Herr Bridle, Sie sind ein international bekannter Redner. Welche Fähigkeiten sind dafür erforderlich?

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Professionelle Redner betreiben eine Kunst, wie auch Autoren oder Schauspieler. Ein guter Redner muss wissen, worüber er spricht. Die Zuhörer sind nicht dumm – sie bemerken, ob eine Rede Inhalte und Werte vermittelt oder ob es bloß schöne Worte sind. Ein Redner, der etwas zu sagen hat, kann sein Anliegen mit Leidenschaft, Energie und Überzeugung vermitteln. Die Zuhörer vergeben ihm, wenn er sich nicht perfekt ausdrückt, aber sie wollen, dass man ihnen Substanz bietet.

Welche Art von Substanz und Erfahrung können Sie in Ihre Reden einbringen?

Ich verstehe mich als „leadership methodologist“. Ich schaue mir an, was Unternehmen zum Erfolg führt. Meine Nachforschungen stelle ich auf zwei Ebenen an: Ich interessiere mich für Führungskräfte als Personen und für das, was sie erfolgreich macht und antreibt. Außerdem, versuche ich herauszufinden, wie sie ihr Unternehmen führen. Warum sind sie dabei erfolgreich? Ich verbringe etwa 25 Prozent meiner Zeit mit dieser Art von Nachforschungen. Die Ergebnisse fließen in meine Reden, Artikel und Bücher ein. Meine Reden gestalte ich so, dass sie im Unternehmensalltag anwendbar sind.

Was ist der wichtigste Aspekt, den Sie aktuell bei Ihren Nachforschungen beobachten?

Die Arbeitswelt und die Art, Geschäfte zu machen, verändern sich. Der Arbeitsplatz wandelt sich aus unterschiedlichen Gründen. Vor allem haben die Mitarbeiter eine andere Einstellung gegenüber ihrer Arbeit und ihrem Leben. Sie sind mobiler und bereit, sich geographisch zu bewegen. Mitarbeiter aus einem Team können über die ganze Welt verteilt sein und ihr kultureller Hintergrund unterscheidet sich unter Umständen stark. Ein wichtiger Veränderungsfaktor ist auch die eingesetzte Technologie. Außerdem sind auch unsere Kunden nicht immer dieselben. In dieser modernen und globalen Welt für die Mitarbeiter verantwortlich zu sein, ist für HR eine große Herausforderung. Deshalb sollten Personalmanager ständig ihren Ansatz überprüfen.

Also brauchen Personalmanager dafür vor allem Changemanagement?

Ich habe ein Problem mit dem Wort „Changemanagement”. Das Leben und die Welt verändern sich ständig, alles verändert sich in jedem Moment. Es gibt keine isolierte Situation, die wir verändern, und dann bleibt alles wie es war. Um den ständigen Fluss der Veränderung zu handhaben, gibt es nicht einen Managementstil. Vielmehr sind viele verschiedene Ansätze nötig. Ich versuche alle davon zu überzeugen, dass wir das Wort „Changemanagement“ nicht mehr benutzen sollten, weil es den Eindruck erweckt, dass wir irgendwann am Ende angekommen sind und dann alles o.k. ist. Nichts wird o.k. sein. Sprechen wir besser von einer Reise und davon, was Unternehmen an jeder Station brauchen. Vermutlich werden wir uns alle zwei oder drei Jahre neu erfinden müssen, so dass wir unserer Konkurrenz immer einen Schritt voraus sind.

Wie könnte eine solche Reise der ständigen Neudefinition in Unternehmen aussehen?

Als Berater stellen mir im Moment fast alle Unternehmen die gleiche Frage: “Meine Manager haben in den vergangenen drei oder vier Jahren gute Arbeit geleistet und uns vorangebracht. Aber nun müssen wir ein neues Level erreichen. Wie kann ich ihnen diese Situation begreiflich machen?“ Mit anderen Worten: Manager müssen ihren Führungsstil an die Gegebenheiten anpassen können. Möglicherweise müssen sie ihre Teams restrukturieren oder ihre Performance verbessern – je nach Situation des Unternehmens. Wenn ein Manager ein Geschäft aufbaut, ist er nicht unbedingt derjenige, der es weiterentwickelt. Das bedeutet, dass alle drei oder vier Jahre im Management große Veränderungen anstehen. Personalverantwortliche müssen das erklären. Die Führungskräfte sollten nicht nach dem Motto argumentieren „wir haben immer so gearbeitet“. Nur weil etwas in der Vergangenheit erfolgreich war, muss es nicht in der Zukunft so sein.

Wie sollten Personaler damit umgehen, dass die Teams immer internationaler werden?

