Der Begriff E-Learning bezeichnet allgemein das Lernen mit dem Computer. Vor der Jahrtausendwende verschafften zumeist CDs den Zugang zu multimedialen Lernmaterialien. Seit dem Aufkommen des Internets ist dies heute fast ausschließlich mit online zugänglichen Lernportalen möglich. Der Begriff ist hier allerdings viel zu eng gefasst. In der Wissenschaft ersetzte bereits um die Jahrtausendwende der für technologiegestütztes Lehren und Lernen stehende Begriff „Technology Enhanced Learning“ (TEL) die Bezeichnung E-Learning. Ein im deutschsprachigen Raum sehr verbreitetes Lehrwerk, das „Lehrbuch für Lehren und Lernen mit Technologien“ (L3T), spiegelt dabei die Bandbreite sehr gut wider: Heute umfasst die Online-Lehre das Arbeiten mit Web-2.0-Technologien und das Diskutieren mit sozialen Netzwerken, bis hin zur Verfügungstellung von MOOCs. 

MOOCs ist das Kürzel für sogenannte Massive Open Online Courses, welche auf George Siemens und Stephen Downes zurückgehen. Große Bekanntheit erlangten sie aber erst, als Sebastian Thrun 2011 mehr als 100.000 Studierende in einem einzelnen Kurs sammelte 
und die künstliche Intelligenz lehrte.

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Foto von Claire Nakkachi

Massive Open Online Courses

Massive Open Online Courses sind folgendermaßen charakterisiert:

 Massive: Es handelt sich um Kurse, die mit mindestens 200 Personen viele Lernende erreichen.

 Open: Diese Kurse sind frei zugänglich, also kostenfrei.

 Online: Die Kurse finden ausschließlich online statt und sind zumeist auf speziell entwickelten MOOC-Plattformen zugänglich.

 Courses: Es handelt sich um Kurse mit einem Start- und einem Enddatum. Die Kurse haben eine Struktur und veröffentlichen im Wochentakt Inhalte. Am Ende absolvieren die Teilnehmer einen Selbstüberprüfungstest und erhalten eine Teilnahmebestätigung.

Heute ist hauptsächlich die Unterscheidung von zwei Arten von MOOCs üblich: cMOOCs, welche die Diskussion über den Lerninhalt im Zentrum sehen und xMOOCs, die sehr starr der obigen Struktur folgen und den Input zumeist mit kurzen Videoclips vorsehen.

Die in Österreich einzige MOOC-Plattform betreibt derzeit die Technische Universität Graz zusammen mit der Universität Graz.

iMooX – Erfahrungen mit MOOCs in Österreich
 

iMooX ist vom steirischen “i mog’s” abgeleitet und ist eine xMOOC-Plattform, die seit Frühjahr 2014 einer breiten Masse zur Verfügung steht. Das vom Land Steiermark geförderte Projekt hat primär das Ziel, universitäre Bildungsinhalte einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus ist es die Absicht, im Themenfeld MOOCs zu forschen, um den Bildungsstandort Steiermark zu stärken. Innerhalb eines Jahres boten die Technische Universität Graz und die Universität Graz insgesamt neun Kurse online an. Die Palette reichte dabei von Kursen für eine sehr breite Bevölkerungsschicht wie zum Beispiel „Gratis Online Lernen“ über Kurse für Schulen wie beispielsweise „Der Kreis“ bis hin zu universitären Inhalten wie „Englisch für Chemiestudierende“. Insgesamt greifen auf die Plattform nach einem Jahr 5.000 angemeldete Teilnehmer zu. Im Durchschnitt sind das mehr als 550 Lernende pro Kurs, wobei die größten Kurse über 1.000 Lernende absolvieren. Parallele Begleitstudien zeigen, dass 85 Prozent der Teilnehmer zufrieden mit der Plattform sind und zumeist aus dem deutschsprachigen Europa stammen. Derzeit finden die Kurse ausschließlich in deutscher Sprache statt.

