unternehmen mit seinem eingesetzten Kapital umgeht. Liegt der ROCE eines Finanzjahres über den Kapitalkosten, hat das Unternehmen Werte geschaffen. Liegt er unter den Kapitalkosten, hat es Werte vernichtet, weil die Kapitalgeber für ihr Eigenkapital weniger bekommen, als sie vom Kapitalmarkt erhalten könnten.

Diese Zusammenhänge sind die Basis wertorientierter Bonussysteme. Vergütungsmodelle, die den Unternehmenswert nicht berücksichtigen, laufen Gefahr, Geld aufzuwenden, das in keinem Verhältnis zum erzielten Effekt steht. Darüber hinaus zeigen viele Vergütungssysteme ohne den wertorientierten Ansatz oft die Tendenz, immer weiter ansteigende Prämien auszuschütten und damit ihre Steuerungsfunktion zu verlieren. Bevor ein Unternehmen ein wertorientiertes Vergütungssystem einführt, sollte es den Mitarbeitern diese Zusammenhänge näher bringen, zum Beispiel in Schulungen, Meetings oder über andere Informationsmedien. Es gilt, das Bewusstsein dafür zu stärken, wie ein Techniker, eine Assistentin oder ein Abteilungsleiter durch die ihm übertragene Verantwortung Einfluss auf die Wertentwicklung nehmen kann: Auf welche Umsatzgruppe wirkt sich seine Arbeit aus und auf welchen Deckungsbeitrag? Trifft er Entscheidungen über Investitionen, Einkäufe oder Produktentwicklungen? Kann er Ressourcen einsparen und neue hinzugewinnen?

Das Wissen um diese Stellschrauben der Einflussnahme macht dem Mitarbeiter seine Verantwortung bewusst und fördert unternehmerisches Handeln. Voraussetzung dafür ist jedoch eine Führungskultur, die den Mitarbeitern die Kompetenzen gibt, wertsteigernde Entscheidungen zu treffen.

Leistungen messen mit der Balanced Scorecard

Als Messsystem für das Vergütungsmodell eignet sich die Balanced-Scorecard. Mit ihrer Hilfe können Unternehmen die operative Performance der Mitarbeiter bezogen auf Finanzen, Kunden, Geschäftsprozesse sowie Weiterbildung und Entwicklung darstellen und messen. So kann die Führungskraft mit einem Mitarbeiter auf der Ebene „Weiterbildung und Entwicklung“ die Steigerung der Firmenzugehörigkeit als Ziel vereinbaren und mit einer Messgröße versehen – etwa von zehn auf zwölf Jahre. Anschließend können die Gesprächspartner Vorhaben definieren, die dazu dienen, dieses Ziel zu erreichen, beispielsweise die Teilnahme an einem Weiterbildungsprogramm.

Die Balanced Scorecard ist ein sehr gutes Instrument, um eine Vision des Managements in Ziele zu überführen und an der Unternehmensstrategie auszurichten. Sie bietet zudem Freiräume für verschiedene Perspektiven, die aus unternehmerischer Sicht besonders wichtig sind, wie zum Beispiel die Umweltperspektive.

Idealerweise lebt die Balanced Scorecard im ganzen Unternehmen. Jeder Mitarbeiter sollte seine Ziele, Verantwortungen und Rollen kennen. Der Zielfindungsprozess beginnt top-down im Management und reicht bis in die einzelnen Abteilungen hinein. Wichtig ist, dass die untergeordneten Ziele die übergeordneten wirklich fördern. Das heißt, ein übergeordnetes Ziel wie die „Steigerung der Kundenzufriedenheit“ setzt sich aus einer Vielzahl von untergeordneten Zielen zusammen, darunter beispielsweise die „Reduktion der Reaktionszeiten“ oder die „Verbesserung des internen Beratungs-Know-hows“.

Wie Abteilungen oder das gesamte Unternehmen ihre Ziele erreichen wollen, sollte ebenfalls in der Scorecard stehen. Es empfiehlt sich, Meilensteine zu definieren, um die Entwicklung auf dem Weg zum Ziel besser kontrollieren zu können. Die Ziele sollten mithilfe von Kennzahlen messbar sein, die zum Beispiel aus dem zentralen EDV-System oder aus Befragungsergebnissen stammen. Ganz wichtig: Das Ziel bestimmt die Kennzahl. Es darf nicht sein, dass ein Unternehmen seine Ziele von den verfügbaren Kennzahlen abhängig macht.

