Neben Führung und Kommunikation halten Unternehmen die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter für das wichtigste Handlungsfeld in der Krise. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Personalpolitik in Krisenzeiten“, die auf zwei Befragungen des Instituts für Beschäftigung und Employability (ibe) beruht – eine vom Mai und eine vom November und Dezember 2009. In diesem Zeitraum hat die Bedeutung von Weiterbildung auf hohem Niveau leicht zugenommen: 94,8 Prozent hielten die Qualifizierung der Belegschaft im Mai für sinnvoll, gegen Jahresende waren es schon 96,8 Prozent.

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Foto von Arlington Research

Auf der HR-Agenda für die Krise stand Qualifizierung im Frühjahr noch auf Platz drei der Instrumente, die Unternehmen auch tatsächlich einsetzen. Im Jahresverlauf eroberte sich Weiterbildung sogar Platz eins auf der Bedeutungsskala. Mehr als drei Viertel der Unternehmen bilden ihre Beschäftigten der Krise zum Trotz weiter.

Dieses Ergebnis zieht sich nahezu durch alle Branchen. Eine deutliche Veränderung ist jedoch bei den mittelständischen Unternehmen erkennbar. Während noch im Mai etwa 70 Prozent der Betriebe mit bis zu 500 Mitarbeitern Weiterbildungen für ihre Belegschaft anboten, waren es im Dezember schon 82 Prozent. Auch Qualifizierung in Kurzarbeit ziehen inzwischen mehr Mittelständler in Erwägung.

Außerdem wollen die kleinen und mittelständischen Unternehmen zunehmend jüngere Mitarbeiter ermutigen, neben dem Beruf zu studieren. „Unternehmen haben jenseits von Kosten zeitlich freie Kapazitäten für die Qualifizierung der Mitarbeiter genutzt“, resümiert Thomas Sattelberger, Vorstand der Deutschen Telekom und Vorsitzender der Selbst GmbH, auf einem Pressegespräch zur Veröffentlichung der Studie.

Nachfrage nach klassischen Trainings stürzt ab

Gianni Liscia,

Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Verbandes für Coaching und Training e.V. (dvct)

„Von Zuwächsen um die 30 Prozent bis hin zu 80 Prozent Einbruch haben wir alles gehört von unseren Mitgliedern.“

Dieses klare Votum der Unternehmen für die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter spiegelt sich jedoch nicht direkt auf dem Weiterbildungsmarkt wider. „Vom Oktober 2008 bis Juli oder August 2009 war die Krise im Weiterbildungsbereich deutlich spürbar“, sagt Gianni Liscia, Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Verbandes für Coaching und Training e.V. (dvct).

Eine Befragung des Verlags managerSeminare aus dem August 2009 kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Die Hälfte der Trainingsanbieter habe einen Auftragsrückgang hinnehmen müssen. Außerdem sehe sich etwa jeder vierte Anbieter gezwungen, Honorarsätze zu senken und die Seminardauer zu verkürzen. Doch aus Sicht des dvct

ergibt sich ein sehr gemischtes Bild: „Von Zuwächsen um die 30 Prozent bis hin zu 80 Prozent Einbruch haben wir alles gehört von unseren Mitgliedern“, so Liscia.

Die Einzelkämpfer habe es härter erwischt als die Trainer, die in einem Unternehmen organisiert sind. Der wirtschaftliche Erfolg hänge aber auch von der Vertriebsstruktur der Trainer und Coachs ab: Wer sich auf eine Branche, gar noch auf die Automobilindustrie, oder ein Thema spezialisiert habe, sei schnell ins Hintertreffen geraten. Aus eigener Erfahrung als Geschäftsführer des Trainingsanbieters Team Liscia weiß der Weiterbildungsexperte, was die Unternehmen auch in der Krise nachfragen: Trainings für Verkauf und Vertriebsoptimierung sowie Konfliktlösungsprozesse. „Alles, was Geld einspart, Geld bringt oder Konflikte lösen hilft, brauchen Unternehmen auch in schwierigen Zeiten.“

