Eine Situation, mit der Menschen in multinationalen Unternehmen tagtäglich konfrontiert sind. Kollegen halten Abmachungen nicht ein und brechen Versprechen. So die österreichische und deutsche Sicht. Vielleicht wollte oder konnte der aus Asien stammende Mitarbeiter aber auch einfach nicht „Nein“ sagen. Es lohnt sich, dem Personalmanagement im interkulturellen Umfeld besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Denn die internationalen Geschäfte einer Organisation bestimmen zunehmend den unternehmerischen Erfolg. Der Personalabteilung fällt dabei die Aufgabe zu, Auslandsaktivitäten strategisch vorzubereiten, zu begleiten, abzusichern und gegebenenfalls wieder aufzulösen. Diesen Aufgaben können Personalisten jedoch nur gerecht werden, wenn sie die erforderliche interkulturelle Kompetenz mitbringen.

man sitting near window holding phone and laptop
Foto von bruce mars

Asien ist nicht gleich Asien

Auf den ersten Blick erscheinen uns viele Länder Asiens ähnlich und allesamt fremd. Das gilt besonders für Japan und China. Dabei sind beide Nationen bezogen auf ihre wirtschaftlichen, geschichtlichen und kulturellen Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich. Im „Reich der Mitte“ – der Volksrepublik China – prägt die religiöse Strömung des Konfuzianismus die Umgangsformen der Menschen. Konfuzius stand für eine harmonische Weltordnung, die durch Gehorsam und Loyalität bestimmt ist. Ohne persönliche Beziehungen, sogenannte „Guanxi“, funktioniert in China gar nichts. Rituale, Gefälligkeiten und eine intensive Beziehungspflege sind für Recruiting und Personalführung wichtig. Das Hauptproblem für Personalisten in China ist der Mangel an qualifizierten Fach- und Führungskräften.

Obwohl viele Universitätsabsolventen auf den Markt drängen, bringt dieser Nachwuchs im „War for Talents“ nur bedingt Entlastung, denn nicht alle Berufseinsteiger sprechen Englisch oder besitzen die benötigte Erfahrung. Hinzu kommt die stark ausgeprägte Tendenz zum schnellen Jobwechsel. Fluktuationsraten zwischen 20 und 40 Prozent, ein Albtraum für österreichische oder deutsche Personalleiter, sind in China normal. Die meisten Chinesen verlassen ihren Arbeitgeber aber nicht wegen des Gehalts, wie vielfach angenommen, sondern aufgrund von Stress, so eine Studie des USBeratungsunternehmens Wyatt. Dabei geht es um Stress im Sinne von Nervosität und Angstzuständen – und weniger um die tatsächliche Arbeitsbelastung. Eine gute Beziehung zum Vorgesetzten, ein fairer Umgang miteinander und ein angenehmes Arbeitsklima können daher in China entscheidend sein. „Loyalität gilt [in China] in erster Linie Personen und nicht Unternehmen“, so Ulrich Walker, CEO North East Asia der DaimlerChrysler AG.

Immer mehr Unternehmen führen daher strukturierte Austrittsbefragungen oder -interviews durch, um den Führungskräften vor Ort konkrete Anhaltspunkte für die Mitarbeiterbindung zu geben. Weiter östlich im Land des Lächelns – in Japan – sind die Rahmenbedingungen für die Personalarbeit anders. Im Gegensatz zum chinesischen Top-down-Management praktizieren japanische Unternehmen einen Bottomup- Managementstil. Charakteristisch sind das zyklische System der Entscheidungsfindung (Ringi-System) und der unbedingte Wille zur Optimierung auf allen Ebenen. Aus westlicher Sicht sind die aufwendigen und langwierigen Entscheidungsfindungsprozesse gewöhnungsbedürftig. Sie haben ihren Ursprung in der japanischen Geschichte. Japan ist eine der homogensten Bevölkerungen der Welt. Die jahrhundertelange Isolation der Insel hat die Gesellschaft und das Verhalten der Menschen geprägt.

Abbildung 1: Das Schichtenmodell zeigt, dass eine einheitliche Unternehmenskultur den Einfluss nationaler Gesellschaftskulturen abschwächen, jedoch niemals vollständig ersetzen kann (Quelle: Kasper & Mayrhofer, 2002).