Die Einführung einer Balanced Scorecard macht das Unternehmen transparenter und leistungsfähiger. Bei der Entwicklung sollten Organisationen allerdings auch unternehmenskulturelle Aspekte berücksichtigen. Eine Balanced Scorecard darf beispielsweise nicht ein Verhalten fördern, das kulturell unerwünscht ist, wie beispielsweise eine Einzelkämpfermentalität, wenn die Firmenkultur auf Teamgeist basiert. Richtig eingesetzt, kann die Scorecard hingegen einen Kulturwandel fördern, wenn dieser erwünscht ist. So lässt sich eine stärkere Fokussierung auf den Unternehmenswert durch eine Balanced Scorecard forcieren, die entsprechende Ziele formuliert.

Bestandteile einer wertorientierten Gesamtvergütung

Welche Boni erhalten die Mitarbeiter, wenn Sie ihre Ziele erreichen? Bevor ein Unternehmen dieser Frage nachgeht und das Bonussystem detailliert ausarbeitet, sollte es die Grundvergütung in den Blick nehmen. Denn ein wertorientiertes Bonussystem kann seine Wirkung nur entfalten, wenn die Grundvergütung im Unternehmen stimmig ist. Diese bemisst sich am Wert einer Funktion, nicht an den Leistungen, die ein Mitarbeiter in dieser Position erbringt. Um den Wert der Funktion beziffern zu können, muss sich das Unternehmen auf Bewertungskriterien einigen. Beispiele dafür zeigt Abbildung 1.

Abbildung 1: Fünf Bewertungskriterien für Positionen im Unternehmen

 

Die Bewertungskriterien sollte das Unternehmen skalieren, um die unterschiedlichen Funktionen der Mitarbeiter differenzieren zu können. So lässt sich die soziale Kompetenz, die für eine bestimmte Position erforderlich ist, auf einer Skala von null bis zwölf abbilden. Die Bewertung der Funktionen nimmt üblicherweise HR gemeinsam mit den zuständigen Führungskräften und Bereichsleitern, in Abstimmung mit der Unternehmensleitung vor. Am Ende des Bewertungsprozesses steht das individuelle Bild der Organisation, ausgedrückt in Funktionswerten. Diese Funktionspyramide sollte mit der tatsächlichen Hierarchie der Organisation übereinstimmen. Ordnet das Unternehmen den einzelnen Funktionen bestimmte Grundvergütungen zu, erhält es einen Eindruck davon, ob die Gehaltsstruktur stimmig ist. Zusätzliche Hinweise bieten Benchmarks zur branchenüblichen Bezahlung (Abbildung 2).

Abbildung 2: Branchenübliche Bezahlung nach Funktionswerten.Die Marktlinie zeigt den Branchendurchschnitt.

Bestandteile eines wertorientierten Bonussystems

Die Höhe der Boni legt üblicherweise die Unternehmensleitung beziehungsweise das Top-Management im Dialog mit HR fest. Ein Gestaltungsbeispiel bietet Abbildung 3. An der Verteilung von Grundvergütung und variabler Vergütung zeigt sich, inwieweit das Unternehmen seine Ergebnisse über Entscheidungen der Mitarbeiter steuert. Dabei spielt die Funktionshierarchie eine wesentliche Rolle. Führungskräfte in hohen Funktionen können den Unternehmenswert stärker beeinflussen als Mitarbeiter der unteren Hierarchieebenen und haben damit auch einen höheren variablen Anteil an der Gesamtvergütung. Auch sollte das Unternehmen zwischen jenen Funktionen unterscheiden, die unmittelbar am Ergebnis messbar sind (Linienfunktionen), und jenen, die nur mittelbar am Erfolg begeiligt sind (Stabsfunktionen).

Abbildung 3: Gehaltsbeispiel eines Bonussystems. Die Prozentzahlen beschreiben den Anteil der Boni an der Gesamtvergütung.

