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Foto von Christin Hume

Es gibt auch Bewerbungssituationen, in denen man das Gefühl hat, dass die angebliche Überqualifikation als faule Ausrede verwendet wird. Wenn man einen Job wirklich will oder dringend braucht, hört man nicht gerne, dass man einfach zu gut dafür ist. Oft stecken hinter so einer Aussage Ängste oder Befürchtungen von Seiten des Arbeitgebers. Ein häufiger Grund für eine Absage mit der Begründung Überqualifizierung sind zu hohe Gehaltsvorstellungen. Zusätzliche Qualifikationen kosten dem Unternehmen viel Geld, das an dieser Stelle gerne gespart wird. Viele Unternehmen setzen hier lieber auf jüngere Mitarbeiter, die aufgrund ihrer geringeren Erfahrungen ein nicht ganz so hohes Gehalt einfordern können. Ist man für einen Job klar überqualifiziert wird der Arbeitgeber auch Angst haben, dass der Mitarbeit nur eine Übergangslösung sucht und beim nächstbesten Jobangebot ‘die Fliege macht’. Wenn in einem Job Teamarbeit groß geschrieben wird, könnte ein Ungleichgewicht der Qualifikation zu Konflikten und Machtkämpfen führen. Darüber hinaus könnte sich die Führungskraft selbst bedroht fühlen, da der neue Mitarbeiter eventuell zu einer potentiellen Konkurrenz wird. Bei einer Mischung zwischen sehr hohen Qualifikationen und höherem Alter könnte es Bedenken geben, dass sich der neue Mitarbeiter nicht unterordnen will, da er eventuell mehr Erfahrungen hat, als sein eigener Chef. Überqualifizierung wird auch gerne als Ausrede verwendet, wenn ganz einfach die Chemie zum Bewerber nicht stimmt.

Durch diese und viele weitere Gründe kommt es dann häufig dazu, dass extrem wertvolle und qualifizierte Menschen, die in ihrem Bereich wirklich etwas auf dem Kasten haben, über Jahre hinweg keine Stelle finden. Menschen, die sich ständig weiterentwickeln, Neues lernen möchten und sich Herausforderungen stellen, nicht die Change bekommen, dies zu verwirklichen.


Für mich stellt diese Situation eine Art Teufelskreis dar. Auf der einen Seite werden immer mehr Zusatzausbildungen und breit aufgestelltes Know-How gefordert. Ohne langjährige Ausbildung oder akademischen Abschluss wird es schwieriger, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Auf der anderen Seite möchten Arbeitgeber aber nicht mehr Geld dafür ausgeben und es wird scheinbar unmöglich die finanziellen Einbußen durch langjährige Ausbildungen wieder einzuholen. Was hat man dann am Ende davon? Als Überqualifiziert abgestempelt zu werden? 
Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie Ihre Erfahrungen zum Thema Überqualifizierung mit uns teilen würden! Waren Sie bereits einmal in der Situation als Begründung für eine Jobabsage zu hören, dass Sie für eine Stelle überqualifiziert sind? Können Sie sich vorstellen, dass Überqualifizierung auch etwas mit der Persönlichkeit zu tun hat? Dass sich zum Beispiel Personen mit starkem Selbstbewusstsein eher als überqualifiziert einschätzen, als Personen mit geringem Selbstwert? Wir bei zweikern freuen uns, mit Ihnen zu diskutieren!

In welchen Lebenslagen haben Menschen überhaupt mit dieser Thematik zu kämpfen? Die Überqualifikation betrifft junge, aber auch ältere Arbeitnehmer. Junge Kräfte haben nach ihrer Ausbildung meist sehr hohe Erwartungen an ihren ersten Job und werden dann oft enttäuscht. Sie würden gerne sofort mit voller Motivation durchstarten, „dürfen“ ihr Können aber noch nicht ganz zeigen. Hier ist auch eine Schwierigkeit, dass viele Unternehmen keine Absolventen ohne ausreichend Berufserfahrung einstellen möchten. Dies ist allerdings eher ein zeitlich beschränktes Problem. Sobald sie eingearbeitet sind, wird ihnen auch das Vertrauen geschenkt, Aufgaben zu übernehmen.

Als älterer Mensch hat man es am Markt wirklich nicht leicht. Man bringt viel an Erfahrungen, Wissen und Ressourcen mit, für die man natürlich auch entsprechend bezahlt werden möchte. Dies wollen sich viele Unternehmen nicht leisten und haben Angst, dass Mitarbeiter über 50 nur noch die Zeit zur Pension absitzen möchten.

Darüber hinaus sind häufig Menschen betroffen, die eine Karrierepause eingelegt haben. Auch ausländische Fachkräfte haben es schwer, ihre im Heimatland erworbenen Qualifikationen in ihrem Zielland, wie zum Beispiel Deutschland oder Österreich, anwenden zu können.


Man möge meinen, dass eine zu hohe Qualifikation eines Mitarbeiters kein großes Problem darstellt. Ganz im Gegenteil, viele Menschen denken, das sei der „Jackpot“, ein gemütlicher Job, keine schwierigen Aufgaben, man wird wenig gefordert und reißt sich kein Bein aus. Außerdem ist man als Mitarbeiter einfach besser als ursprünglich gefordert, was kann daran schlecht sein? Leider ist es in der Realität durchaus ein Problem. Denn auf Dauer gesehen, wird ein Mitarbeiter, der eindeutig überqualifiziert ist, nicht glücklich mit seiner Tätigkeit sein. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass Personen, die sich selbst als überqualifiziert in ihrem Job einschätzen, unzufriedener mit ihrer Arbeit sind, als Personen, die ausbildungsadäquat beschäftigt sind. Zusätzlich wurde herausgefunden, dass sich Mitarbeiter, die überqualifiziert sind öfter an Stresssymptomen leiden, daraus resultieren häufigere Fehlzeiten und unkonzentriertes teilweise gelangweiltes Verhalten. Darüber hinaus haben diese Personen eine geringere Bindung an das Unternehmen, haben ein höheres Kündigungsbedürfnis und folglich eine höhere Fluktuationsrate. Obwohl sie eine schlechtere Einstellung zu ihrer Arbeit haben, sind die Arbeitsleistungen durchschnittlich besser, als bei anderen Mitarbeitern.


Das Leben ist ein ewiger Entwicklungsprozess, in dem man nie stehen bleiben darf und sich stetig weiterbilden sollte. Durch dieses ständige Streben nach Wissen, zusätzlichen Fähigkeiten und Ausbildungen ist es am Arbeitsmarkt schwieriger geworden, eine Stelle zu finden, in der man all sein Wissen auch anwenden kann. Überqualifizierung ist dadurch zu einem großen Thema geworden. Die Zahl an Stellenangeboten steigt nicht so schnell an, wie die Qualifikation der Bewerber. Vor allem für Arbeitssuchende über 50 ist es eine große Herausforderung geworden, eine geeignete Stelle zu finden. Es gibt ausreichend jüngere „günstigere“ Kräfte am Markt, die sich eine Karriere in einem Unternehmen aufbauen möchten und nicht in absehbarer Zeit das Unternehmen verlassen.