Japanische Mitarbeiter neigen dazu, ihre Eigeninteressen der Gemeinschaft unterzuordnen, und bauen nur sehr langsam Vertrauen außerhalb ihrer Gruppe auf. Ihr Harmoniestreben ist meist ebenso ausgeprägt wie die Angst, das Gesicht zu verlieren. Japaner vermeiden Extrempositionen und tendieren zur Mitte, was sich in quantitativen Befragungen sehr gut beobachten lässt. Personalisten stellt zudem die Überalterung der Bevölkerung vor große Probleme, die auch im Management spürbar ist. Dass chinesische und japanische Arbeitnehmer bezogen auf ihre Arbeitgeber teilweise ähnliche, aber auch durchaus unterschiedliche Prioritäten setzen, zeigt eine kulturelle Vergleichsstudie des Beratungsunternehmens Eucusa aus dem Jahr 2006. Im Rahmen einer Diplomarbeit untersuchte das Beratungsunternehmen mehr als 5.000 quantitative Datensätze, die Unternehmen in Mitarbeiterbefragungen erhoben hatten.

Abbildung 2: Jeder Punkt des Handlungsportfolios repräsentiert eine Frage aus einer Mitarbeiterbefragung. Die X-Achse gibt die Zustimmung auf einer sechsstufigen Skala an. Die Y-Achse zeigt, wie wichtig eine Frage aus Sicht der Arbeitnehmer ist. Die Daten aus Japan zeigen eine Tendenz zur Mitte (Quelle: EUCUSA 2008).

Den Auswertungen zufolge legen chinesische Mitarbeiter großen Wert auf ihre persönliche Weiterentwicklung, Teamgeist und angenehme Arbeitsbedingungen. Japaner hingegen schreiben die Freude an der Arbeit besonders groß. Auch für sie sind Teamgeist und angenehme Arbeitsbedingungen von Bedeutung. Besonders wichtig ist ihnen jedoch darüber hinaus die Möglichkeit, eigene Ideen einzubringen und Kundenorientierung zu leben. Führungskräfte sollten es vermeiden, ihre Mitarbeiter zu verunsichern. Daher lassen sich Veränderungen in Japan nur schwer durchsetzen. Statusorientierung ist in Japan einer der höchsten Werte. Der Stolz auf die Arbeit im eigenen Unternehmen hat sowohl in China als auch in Japan den größten Einfluss auf die Gesamtzufriedenheit, in Japan ist der Einfluss allerdings doppelt so stark. Kulturelle Besonderheiten wie diese haben enorme Auswirkungen auf Personalplanung, Recruiting, Entlohnung, Personalführung und Personalentwicklung in Japan und China.

Worauf sollten Personalisten achten?

Unternehmen sollten die Personalplanung in beiden Ländern frühzeitig beginnen. Die Unternehmensziele und die lokalen Rahmenbedingungen müssen in die Planung einfließen. Wichtige Fragen in diesem Zusammenhang sind:

  • Wie hoch ist der Personalbedarf?
  • Welche (Führungs-)Positionen wollen und können wir mit lokalen Führungskräften besetzen?
  • Welche strategische Botschaft (zentral versus dezentral) wollen wir mit der Stellenbesetzung kommunizieren?
  • Wie gestalten wir die Anreizsysteme und welche Kosten sind zu erwarten?

Ein wichtiger Aspekt der Planung betrifft die Vergütung. Die Managementgehälter in China steigen Jahr für Jahr um durchschnittlich acht Prozent an – in Japan sind es zwei Prozent. Viele asiatische Top-Führungskräfte beziehen international vergleichbare Gehälter. Setzt das Unternehmen auf europäische Manager, kommen Zusatzkosten für Umzug, Dienstreisen und die Integration der Familie hinzu.

Recruiting

Recruiting heißt das Zauberwort der Zukunft. Fachbuchautorin Iris Kuhnert gibt Tipps für das Recruiting in Japan: „Stellen Sie sich auf einen längeren Rekrutierungsprozess ein; nehmen Sie sich Zeit für die einzelnen Bewerbungsgespräche – am besten zusammen mit einem japanischen Manager – und bereiten Sie umfangreiche Informationen über Ihr Unternehmen, dessen Geschichte und die Visionen für die zukünftige Entwicklung vor. Stellen Sie sicher, dass der Bewerber versteht, dass Ihr Unternehmen in Japan bleiben will und damit Kontinuität gewährleistet ist. Nehmen Sie sich nach der Einstellung Zeit, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, und geben Sie ihm das Gefühl, er gehört dazu.“

