Neue Möglichkeiten für Personalisten und Führungskräfte

four men looking to the paper on table
Foto von Sebastian Herrmann

Zwar müssen die Anwender im Umgang mit den Geräten geschult werden, doch da die Programme der Minicomputer in aller Regel erweiterte Applikationen des firmeneigenen Systems sind und die Hardware anwenderfreundlich gestaltet ist, ergeben sich keine nennenswert höheren Einarbeitungszeiten: Firmenneulinge müssten sich ohnehin in die Unternehmenssoftware einarbeiten.

Im Bereich Montage könnte sich die Nutzung schlauer Brillen noch stärker durchsetzen, prognostiziert Experte Lawo. „Komplexe Montageanweisungen könnten im Detail über QR-Codes abgerufen werden.“ Beim Zusammenbauen einer Pumpe etwa könnte der Monteur via Datenbrille durch den Montageprozess geleitet werden und wüsste jederzeit, welche Teile in welcher Reihenfolge zusammengebaut werden müssen. „Die Kamera folgt dem Blick des Auges und der Monitor zeigt dazu Grafiken und Beschreibungen an, im Falle eines Fehlers erscheint eine Warnmeldung.“

Dass die Geräte jedoch wie im Eingangsbeispiel zur Virtualisierung und Dezentralisierung der Geschäftswelt führen, ist dem Bereich Science-Fiction zuzuordnen, meint Christian Bürgy. Denn die Bedeutung des zwischenmenschlichen Kontakts ist für die Zusammenarbeit nicht zu unterschätzen: Wer miteinander vertraut ist, öffnet sich leichter und legt mehr Kreativität an den Tag. Doch der Einsatz der schlauen Geräte sei auch im Büro denkbar, sagt der Professor für Angewandte Informatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim.

Dafür müsse aber zunächst abgeklärt werden, ob die Produkte in einem Betrieb eingeführt werden dürfen. Denn wer Mitarbeiter mit einer Datenbrille herumlaufen lasse, öffne der Industriespionage im Zweifel Tür und Tor. „Wobei ich aufkommende Hysterie relativieren möchte. Denn schon jetzt hat fast jeder mit einem Smartphone ein Gerät mit hochauflösender Kamera in der Tasche.“ Aber selbst mit allen notwendigen Datenschutzvorkehrungen ziehen Google Glass und seine Kompagnons sicher nicht in viele Bereiche des Firmenalltags ein, schätzt Bürgy. „In Meetings würde das beispielsweise zu sehr ablenken. Denkbar wäre aber der Einsatz von Google Glass bei Vorträgen als Teleprompter.“

Personalisten und Führungskräften könnte Wearable IT weitere Möglichkeiten eröffnen. Stichwort: Corporate Health. „Manager könnten die Vitaldaten ihrer Mitarbeiter und deren Stresslevel überwachen“, so Experte Bürgy. „Davon abhängig könnten Aufgaben umorganisiert und für jeden einzelnen verträglicher gestaltet werden. Aber all das ist ohne Zustimmung des Einzelnen, des Betriebsrates und eines Datenschutzexperten undenkbar.“

Im Extremfall könnte die intelligente Technik wie bei Gracia für eine temporäre Sperre zum Firmensystem sorgen. Über eine Koppelung mit der Kalender-App wäre es überdies möglich, Freizeit und Beruf voneinander zu trennen: Je nach Modus würden die eingehenden Informationen gefiltert. In der Freizeit zeigten Glass und Co. Nur Nachrichten an, die für Privat- und nicht für die Businessperson relevant sind und umgekehrt.

Eine weitere Anwendung ergäbe sich über das Mikrofon einer Smartwatch: die Umfelderkennung. Befindet sich der Träger in einer Besprechung, zeigt das Gerät eingehende Anrufe statt durch lautes Klingeln durch dezentes Blinken oder Vibrieren an. Eine ruhigere Atmosphäre bei Meetings und öffentlichen Veranstaltungen wäre die Folge. Wearable IT könnte also helfen, Privat- und Berufsleben miteinander in Einklang zu bringen – vorausgesetzt, der Nutzer trifft die entsprechenden Vorkehrungen.


Das rät die Wiener Psychologin Veronika Jakl unbedingt an. „Wenn Erholung fehlt und die Arbeitszeit durch die Verschmelzung mit dem Privatleben verlängert wird, hat dies negative Folgen. Man kann davon ausgehen, dass dies soziale und gesundheitliche Beeinträchtigungen – etwa Herz-, Magen-Darm- sowie Muskel-Skelett-Erkankungen – nach sich zieht“, sagt sie. „Dies tritt nicht auf, wenn man einmal ein Telefonat vom Chef nach der Arbeitszeit entgegennimmt, kann aber auftreten, wenn es zur Routine wird und auch Kunden die Privatnummer bekommen.“ Jeder sollte sich vor dem Burn-out schützen. Eine Grundvoraussetzung sei ein Job, der zu einem passt. Auf Erholungsphasen zu achten, Bedürfnisse offen zu kommunizieren und lernen, Nein zu sagen, seien die anderen. Wenn die moderne Technik dabei unterstütze, umso besser.

