Christof Kerscher: Damit ist im Grunde auch beantwortet, wann ein Interim-Manager benötigt wird ...

Peter Hoyer: ... auch das, richtig. Wenn ich vorhin – sicherlich nicht abschließend –angesprochen habe, was eine Führungskraft an Eigenschaften haben muss, so ist ihr Know-how sicherlich eine Grundvoraussetzung, wobei ich meine, dass Detailwissen eine gute Führungskraft weniger auszeichnet als die Fähigkeit, den Überblick zu behalten, zu entscheiden und zu motivieren. Daher sehe ich Ihr Modell einer „Projekt-Führungskraft“ eher kritisch. Denn „wählt“ man mich zur Führungskraft, aufgrund meines Know-hows oder weil ich jemanden zur Höchstleistung befähige und ihm den Rücken freihalte? Am Ende benötigen Sie beides.

Gleichwohl glaube ich, dass die von Ihnen angesprochenen so starren wie steilen Karrierepfade aufgebrochen werden. Es wurde in der letzten Zeit zu viel von Work- Life-Balance gesprochen, das Thema Burn-out schließt sich dem an. Inzwischen hinterfragen einige Führungskräfte in hohen Positionen, ob und wie lange sie das Pensum tagtäglich durchhalten wollen und können oder ob sie mal zwischendurch oder gar ganz wieder zurück in eine kleinere Position gehen wollen. 

Wenn wir hier aber gerade von veränderten Modellen sprechen, so möchte ich noch eine Entwicklung erwähnen, die sich immer stärker abzeichnet: Unternehmen stellen sich zunehmend wie Verleihfirmen auf. Der Projektleiter leiht sich dann die von ihm benötigten Ingenieure intern für seine Projekte aus. Der oberste Entwicklungschef ist sozusagen „nur noch“ der zentrale interne Verleiher. Das hat den entscheidenden Vorteil, dass sich die Ingenieure durch die unterschiedlichen Einsätze mehr Expertise ‚on the Job’ aneignen können, mit unterschiedlichen Aufgaben betraut werden und die Organisation insgesamt wesentlich agiler wird. Dieses Modell wird aber vor allem die Führungskräfte bzw. Projektleiter neu herausfordern. Sie werden sich viel flexibler aufstellen und Führung wird anders gelebt werden müssen. Flexibilität ist also ein weiterer Punkt, dem sich Führungskräfte in Zukunft verstärkt stellen werden. 

Christof Kerscher: ... eines der Hauptargumente für den Einsatz von externen Managern auf Zeit. Für uns sind das ja dann gute Aussichten. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Hoyer!

man in blue dress shirt sitting on rolling chair inside room with monitors
Foto von Austin Distel

 

 

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Christof Kerscher: Herr Hoyer, wenn sich ein Unternehmen Gedanken darüber macht Ihnen die Verantwortung für HR zu übergeben, dann kommt oft das Argument: kann der das überhaupt? Bringt er so schnell das Team hinter sich? Das heißt ausgerechnet an einer Ihrer Kernkompetenzen wird gezweifelt. Allgemeiner gefragt: Woher kommt dieser Vorbehalt bei all der Erfahrung, die Interim-Manager vorweisen können?

Peter Hoyer: Es ist weniger so, dass man mir als langjährigem Personalleiter nicht zutraut, dass ich meinen Job kann. Ich denke, es rührt eher aus der Unkenntnis, was man grundsätzlich einem Interim-Manager zutrauen kann, in Kombination damit, dass man mich erst einmal gar nicht kennt. Anders gesagt: Zu Beginn der Überlegungen steht das für manche Unternehmen noch abstrakte Thema „Interim-Management“ im Fokus und nicht der Mensch Peter Hoyer. Auch das zweite Argument, dass man einem Externen doch nicht Einblick in die Personalakten gewähren könne – wobei diesen Einblick meist jeder Praktikant bekommt – taucht spätestens dann nicht mehr auf, wenn man ein Gesicht vor sich hat. In diesem Sinne lösten sich diese Vorbehalte unlängst bei einem meiner letzten Assignments nach zwanzig Minuten am Telefon auf, als es, kaum war ich mit meiner Vorstellung und ersten Ideen zu Ende, umgehend hieß: „Herr Hoyer, bitte kommen Sie morgen!“ Sicherlich hatte das Unternehmen kurzfristig Bedarf, aber vor allem stimmte die Chemie, da stimmte das Verhältnis. Und wenn Notwendigkeit und Vertrauen da sind, dann wird schnell der Mehrwert erkannt, den ich bringe, und er wird genauso schnell genutzt und am Ende auch anerkannt und damit wertgeschätzt.