Abbildung 1 zeigt die typische Kursoberfläche von iMooX. Die linke Leiste dient der Navigation durch die wöchentlich veröffentlichten Kursinhalte, während diese in der Mitte des Browsers stehen. Hier wiederum sind die zentralen Elemente der Lerninhaltsvermittlung, die Videos und zu deren Ergänzung weitere Dateien sowie Links für die Vertiefung, Fragen für das Diskussionsforum und ein Selbstüberprüfungstest. Die obere blaue Leiste ermöglicht zur Ansicht der letzten Meldungen seitens der Lehrenden zu wechseln oder zu den angebotenen Dateien, der Kursbeschreibung beziehungsweise dem begleitenden Diskussionsforum.

Sämtliche Kurse sind identisch erstellt, um die Lernenden mit einer möglichst einfachen und einheitlichen Benutzeroberfläche zu konfrontieren.

Offene Bildung als Chance
der zukünftigen Bildung
 

Kritisch hinterfragt bleibt offen, warum Universitäten ihre Bildungsinhalte offen zugänglich machen sollen und welchen Mehrwert Unternehmen davon haben. Drei Thesen sollen die Notwendigkeiten herausarbeiten. 

1. Offene Bildung ist die Annäherung
der Universität an Unternehmen

Die wissenschaftliche Begleitstudie der TU Graz zeigt eindeutig, dass hauptsächlich berufstätige Personen, das sind mehr als 70 Prozent, die offenen Kurse besuchen. In Rückmeldungen schilderten Berufstätige, wie wichtig ihnen das Angebot sei, da es die einzige Möglichkeit darstelle, neben ihrem Beruf etwas zu lernen. Insbesondere die flexible Möglichkeit des zeit- und ortsunabhängigen Lernens ist dabei wesentlich. Eine weitere Statistik ist in diesem Zusammenhang ebenso erwähnenswert. Über 90 Prozent der Lernenden verfügen über Matura. Die größte Gruppe hat ein Hochschulstudium abgeschlossen. Das bedeutet, dass besonders Universitätsabgänger von offenen Bildungsangeboten Gebrauch machen. Alles in allem ermöglichen es offene Kurse, eine innovative und zeitgemäße Bildungsbrücke zwischen Wirtschaft und Unternehmen aufzubauen. So werden Kurse vorbereitet, die sehr aktuelle Informationen enthalten, um diese von der Universität an die Praxis weiterzureichen. 

2. Offene Bildung ist globale Bildung

Offene Online-Bildungsangebote haben einen großen Vorteil: Sofern ein Internetanschluss vorhanden ist, sind sie prinzipiell von überall erreichbar. Natürlich gibt es eine sprachliche Barriere, aber davon abgesehen ist die Reichweite unbeschränkt. So zeigt sich auch, dass die bisherigen Kurse zwar mehrheitlich regional und national ansässig Lernende besuchen, der Anteil aus dem restlichen deutschsprachigen Europa ist mit mehr als 30 Prozent aber beträchtlich. Mit anderen Worten bieten offene Bildungsangebote die Möglichkeit, Interessierte in einem Themenfeld zu vereinen und so gemeinsam an den Lernzielen zu arbeiten. Das hohe Engagement der Lernenden, die aktiv an solchen Kursen zusammen mit Gleichgesinnten teilnehmen, kann zu einem hohen Learning- outcome führen.

3. Offene Bildung fördert lebenslanges Lernen

These 1 zeigte bereits, dass die bisherigen Lernenden über ein hohes Bildungsniveau verfügen und sie mehrheitlich im Berufsleben stehen. Dazu kommt, dass über 55 Prozent älter als 35 Jahre sind. Das bedeutet, dass offene Bildungsangebote vor allem in der Erwachsenenbildung von Erfolg gekrönt sein könnten. Über ein Viertel der Lernenden sind dazu noch deutlich älter als 50 Jahre. Im Zusammenhang mit der zunehmenden Alterung der Gesellschaft sollte dies durchaus Beachtung finden.