Steht die Verteilung von Fixgehältern und variabler Vergütung, gilt es, die Struktur der Ziele festzulegen, an denen das Unternehmen seine Mitarbeiter messen will. Hier ist die Aufteilung zwischen den gesamtunternehmerischen Zielen und den beeinflussbaren Zielen von wesentlicher Bedeutung. Betont eine Organisation die Unternehmensziele, geht die Einzelperformance unter. Setzt sie hingegen die beeinflussbaren Ziele zu hoch an, kann es sein, dass Mitarbeiter Boni erhalten, obwohl das Unternehmen seine Ziele nicht erreicht hat. Es kommt also auf den richtigen Mix an (Abbildung 4).

Abbildung 4: Gestaltungsbeispiel für die Verteilung der Unternehmensziele und der persönlichen Ziele

Ob ein Bonussystem motiviert oder demotiviert, hängt in hohem Maße davon ab, wie wahrscheinlich es ist, die vereinbarten Ziele zu erreichen. Der Zielerreichungsgrad gibt Auskunft darüber, wann ein Ziel erfüllt ist, wann es nicht erfüllt ist und wann es übererfüllt ist. Es ist nicht unbedingt notwendig, bei einer 100-prozentigen Zielerreichung auch 100 Prozent des Bonus zu zahlen. Unternehmen können auch 80 Prozent des Bonus auszahlen, wenn ihre Mitarbeiter die Ziele zu 100 Prozent erreichen. In diesem Fall setzt das Bonussystem ein klares Signal, dass eine Übererfüllung der Zeile erwünscht ist. Ein Beispiel für ein solches System zeigt Abbildung 5. Um die Mitarbeiter während des Jahres bei der Stange zu halten, können Arbeitgeber auch Intervallbonifikationen ausschütten. Dafür müssen sie die Jahresziele auf Quartalsziele herunterbrechen.

 

Abbildung 5: Gehaltsbeispiel für die Verknüpfung von Bonushöhe und Grad der Zielerreichung

Bonussysteme zum Aufbau von Pensionsanwartschaften

Bonussysteme lassen sich mit betrieblicher Altersvorsorge koppeln. Auch wenn die Gehaltsumwandlung zugunsten einer Firmenpensionszahlung in Österreich wegen der restriktiven Auslegung des Zuflussprinzips verboten ist, lässt die Finanz doch einige Gestaltungen von Bonuszahlungen als Arbeitgeberbeitrag in ein Firmenpensionssystem zu. Laut Randziffer 760 der Lohnsteuerrichtlinien können Verfügungen über Bonuszahlungen zugunsten einer Firmenpension durchaus zulässig sein. Sie sind es dann, wenn das Unternehmen die Boni jährlich neu vereinbart und dabei auch eine Wahl zwischen Barauszahlung und Pensionskassenbeitrag festlegt. Auf diese Art und Weise lässt sich das Ergebnis eines Bonussystems ganz oder teilweise zum Aufbau von Pensionsanwartschaften als vorerst nicht zu versteuernder Arbeitgeberbeitrag verwenden. Der Vorteil für den Mitarbeiter ist nicht zu unterschätzen.

Bonussysteme als Kapitalbeteiligung

Um die Steuervorteile von Bonussystemen zu nutzen, die das Einkommensteuergesetz vorsieht (§ Abs. 1 Z 15 lit. b), können Unternehmen den Mitarbeitern auch anbieten, einen Teil der Boni in Form von Kapitalbeteiligungen auszuschütten. Unter einer Kapitalbeteiligung versteht das Einkommensteuergesetz neben Aktien und GmbH-Anteilen auch stille Beteiligungen und Genussrechte. Anstelle eines Bonus kann das Unternehmen nach dem Einkommensteuergesetz jährlich maximal 1.460 Euro in Form einer Kapitalbeteiligung zusagen. Diese ist dann nach frühestens fünf Jahren bei der Abschichtung für den Mitarbeiter völlig steuerfrei. Mit dieser Gestaltung macht der Arbeitgeber für den Mitarbeiter aus einem Bruttoanspruch einen Nettoanspruch.

Fazit

Die Einführung eines wertorientierten Vergütungssystems funktioniert nicht von heute auf morgen. Voraussetzung dafür sind Verhaltensänderungen auf Seiten des Managements und der Mitarbeiter. Daher müssen sich Unternehmen Zeit geben, um ein solches System zu entwickeln, auszurollen, nachzuvollziehen und zu erproben. Das heißt, die ständige Evaluierung ist fast genauso wichtig wie die Architektur des Systems. Schließlich geht es darum, den Unternehmenserfolg nachhaltig zu steigern.

Quelle: personal manager 6/2010