In China ist bereits gang und gäbe, was Unternehmen im deutschsprachigen Raum noch eher stiefmütterlich betreiben: Die Arbeitgeber rekrutieren Nachwuchs direkt von den Universitäten und bilden ihn intern weiter. Doch nicht immer reicht die Zeit, das notwendige Know-how aufzubauen. In China sind vor allem berufserfahrene Manager gefragt, und die Besetzung des Managements mit lokalen Kräften – auch Localization genannt – stößt rasch an ihre Grenzen. Eine Alternative ist der Einsatz von Expats. Doch ob Expats oder lokale Kräfte: Wer Mitarbeiter in China beschäftigt, sollte in jedem Fall das neue Arbeitsvertragsgesetz beachten, das seit 1. Jänner 2008 in Kraft ist (Webtipp). Auch wenn die Diagnostik der interkulturellen Kompetenz noch in den Kinderschuhen steckt, sind sich die Experten einig, welche Eigenschaften im Ausland NICHT hilfreich sind. Dazu gehören eine niedrige Frustrationstoleranz, starke Rigidität, mangelndes Empathievermögen und fehlende Kritikfähigkeit. Auch die Motivation der Bewerber sollten Unternehmen kritisch unter die Lupe nehmen.

Die Lenze AG, ein Anbieter von Antriebs- und Automatisierungstechnik, prüft beispielsweise in strukturierten Interviews, ob Mitarbeiter Interesse an der Aufgabe haben oder nur nach China wollen. Zur Vorbereitung auf den Auslandsaufenthalt haben sich neben interkulturellen Trainings auch Look-and-see-Trips für die Expats und ihre Familien bewährt. Beim Logistikunternehmen Schenker können Mitarbeiter Auslandserfahrung sammeln, ohne komplettes Neuland zu betreten. Mit „SCHENKERimpact“ entstand ein weltweit angelegtes Austauschprogramm, das Beschäftigte für drei bis sechs Monate in ein anderes Land entsendet, während sie ihr Aufgabengebiet im Unternehmen behalten. Welche Entlohnungs- und Anreizsysteme sollten Arbeitgeber für China oder Japan wählen? Einige Beobachter führen die mangelnde Loyalität chinesischer Arbeitnehmer zu Unrecht auf fehlende monetäre Anreize zurück. Natürlich wollen leistungsstarke Mitarbeiter auch in China marktgerecht entlohnt werden. Doch weitaus größeren Wert legen sie auf eine wertschätzende Führung. Japan ist für relativ geringe Einkommensunterschiede zwischen Managern und Mitarbeitern bekannt. Stattdessen ist es üblich, kollektive Boni auszuzahlen, wenn die Gruppe ihre Ziele erreicht.

Die Regel Nummer eins für die Personalführung und -entwicklung in Asien lautet:„Gib jedem sein Gesicht, lass’ niemanden Gesicht verlieren, und wahr’ dein eigenes Gesicht!“ (Oskar Weggel, 2002). Direkte Konfrontationen und offene beziehungsweise öffentliche Kritik gelten als Tabus. Ein klares „Nein“ sollten Mitarbeiter und Führungskräfte so weit wie möglich vermeiden. Am Wichtigsten ist jedoch die innere Haltung. Wenn Sie den Menschen mit Wertschätzung und Offenheit begegnen, bauen Sie schnell eine Brücke zwischen den Kulturen. Personalleiter Herr W. hätte beispielsweise seinen asiatischen Mitarbeiter am Telefon fragen können, wen er noch in den Prozess einbinden könnte, um eine rasche Lieferung der Zahlen möglich zu machen.

In diesem Fall hätte der asiatische Kollege auf seine direkte Führungskraft vor Ort verwiesen, die ihm zeitgleich eine andere Aufgabe zugeteilt hatte. So wären beide Seiten ein bisschen weiter gekommen in der europäisch-asiatischen Zusammenarbeit. Ein kleiner, aber vielleicht wichtiger Schritt für den langfristigen internationalen Unternehmenserfolg.

Literaturtipps:

Personalentwicklung in Japan – neue Aufgaben und die Notwendigkeit zur Veränderung.

Von Iris Kuhnert, in: Managementkonzepte (2002), Bd. 27, S. 105–123.

Schnitzel isst man nicht mit Stäbchen.

Von Elisabeth Erasim, Maria Sundermann und Oswald M. Klotz (Hrsg.). Eucusa 2007.

China und Japan – Eine theoretische und empirische Gegenüberstellung kultureller Einstellungen und Werte insbesondere der Zufriedenheit mit und Wichtigkeit von ausgewählten Aspekten des Arbeitslebens in China und Japan.

Von Elisabeth Erasim. Diplomarbeit, Wirtschaftsuniversität Wien 2006.

Webtipp:

Eine englische Übersetzung des chinesischen Arbeitsvertragsgesetzes, das seit 1. Jänner 2008 in Kraft ist, steht auf der Website des Magazins personal manager unter „hr-arbeitshilfen“ > „gesetzestexte & rechtshilfen“.

www.personal-manager.at

Quelle: personal manager 1/2009