PRAXISTIPP

man sitting beside white wooden table
Foto von Austin Distel

Beim gezielten Herbeiführen der rechtlichen Unterbrechung eines Arbeitsverhältnisses ist Vorsicht geboten: Wenn sich die Unterbrechung als rein rechtlich erweist, weil tatsächlich eine faktische Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vorliegt, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Arbeitsgerichte ihr keine Bedeutung beimessen.

Die Folge ist, dass das neu begründete Arbeitsverhältnis als Fortsetzung des alten zu werten ist. Wenn sich durch die Kumulation der Vertragszeiten verbesserte Rechtspositionen für den Arbeitnehmer ergeben, muss der Arbeitgeber diese gegen sich gelten lassen. 

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht · 3 / 16 | www.arbeit-und-arbeitsrecht.de

KONSEQUENZEN

Der Anspruch auf vollen Jahresurlaub entsteht erst nach Ablauf der Wartezeit. Endet das Arbeitsverhältnis vorher, berechnet sich der Urlaubsanspruch als Teilurlaubsanspruch nach § 5 BUrlG.

Der Wortlaut des § 4 BUrlG ist insoweit eindeutig, als dort vom „Bestehen des Arbeitsverhältnisses“ die Rede ist. Der Versuch einer bewussten Vertragsgestaltung zur Herbeiführung des Beginns einer erneuten Wartezeit ist mit erheblichen Risiken verbunden. Diese folgen aus der erweiternden Auslegung des Gesetzeswortlauts durch das BAG: Der 9. Senat hat hier eine Ausnahme vom Grundsatz des Neubeginns der Wartezeit durch Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses erkannt und mit den besonderen Umständen des Einzelfalls argumentiert.

Da es nur um eine sehr kurze rechtliche Unterbrechung ging, ist in der Begründung des zweiten Arbeitsverhältnisses lediglich eine unbeachtliche Umgehung der Rechtsfolgen des § 4 BUrlG zu erkennen. Zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen lag tatsächlich nur ein einziger Kalendertag – ein Sonntag – als beschäftigungslose Zeit. Zudem hatten die Parteien das zweite Arbeitsverhältnis noch während des Bestehens des ersten vereinbart. Durch diese Gestaltung musste der Arbeitgeber folglich zu keinem Zeitpunkt auf die Arbeitskraft des Mitarbeiters verzichten. Die Arbeitsleistung wurde fortlaufend erbracht, der eingeschobene freie Sonntag ändert daran nichts. Die künstlich herbeigeführte rechtliche Unterbrechung verändert den Charakter eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses nicht. Unternehmen sollten daher davon ausgehen, dass das BAG in vergleichbaren Fallkonstellationen unbeachtliche rechtliche Unterbrechungen annehmen dürfte.

Dieser Auslegung des § 4 BUrlG ist auch zuzustimmen, weil sie die Wertung des § 2 BurlG zu Grunde legt. Danach ist von einem einheitlichen Arbeitnehmerbegriff auszugehen. Diese einheitliche Auslegung ist insoweit für die vorliegende Fragestellung maßgeblich, als dass Vorbeschäftigungszeiten auch dann auf die Beschäftigungszeit anzurechnen sind, wenn sie an eine Vorbeschäftigung unmittelbar anschließt. Das gilt auch für Ausbildungszeiten oder arbeitnehmerähnliche Beschäftigungen. Daraus lässt sich ableiten, dass eine unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ohne zeitliche oder inhaltliche Zäsur nur aufgrund eines rein formell-rechtlichen neuen Vertragsschlusses als einheitliches Arbeitsverhältnis anzusehen ist.

Diese Auslegung dürfte in Erweiterung des vorliegenden Urteils auch nicht insoweit eng erfolgen, als der Abschluss des neuen noch vor Beendigung des alten Arbeitsvertrags erfolgt. Entscheidendes Kriterium sollte eine Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls unter besonderer Berücksichtigung des zeitlichen Abstands zwischen dem Ende des alten und dem Beginn des neuen Vertrags sein. Arbeitgeber sind daher gut beraten, diesen Punkt in der Vertragsgestaltung zu beachten. Offensichtlichen Versuchen der Neubegründung einer Wartezeit dürfte das BAG mit der diesem Urteil eine klare Absage erteilt haben. Abzuwarten bleibt dagegen, inwieweit sich diese Rechtsprechungslinie auch auf mögliche Fragen der Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten übertragen lässt.

ENTSCHEIDUNG

Das BAG hat das Berufungsurteil bestätigt. Zwar begründet danach grundsätzlich jedes Arbeitsverhältnis nur einen Anspruch auf Teilurlaub, nach Erfüllung der jeweiligen Wartezeit gem. § 4 BUrlG. Von diesem Grundsatz war jedoch im vorliegenden Fall abzuweichen. Das Gericht hat insoweit eine ergänzende Auslegung des § 4 BUrlG vorgenommen, diese aber nicht abschließend konkretisiert, sondern sich nur zu der folgenden Festlegung durchgerungen:

Jedenfalls in den Fällen, in denen aufgrund vereinbarter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bereits vor Beendigung des noch laufenden Arbeitsverhältnisses feststeht, dass es nur für eine kurze Zeit unterbrochen wird, entsteht ein Anspruch auf ungekürzten Vollurlaub, wenn das zweite Arbeitsverhältnis nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres endet.

PROBLEMPUNKT

Der Kläger war bei der beklagten Arbeitgeberin bis zum 30.6.2012 beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis waren 26 Tage jährlicher Erholungsurlaub bei einer Fünf-Tage-Woche vereinbart. Am 21.6.2012 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag ab Montag, den 2.7.2012. Der Erholungsurlaub war identisch geregelt. Das zweite Arbeitsverhältnis endete am 12.10.2012.

Die Parteien stritten daraufhin über den Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Der Arbeitgeber war der Auffassung, dass sich der Urlaubsanspruch nur jeweils einzeln auf die Zeiträume bis zum 30.6.2012 sowie seit dem 2.7.2012 beziehe, da insoweit in beiden Fällen ein eigenständiges Arbeitsverhältnis entstanden sei, welches auch je für sich als eigenständiger urlaubsrechtlicher Zeitraum zu werten sei. Der Urlaub und der daraus folgende Abgeltungsanspruch wären daher für jeden der beiden genannten Zeiträume separat als Teilurlaub nach § 5 BurlG zu berechnen. Der Arbeitnehmer begehrte die einheitliche Berechnung des Urlaubs aufgrund eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses über den Gesamtzeitraum. Die Vorinstanzen gaben der Klage statt.