HR-Manager sollten sich mehr mit den kulturellen Unterschieden und kulturellen Aspekten der Wünsche und Ziele ihrer Mitarbeiter auseinandersetzen. Außerdem spielen hierbei auch die Beweggründe der Mitarbeiter, international zu Erfahrung sammeln sowie daraus entstehende demographische Veränderungen eine Rolle. Beispielsweise kommen viele Männer aus China, weil es in ihrem Land sehr wenige Frauen gibt. Die Männer suchen also nicht nur Arbeit, wenn sie aus China auswandern, sondern auch eine Partnerin. Eine weitere Herausforderung im Kontext interkultureller Teams besteht darin, das passende Personal zu finden – vor allem gute Führungskräfte und Manager, die Teams auf der ganzen Welt führen können.

Demographische Veränderungen bringen auch einen Mangel an Talenten mit sich. Was empfehlen Sie Managern, um das Commitment ihrer Leistungsträger zu verbessern?

Fach- und Führungskräfte werden so oder so nicht mehr wirklich lange in einem Unternehmen bleiben. Da vor allem junge Leute wahrscheinlich alle drei bis vier Jahre den Arbeitsplatz wechseln, ist Recruiting ein Schlüsselfaktor für den zukünftigen Erfolg. Außerdem sollten Führungskräfte das Beste aus der Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern machen, solange sie im Unternehmen sind. Wenn sie den Mitarbeitern viele Gelegenheiten anbieten, sich weiterzuentwickeln und zu wachsen, werden sie vielleicht etwas länger bleiben. Das ist immer noch besser als sich nur darauf zu konzentrieren, ihnen mehr Geld oder andere Incentives zu offerieren. Das Verhältnis zu den Mitarbeitern wird sich aus meiner Sicht mehr zu einer Partnerschaft entwickeln. Wenn ein Unternehmen einen Schritt vorankommen möchte, sollte es diesen Schritt auch den Mitarbeitern anbieten.

Und wie können Führungskräfte ihren Stil an diese Veränderungen anpassen?

Was einen erfolgreichen Manager ausmacht, hängt stark von dem kulturellen Hintergrund des Einsatzlandes ab. In Teilen Asiens zum Beispiel müssen Manager alles kontrollieren und Mitarbeiter die Arbeitsanweisungen befolgen. Obwohl sich dieses Muster auch dort verwestlicht, sind die Beschäftigten eine rigorose Hierarchie gewöhnt. Wenn Sie mein Chef sind, respektiere ich Sie, einfach weil Sie mein Vorgesetzter sind. Das ist im Westen total anders. Hier respektieren die Mitarbeiter ihre Führungskräfte wegen ihres Wissens und ihrer Fähigkeit, sie weiterzuentwickeln. Und das ist noch viel deutlicher bei der so genannten Y-Generation, also den 20- bis 30-Jährigen. Deshalb glaube ich, dass manche Länder ihren Führungsstil anpassen müssen – Deutschland zum Beispiel. Es war immer ein innovatives Land. Um das auch in Zukunft zu sein, sollte es seine Hierarchien etwas abflachen. Innovation kann überall im Unternehmen entstehen, muss jedoch zu den richtigen Leuten kommen, die sie dann auch umsetzen. In Hierarchien ist das schwierig. Doch ein Patentrezept gibt es für Führung nicht. Führungskräfte müssen den richtigen Stil finden, der zur jeweiligen Situation passt.

Wie schätzen Sie Europas Veränderungsfähigkeit ein?

Ich glaube, dass Europas schwierigste Aufgabe darin besteht, über die Vergangenheit hinwegzukommen. Nehmen Sie die französische Sprache als Beispiel: Frankreich ist sehr bedacht auf die Reinheit seiner Sprache. Doch ihr Wunsch, die Sprache in ihrer reinen Form zu erhalten, tötet sie ab. Im Gegensatz dazu ist die englische Sprache so erfolgreich, weil sie sich ständig verändert. Die junge Generation benutzt sie mit unterschiedlichen Aussprachen und Formaten und erfindet neue Wörter. Die Fähigkeit, die Veränderungen in der Welt wiederzuspiegeln, macht Englisch zu der am weitesten verbreiteten Sprache weltweit. Sie können dieses Beispiel auf alle Veränderungen anwenden, die gerade passieren. Wenn Europa nicht aufpasst, geht es rückwärts in die Zukunft. Es ist so sehr darauf bedacht, die Themen der Vergangenheit an die Gegenwart anzupassen, dass es sich nicht selbst neu für die Zukunft definiert. Europa sollte meiner Ansicht nach die multikulturelle Gesellschaft umarmen, wenn es die Zukunft gestalten und nicht nur auf sie reagieren möchte.

Interview: Stefanie Hornung und Kristin Steffen