Wearable IT – ein Thema von größerer Aktualität als mancher HR-Verantwortliche glauben mag. Die körpernahe Technologie kann Arbeitsprozesse verschlanken und birgt Chancen bei der Gesunderhaltung der Mitarbeiter. Insbesondere Letzteres gewinnt infolge des Fachkräftemangels an Bedeutung. Aber ein einseitiges Verlassen auf die Minicomputer birgt Risiken. Was, wenn die intelligente Technik die falschen Anrufe blockt, weil sie infolge der Umfelderkennung ihren Träger in Privat- und nicht in Business-Kreisen vermutet? Das kann erhebliche finanzielle Schäden verursachen. Oder was, wenn ein Virus bei der Montage eines Autos Anweisungen durcheinanderbringt? Auch hier könnte die schlaue Brille statt zum Kostenminimierer zum Kostenduplizierer werden. Bei aller Innovationsfreude ist es daher wichtig, die Risiken im Blick zu haben und für Stör- und Ausfälle gewappnet zu sein. Hierfür stellt die moderne Technik unzählige Möglichkeiten parat – regelmäßige Sicherheitsbackups auf einem zentral verfügbaren Server etwa. So lassen sich verlorengegangene Daten in null Komma nichts wieder herstellen. Nicht mobil oder tragbar – aber immerhin mittels IT!


Quelle: personal manager – Zeitschrift für Human Resources | 4 Juli/August 2014
Weitere Informationen unter: personal manger  – Zeitschrift für Human Resources



Fotocredit:
 (1) Konstantin Gastmann | pixelio.de
 (2) Tim Reckmann | pixelio.de
 (3) Jorma Bork | pixelio.de

Im professionellen Umfeld findet Wearable IT Einsatz in den Bereichen Produktion, Kommissionierung und Logistik. Allerdings zu völlig anderen Zwecken als bei Marc, Bettina, Karin und Co. Neben Google Glass gibt es Modelle aus dem Hause Motorola, Epson oder Vuzix, die sich für den Einsatz in der Industrie eignen: Sie sind unempfindlicher und verfügen über leistungsfähigere Akkus. Sämtliche Brillen arbeiten auf Basis gängiger Betriebssysteme wie Android und sind via WLAN eingebunden in übergeordnete Systeme wie etwa die IT-Infrastruktur einer Firma. „Pick by Vision“ – diese Worte stehen für die papierlose Kommissionierung.

„Eine Datenbrille liefert dem Arbeiter alle relevanten Daten wie Lagerplatz, Artikel, Entnahmemenge zur fehlerfreien Durchführung seiner Kommissionieraufgabe“, erklärt Professor Michael Lawo vom Center for Computing and Communication Technologies (TZI) an der Universität Bremen. Durch ein Positionserfassungssystem – ein sogenanntes Trackingsystem, etwa in Form einer Kamera mit Bilderkennungssoftware – lässt sich die Position des Kommissionierers und seine Blickrichtung ermitteln und somit die Umgebung mit einbeziehen.

„Früher wurde ein Laufzettel erzeugt, auf dem stand, welches Teil mit welcher Nummer in welchem Regal und Fach zu finden ist. Bei mehrstelligen Zahlen kann es schwierig werden, sich diese Zahlenkolonnen zu merken. Es kann zu Zahlendrehern kommen“, erklärt Lawo. „Die Brille gleicht diese Daten etwa per Bildmarken ab, liefert Anweisungen in Form von Bildinformationen und macht Suchen in Listen überflüssiug.“ Laut dem Lehrstuhl für Fördertechnik, Materialfluss und Logistik (fml) der Technischen Universität München senken die Anwendungen im Vergleich zu Papierlisten die Fehlerquote um etwa zwölf Prozent. Die Kommissionierzeit schrumpft um neun Prozent.

Wir schreiben das Jahr 2025: Das Marketingteam eines global agierenden Unternehmens kommt zum Meeting zusammen: Marc aus den USA, Gracia aus Prag, Bettina aus Stuttgart und Karin aus Wien. Teamleiter Till sitzt im Frankfurter Headquarter und makelt die wöchentliche Videokonferenz. Marc, Karin und Bettina haben ihre Smart Glasses auf der Nase.

Gracia nutzt ein „In-Ear-Kit“, das mit ihrem Smartphone gekoppelt ist. Dieses steht ihr als Monitor zur Verfügung. Auf dem verfolgt sie nicht nur die Präsentation von Till, sondern hat auch ihre Vitaldaten im Blick – gemessen von den Knöpfen in ihren Ohren. Schießt der Puls in die Höhe, übermitteln das die sensiblen Sensoren an die Work-Life-Balance-App ihres Smartphones. Diese sorgt nach dem Meeting für Erholung: Telefonate werden umgeleitet. Nur die VIP’s aus ihrem Telefonbuch kommen durch. Genauso verhält es sich mit E-Mails. Die Technik filtert nach Wichtigkeit und reduziert so den Stresspegel ihrer Anwenderin.

Zugegeben: Das Beispiel ist konstruiert und überspitzt dazu. Aber Akzeptanz und Nutzung von Wearable IT – wie hier in Form von intelligenten Brillen oder Ohrstöpseln – nehmen zu. Hierzu gehören auch tragbare Computer, die am Körper befestigt sind. Anders als beim Mobile Computing mit Tablet, Laptop oder Smartphone unterstützt Wearable IT die User bei Tätigkeiten, für die sie wiederum die Hände frei haben.

Zu den bekanntesten Beispielen zählt die Datenbrille Google Glass, mit der sich per Sprachsteuerung Informationen abrufen und auf einen kleinen Monitor vor dem Auge projizieren lassen. Oder Smart Watches: Während des Joggens überwachen sie mit ihren Sensoren Körperfunktionen und zählen Schritte.