Es kommt aber immer wieder vor, dass Arbeitgeber den Lohn zwei oder sogar mehr Jahre weiter bezahlen. Entweder, weil sie sich vertraglich dazu verpflichtet haben, oder weil sie etwa aus Pietätsgründen einem langjährigen Mitarbeiter den Lohn vorschiessen, bis dieser Anspruch auf eine Rente erhält.

In einem solchen Fall stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber einen Teil des bezahlten Lohnes wieder zurückerhält, wenn der Arbeitnehmer eine Rente erhält.

Der Arbeitgeber kann den Lohn, der im Nachhinein zuviel ausbezahlt wurde, weil der Arbeitnehmer nachträglich für die gleiche Zeit eine Rente ausgerichtet erhält, beim Arbeitnehmer einfordern. Dies ist jedoch häufig umständlich und kann mit einem Verlustschein enden, wenn der Arbeitnehmer das Geld schon ausgegeben hat. Diesen Problemen kann der Arbeitgeber aus dem Weg gehen, wenn er die nachbezahlten Renten direkt von der Versicherung erhält.

Gesetzliche Grundlagen
Die direkte Auszahlung der nachbezahlten Renten an den Arbeitgeber ist nur möglich, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht. Solche Regeln existieren für die Renten der Invalidenversicherung, während die berufliche Vorsorge keine solchen Gesetzesbestimmungen kennt.

Die grundlegende Regel für sämtliche Abtretungen oder Verrechnungen von Renten ist, dass diese für die gleiche Periode ausbezahlt werden, in welcher auch der Lohn vorgeschossen worden ist. Bezahlt der Arbeitgeber den Lohn also während eines Jahres weiter, erhält er keinen Anteil an der Nachzahlung der IV-Rente, welche erst nach einem Jahr einsetzt.
Im Weiteren versteht sich von selbst, dass der Arbeitgeber nur soviel zurückerhält, wie er selber ausbezahlt hat. Ist die Rente für eine bestimmte Periode höher als der vorgeschossene Lohn, erhält der Arbeitnehmer den überschiessenden Betrag.

In aller Regel erhält der Arbeitnehmer eine Rente der Invalidenversicherung. Hier sieht das Gesetz zum einen vor, dass der Arbeitnehmer zukünftige Renten dem Arbeitgeber abtreten kann, wenn dieser Vorschusszahlungen leistet. Zum anderen kann der Arbeitnehmer aber sein Einverständnis erklären, dass die Rentennachzahlung mit dem Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers verrechnet und direkt an diesen ausbezahlt wird.

Oftmals wird durch die Rente der Invalidenversicherung nicht der ganze vorgeschossene Lohn gedeckt. Der Arbeitgeber hat deshalb ein Interesse daran, dass er auch bei der Pensionskasse direkt den vorgeschossenen Lohn mit nachbezahlten Leistungen verrechnen kann. Dies ist jedoch sehr viel schwieriger. Denn in der beruflichen Vorsorge gilt ein striktes Abtretungs- und Verrechnungsverbot für zukünftige Leistungen.

Der Arbeitgeber kann deshalb mit dem Arbeitnehmer keine Vereinbarung abschliessen, die garantiert, dass er ihm den Lohn weiterhin bezahlt, er aber dafür die Rente der beruflichen Vorsorge bis zur Höhe seiner Zahlungen erhält, bevor er Vorschussleistungen erbringt. Eine solche Vereinbarung wäre nichtig.

Gemäss der Rechtsprechung kann der Arbeitnehmer seine Ansprüche auf Leistungen der beruflichen Vorsorge erst abtreten, wenn diese feststehen; das ist in der Regel erst dann, wenn die IV bereits eine Rente zugesprochen hat. Zu diesem Zeitpunkt ist der Arbeitnehmer aber vielleicht nicht mehr bereit, der Verrechnung zuzustimmen, wie der folgende Fall zeigt.

Die bisherige Praxis

Auch wenn in der IV eine Verrechnung zwischen den Vorschussleistungen des Arbeitgebers und der Rentennachzahlung grundsätzlich möglich war, bestanden dafür bis vor kurzem sehr hohe Hürden. Die ältere Praxis verlangte, dass der Arbeitnehmer sich über den Umfang und die Tragweite der Verrechnung bewusst war. Den Umfang der Verrechnung konnte er erst kennen, wenn die Höhe der Rente bekannt war. Das hatte zur Folge, dass er die Zustimmung zur Verrechnung erst geben konnte, wenn die IV entscheidet. Für den Arbeitgeber ist dieser Zeitpunkt viel zu spät. Denn bis dahin hat er bereits sehr viel Lohn vorgeschossen.

Sodann verlangte die Verwaltung, dass die Zustimmung zur Verrechnung auf einem bestimmten Formular erklärt wird.

Der neue Fall

Ein neuer Entscheid des Bundesgerichts, der in BGE 136 V 381 publiziert worden ist, hat eine wesentliche Vereinfachung gebracht. Der Fall betrifft eine Krankentaggeldversicherung. Er gilt jedoch in gleicher Weise für Arbeitgeber, welche kranken Mitarbeitern Vorschussleistungen erbringen.

Der Mitarbeiter, der die IV-Rente erhalten hatte, hatte sich im Jahr 2003 damit einverstanden erklärt, dass zukünftige Leistungen der IV mit den erbrachten Vorschussleistungen verrechnet und die IV-Rente direkt dem Bevorschussenden ausbezahlt wird. Als die Rente im Jahr 2008 zugesprochen wurde, wollte der Mitarbeiter nicht mehr an sein Einverständnis gebunden sein. Er berief sich auf die oben erwähnte ältere Rechtsprechung, wonach er im Jahr 2003 nicht habe rechtsgültig der Verrechnung zustimmen können, da er damals den Umfang der zu verrechnenden Leistungen nicht gekannt habe.

Das Bundesgericht entschied, dass es genügt, dass in der Zustimmungserklärung des Mitarbeiters eindeutig die Verrechnung mit den Renten der Invalidenversicherung mit den erbrachten Vorschüssen als Gegenstand der Verrechnung genannt wurde. Nicht nötig ist, dass der Mitarbeiter bei der Zustimmung zur Verrechnung schon die Höhe der Rente kennt.

Weiter schrieb das Bundesgericht, dass die Zustimmung nicht auf einem bestimmten Formular erteilt werden müsse.

Nach dieser neuen Rechtsprechung kann die Vereinbarung über eine Verrechnung späterer IV-Leistungen bereits abgeschlossen werden, bevor der Arbeitgeber Vorschüsse erbringt. Dies erhöht die Sicherheit, dass er die bevorschussten Leistungen wieder zurückerhält.

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Foto von Jesus Kiteque