Einbußen mussten auch die Anbieter von Sprachtrainings hinnehmen. Branchenriese Berlitz merkt jedoch vor allem eine Verschiebung bei den Privatkunden: vom persönlichen Interesse an Weiterbildung hin zur beruflichen Nachfrage. „Wir haben immer mehr Kunden, die einen klaren Berufsbedarf sehen, und nicht just for fun an Weiterbildungen teilnehmen“, berichtet Rita Pauls, Marketingleiterin von Berlitz Deutschland. In den Unternehmen seien die Weiterbildungsbudgets zwar auch knapper geworden. Doch das heiße nicht, dass die Firmen Weiterbildung per se streichen. „Die Personalentwickler in den Unternehmen überlegen sich jedoch genau, wen sie wann und wie weiterbilden möchten.“

Finanzierung auf Staatskosten

Dabei ist auch die Hilfe von staatlicher Seite zunehmend willkommen: „Immer mehr Unternehmen nutzen die staatlichen Fördermöglichkeiten für Mitarbeiter in Kurzarbeit und die erweiterten „WeGebAU“-Maßnahmen (Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen)“, so Pauls.

Berlitz Deutschland, das über zwei Zertifizierungen, die AZWV-Zertifizierung und die Zertifizierung nach ISO 9001 verfügt, hat inzwischen einige Erfahrungen mit diesen Förderungen gesammelt: „Anfangs fühlten sich viele Unternehmen angesichts der formalen Vorgaben überfordert“, erzählt Pauls, „aber mittlerweile haben Bildungseinrichtungen geschultes und versiertes Personal zur Unterstützung“. Dabei habe sich auch gezeigt, dass die Formalitäten gar nicht so kompliziert seien, wie viele denken.

Pauls Beobachtungen decken sich mit der ibe-Studie: Gerade in mittelständischen Unternehmen habe die Nachfrage nach geförderten Weiterbildungen zugenommen. Dennoch sei in punkto staatliche Förderung weiterhin Aufklärungsbedarf vorhanden: „Im kommenden Jahr möchten wir noch mehr Firmen auf die staatlichen Förderungsmöglichkeiten aufmerksam machen“, sagt Pauls.

Höhere Ansprüche der Kunden

Während es bei den zertifizierten Angeboten um klar definierte Inhalte und Abschlüsse geht, wächst im nicht staatlich geförderten Bereich der individuelle Anspruch von Unternehmen. „Die Unternehmen wünschen sich zunehmend individuelle Herangehensweisen an ihre spezifische Situation“, erzählt Pauls. Sie erwarteten, dass Trainings zielgerichtet auf das Vokabular und die Kompetenzen der Mitarbeiter zugeschnitten werden.

Vor diesem Hintergrund legen Unternehmen heute mehr Wert auf die Beratungskompetenz des Anbieters – auch im Bezug auf andere Weiterbildungsthemen. Am Anfang der Zusammenarbeit mit dem Kunden steht oftmals eine Bedarfsanalyse, in die nicht nur die Vorkenntnisse von Mitarbeitern einfließen, sondern auch ihre konkrete Berufspraxis. Auf dieser Grundlage können die Betriebe passende Schwerpunkte für ihre Trainings setzen.

Der Anspruch steigt – egal, ob die Lösung von der Stange kommt oder eigens für eine Organisation konzipiert wurde. „Unternehmen interessiert es immer weniger, welche Methode in der Weiterbildung angewandt wird. Der Schwerpunkt liegt darauf, ob ein Training ihre Problematik aufgreift und zur Unternehmenskultur passt“, beobachtet Gianni Liscia vom dvct.

Bei der Auswahl des passenden Trainers stoßen die Anbieter zunehmend auf ebenbürtige Counterparts in den Kundenbetrieben. „Immer mehr Personalentwickler aus Unternehmen haben selbst eine Ausbildung als Coach und Trainer gemacht – vielfach einzig und allein deshalb, um die Qualität der Angebote auf diesem Gebiet besser beurteilen zu können“, ist Liscia überzeugt.