Christof Kerscher: Sie sprechen damit wichtige Eigenschaften an, die eine Führungskraft haben sollte. Was macht für Sie gute Führung aus?

Peter Hoyer: Vielleicht darf ich dazu das Bild eines Fußballtrainers und seiner Mannschaft bemühen. Der schaut sich auch den Einzelnen an, beobachtet ihn, kennt seine Stärken und weiß dann, wie er ihn im Team einsetzen muss. Er gibt Feedback, damit Weiterentwicklung möglich ist, kritisiert, lobt und unterstützt und tauscht auch mal Spieler aus, wenn es nicht weitergeht. Führungskräfte sind wichtige Treiber für die Gesamtperformance einer Organisation. Wenn Führung nicht funktioniert, kann auch ganz schnell das EBIT leiden. Und dann ist der Moment gekommen, an dem es existenzgefährdend werden kann.

Christof Kerscher: Und wie sehen die Vorbehalte Ihnen gegenüber in Ihrer Rolle als Führungskraft auf Zeit seitens des Teams aus? Ist es für die Mitarbeiter nicht schwer Sie zu akzeptieren, wenn das Ende der Zusammenarbeit zeitlich meist schon definiert ist?

Peter Hoyer: Es gibt sicherlich den ein oder anderen, der zu Beginn vorsichtig ist. Aber ich führe vom ersten Tag an Einzelgespräche, so dass man sich gegenseitig kennen lernt. Und nach drei bis vier Tagen ist meist schon vergessen, dass ich die Verantwortung für das Team nur auf Zeit innehabe. Das ist für mich eine besonders hohe Wertschätzung. Auch, dass die Mitarbeiter merken, dass ich genauso agiere wie ein Interner, vielleicht gar mit mehr Fokus. Vorurteile und Vorbehalte ansprechen, transparent machen, sich auszutauschen und vor allem das vorleben, was man predigt, ist für mich das A&O.

Die Mitarbeiter merken sofort, was Show und was echt ist. Heute subsumiert man das wohl unter Authentizität. Für Führungskräfte eine der Voraus-setzungen schlechthin.

 

 

Christof Kerscher: Führung als solches entwickelt sich immer weiter weg von starren Karrierepfaden. Parallel zum Thema Generation Y wurde auch die Absolutheit der Idee von „einmal Führungskraft, immer Führungskraft“ aufgebrochen. Führung soll sich nicht mehr in Mitarbeiterzahlen steigern lassen. Vielmehr lässt man sich von dem Gedanken leiten, denjenigen zur Führungskraft zu wählen, der für das Projekt, das gerade ansteht, das größte Know-how hat. Glauben Sie, dass sich das Thema „Führung“ durch diese Idee von der, nennen wir es mal „Projekt-Führungskraft“ oder auch „Führung auf Zeit“ weiterentwickeln wird?

Peter Hoyer: Da ich diese Entwicklung nicht gänzlich abschätzen kann, möchte ich versuchen mit einer Gegenfrage zu antworten: wann und warum braucht es eigentlich Führung? Nämlich dann, wenn durch mich als Führungskraft die Organisation bzw. die Performance optimal getrieben wird. Das gilt für alle Führungskräfte.

Christof Kerscher: Mit einer seiner wichtigsten Aufgaben, nämlich für die Führungskräfte da zu sein, hat HR mit dem, was sie gerade sagen, eine für den Unternehmenserfolg entscheidende Bedeutung. Muss die Zeit der Krittelei an HR nicht einfach mal zu Ende sein?

Peter Hoyer: In dem Moment, in dem HR aus der rein administrativen Rolle rauswachsen will oder soll, muss auch die entsprechende Verantwortung übernommen werden. Wenn ich als Personalleiter nicht mit Führungskräften spreche, auch unangenehme Dinge anspreche und Vertrauen aufbaue, werde ich dieser Verantwortung nicht gerecht. Es hängt letztlich vom Leiter HR ab, diese Akzeptanz aufzubauen und zu festigen und das Team darauf hin auszurichten. Er muss dann aber auch selbst viel von Führung verstehen, selbst eine gute Führungskraft sein und – ganz wichtig – die Business-Sprache beherrschen, also den Markt kennen, die Unternehmensstrategie, muss die Zahlen kennen und vor allem sie auch verstehen. Wie sonst kann er auf Augenhöhe mit dem Vorstand diskutieren? Wie sich als sein Sparrings-Partner positionieren? Aber genau hier liegt die große Chance von HR.