Nur: Leider erscheint uns die Idee, andere zu verändern viel faszinierender, als an uns selbst zu arbeiten.

photo of dining table and chairs inside room
Foto von Nastuh Abootalebi

Sobald Veränderungen anstehen, wird an Lippenbekenntnissen nicht gespart. „Change Management“ hat sich zu einer eigenen Managementdisziplin entwickelt. Eine Schar von „Change Agents“ geistert durch die Unternehmen, um die anstehenden Veränderungsprozesse zu begleiten. Bücher über den „Wind of Change“ füllen ganze Wandschränke. Doch welche Informationen sind wirklich hilfreich, welche komplizieren den Sachverhalt unnötig? Nie zuvor waren wir mit einer derart hohen Veränderungsgeschwindigkeit konfrontiert wie in den Zeiten der Globalisierung.

Was gestern noch Gültigkeit hatte, ist morgen schon überholt. Wir leben unter einem permanenten Anpassungsdruck, denn Veränderungen haben viel mit Anpassung zu tun. Sollten wir uns aber zur Umsetzung anstehender Veränderungen verpflichten, wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Die Gruppe der „Lippenbekenner“ sagt „wir müssen etwas ändern“ und meint, dass die anderen sollen schon einmal damit anfangen. Sie schicken andere los und machen erst mit, wenn es wirklich sein muss. Nach außen spielen sie dennoch „Mr. Superveränderer“. Eine noch gefährlichere Spezies ist der „Guerillakämpfer“. Er fällt nicht besonders auf, torpediert jedoch alle gut gemeinten Ansätze im Untergrund. Doch es gibt auch eine Gattung, die mit „offenen Visier“ ihre Zweifel kundtut. Die mitzieht, sobald sie den Sinn der Veränderung verstanden hat.

Am seltensten vertreten sind die überzeugten „Missionare“. Sie legen einfach los und hängen sich voll rein. Sie konzentrieren sich auf sich und ihre Kräfte. Sie vergleichen sich nicht und warten auch nicht darauf, dass die anderen anfangen. Was andere als Anstrengung wahrnehmen, empfindet diese Spezies als Aufwärmprogramm. Ihre Anpassungsfähigkeit ist enorm, und früher oder später wird diese Gattung allen anderen überlegen sein. Manchmal ist es jedoch nur ein schmaler Grad zwischen hoher Anpassungsfähigkeit und einem „sich permanent verbiegen“.

Sie kennen sicherlich den Satz: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“. Aus meiner Sicht muss es treffender heißen: „Wes Brot ich ess, des Lied WILL ich singen“. Ein kleiner, aber entscheidender Unterschied. Er beschreibt, dass Sie sich mit Notwendigkeiten – die Sie nicht beeinflussen können – so intensiv beschäftigen, bis Sie sie verinnerlicht haben. Was manche vielleicht als „Selbstlüge“ bezeichnen, fordert eine enorme geistige Flexibilität. Passend zum Thema fällt mir eine Textzeile ein: “If you can’t be with the one you love, love the one you’re with“ – Wenn Du nicht mit demjenigen zusammen sein kannst, den Du liebst, liebe den, mit dem Du zusammen bist.

Statistisch gesehen gibt es 17% Veränderer und 83% Bewahrer. Diese beiden Pole werden in Unternehmen bestimmten Vertretergruppen zugeordnet: Die Manager übernehmen die Rolle der Veränderer, die anderen die Rolle der Bewahrer. Dass das nicht generell zutrifft, können wir aber gerade bei Opel sehr schön sehen. Hier scheinen die Rollen fast verkehrt. Ich bin davon überzeugt, dass beide Seelen in unserer Brust wohnen. Und wir sollten beiden unsere Aufmerksamkeit schenken. Der Veränderer in uns treibt an, stellt in Frage und versucht ständig, die Effizienz zu erhöhen. Der Bewahrer mag keine Veränderungen. Er hat Angst, unausgereiften Schnellschüssen auf den Leim zu gehen. Er möchte vorher die Gewissheit, dass sich die Anstrengung lohnt. Wie so oft im Leben, geht es nicht um Frontenbildung, sondern um die Integration zweier gegensätzlicher Pole. Der Bewahrer kann vom Veränderer lernen, dass es sich lohnen kann, Bewährtes über den Haufen zu werfen. Einfach so. Der Veränderer kann vom Bewahrer lernen, das zu bewahren, was sich in der Vergangenheit bewährt hat. Eine gesunde Balance zwischen Wachstum (Veränderung) und Konsolidierung (Bewahren) ist optimal. Wer in der Vergangenheit seine Hausaufgaben (Veränderungen) gemacht hat, der ist jetzt auch in der Krise gefragt.

mit freundlichen Grüßen

Ihr Boris Grundl