Bildungscontrolling wird zum Standard

Jörg Geulen,

Marketingleiter der TTS GmbH (dvct)

„Die Schaffung von Freiräumen, betreuten Anleitungen und Anregungen für eigenbestimmtes Lernen wird zu einer Grundvoraussetzung für den Erfolg von E-Learning.“

Nicht nur bei der Auswahl, sondern auch beim Nutzen der Weiterbildung nehmen es die Unternehmen heute genauer. „Die Firmen legen mehr Wert auf die Effizienz und die Messbarkeit der Trainingserfolge“, ist Pauls überzeugt. In das gleiche Horn bläst Gianni Liscia: „Return-on-Invest for Coaching und Training ist immer mehr ein Thema. Die Betriebe wollen wissen, ob sich Weiterbildung rechnet und was sie unterm Strich tatsächlich bringt.“

Möglichst praxisnah soll die Qualifizierung der Mitarbeiter folglich sein, um einen großen Nutzen zu spenden.

„Training of the job ist nicht mehr so gefragt“, sagt Prof.

Dr. Jutta Rump vom ibe, die an ihrem Institut seit langen den Weiterbildungsbedarf von Unternehmen verfolgt. Deshalb komme es auch immer häufiger vor, dass Unternehmen ihren Trainingsbedarf intern decken.

Da Weiterbildung möglichst kostengünstig und Teil des Arbeitsalltags der Mitarbeiter sein soll, entscheidet auch E-Learning zunehmend das Rennen für sich. „Natürlich glauben viele, dass E-Learning günstiger ist als Präsenztraining“, bestätigt Jörg Geulen, Marketingleiter der TTS GmbH. Doch ganz so einfach gehe diese Gleichung nicht immer auf. „Die Einführung von E-Learning erfordert auch Eingriffe in die bisherige Lernkultur des Unternehmens.“ Denn es reiche nicht, den Mitarbeiter vor ein Web Based Training zu setzen und ihn dann sich selbst zu überlassen. „Die Schaffung von Freiräumen, betreuten Anleitungen und Anregungen für eigenbestimmtes Lernen wird zu einer Grundvoraussetzung für den Erfolg von E-Learning“, so Geulen.

Ausblick

Wie sich der Weiterbildungsmarkt mit Fortschreiten der Krise entwickeln wird, lässt sich schwer vorhersagen. Einige Anzeichen sprechen jedoch dafür, dass das Jahr 2010 für Entspannung sorgen wird.

Wachstumspotenzial hat dabei vor allem der E-Learning- und Blended-Learning-Markt. „Unser E-Learning-Segment ist in der Krise gewachsen. Auch andere Anbieter haben unter der Rezession kaum gelitten“, so Jörg Geulen von TTS. Selbst klassische Sprachanbieter steigen immer mehr auf virtuelles Lernen um: Zeitgleich mit dem Trainer oder anderen Mitlernern bilden sich inzwischen viele Teilnehmer über virtuelle Plattformen weiter.

Auch in 2010 könnten staatliche Förderungen einen Teil dazu beitragen die Branche zu stabilisieren: Die Förderprogramme WeGebAU und Qualifizierung in Kurzarbeit sollen noch mindestens bis Ende des Jahres weiterlaufen. Abseits von dieser Entwicklung zeichnet sich aber derzeit auch für Trainer mit klassischen Angeboten ein Streif am Horizont ab: „Insgesamt wird sich der Markt für Weiterbildung in diesem Jahr sicher weiter stabilisieren, auch wenn es wohl noch eine Weile dauern wird, bis wir den Stand von 2007/2008 wieder erreicht haben“, prognostiziert der dvct-Verbandsvertreter Liscia.

Die Marktsituation verlangt der Branche eine gewisse Wandlungsfähigkeit ab, um den gewachsenen Ansprüchen der Unternehmen besser gerecht zu werden. Gianni Liscia sagt es so: „Wer in der Lage ist, die Marktsituation zu antizipieren, und heute schon weiß, was der Kunde morgen braucht, der wird erfolgreich sein am Weiterbildungsmarkt.“