Zusammenfassung und Gedanken
zur Zukunft von Bildungsangeboten
 

Die vorigen Thesen haben andere Vorteile von offenen Bildungsangeboten noch gar nicht angesprochen. So sind natürlich auch Marketingaspekte der Institution oder der Lehrenden in Betracht zu ziehen und letztendlich auch die finanzielle Situation. Betrachtet man einen Online-Kurs als eine innovative, zentrale Lehr- und Lernressource, so ist schnell einsichtig, dass diese Inhalte unbeschränkt für weitere (offline) Bildungsangebote verwendet werden können. So gibt es erste Versuche der Volkshochschule und von Landesinstitutionen, einen MOOC anzubieten. Dieses Modell, als Inverse-Blended-Learning-Konzept nach Ebner und Schön bezeichnet, greift zurück auf die Tatsache, dass Lernen ein sozialer Prozess ist und daher das Miteinander und der Austausch zentral für einen Lernerfolg sind.

Eines der größten Probleme bei den offenen Bildungsangeboten ist derzeit, dass Lernende über die Kompetenz des selbstgesteuerten Lernens verfügen müssen. Hochschulabgänger bringen diese Fähigkeiten meist mit, wodurch sich wohl auch die hohe Akademikerquote in solchen Kursen erklärt. Hier sieht die TU Graz dringenden Nachholbedarf in unserem Bildungswesen. Selbstgesteuertes Lernen gehört möglichst frühzeitig trainiert und angelernt.

Darüber hinaus ist bei der Erstellung von Online-Kursen besonders die Verwendung von freien Bildungsressourcen (Open Educational Resources, OER) zu empfehlen. Diese stellen die angebotenen Inhalte unter eindeutige und offene Lizenzen und regeln die Wiederverwendung der Bildungsinhalte. Insbesondere im deutschsprachigen Europa ist das strenge Urheberrechtsgesetz und dessen Anwendung auf Bildungsinhalte ein Hindernis für die Zugänglichkeit.

Es ist wohl unumstritten dass die Weiterbildung in Zukunft immer unerlässlicher wird, insbesondere bei der Halbwertszeit des Wissens. In manchen Themenfeldern scheint es bereits widersinnig, überhaupt noch Schulbücher zu schreiben, da diese nach der Produktion schon wieder veraltet sind. MOOCs oder offene Online-Kurse nehmen in Zukunft einen wesentlichen Bestandteil in unserem Bildungswesen ein, um Zielgruppen zu erreichen und sie adäquat auszubilden. Auch wenn es noch viele Problemfelder zu lösen gilt, wie beispielsweise die Zertifizierung oder Anerkennung, ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema zwingend notwendig, denn Lernen ist die wesentliche Eigenschaft, die unsere Gesellschaft nach vorne bringt. 

Gewiss ist, dass sich das gesamte Bildungswesen zunehmend digitalisiert. Jetzt heißt es eigentlich nur, sich den innovativen Möglichkeiten zu stellen und diese bestmöglich umzusetzen. Das Potenzial scheint groß und heranwachsende Lernende fordern dies zunehmend ein.


// Literaturtipps //

Das Lehrbuch für Lehren und Lernen mit Technologien.
Von Martin Ebner und Sandra Schön.
Book On Demand GmbH. Norderstedt. 2013.

Das O in MOOCs – über die Bedeutung freier Bildungsressourcen in frei zugänglichen Online-Kursen. Von Martin Ebner, Michael Kopp, Andreas Wittke und Sandra Schön.
In: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, 52 (1), Dezember 2014, S. 68–80.

Das erste offene Bio-Schulbuch im Fokus:
Gestaltung und Nutzungsmöglichkeiten des „Schulbuch-O-Mat“.

Von Martin Schön, Sandra Schön und Martin Ebner.
In: Computer+Unterricht, 93/2014, S 32–33.

Die Zukunft von Lern- und Lehrmaterialien:
Entwicklungen, Initiativen, Vorhersagen.

Von Martin Ebner und Sandra Schön.
Book On Demand GmbH. Norderstedt. 2012.

 

// Webtipps //

Das Lehrbuch für Lehren und Lernen mit Technologien.
www.l3t.eu

Martin Ebner
www.martinebner.at

e-Learning Blog:
e-Learning an der Technischen Universität Graz
http://elearningblog.tugraz.at/

iMooX
www.imoox.at

Martin Ebner
"Inverse Blended Learning – Why we need and how we try it!"
http://elearningblog.tugraz.at/archives/7412

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Quelle: personal manager -  Zeitschrift für Human Resources | Ausgabe 3 Mai / Juni 2015