Frau Aichinger, die von Ihnen befragten Millenials zeigen ein tiefes Misstrauen gegenüber Politik und Wirtschaft. Hat Sie das überrascht?

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Foto von Kaleidico

Einerseits ja, andererseits nicht. Die Millenials sind eine sehr pessimistische und skeptische Generation. Das haben bereits andere Studien gezeigt. Aber das Ausmaß hat mich überrascht – ebenso wie die Tatsache, dass die von uns befragten österreichischen Millenials noch pessimistischer und skeptischer sind als junge Menschen aus anderen Ländern.


Was sind die Gründe dafür?

Aus Sicht der gut qualifizierten Millenials fehlt hierzulande ein zündender Funke in Richtung Innovation. Österreich ist – wie der gesamte deutschsprachige Raum – sehr traditionell. Die Spannungen zwischen Tradition und Innovation sind hierzulande größer als in manch anderen progressiveren Ländern. Aber aus Sicht der Befragten mangelt es auch sehr stark an sozialem Gewissen in Unternehmen und Politik. Themen wie Umweltschutz, soziale Verantwortung und der sich ausbreitende Nationalismus in der Politik beschäftigen die jungen Leute. Nur ein Beispiel: Während die Vorgänger-Generationen noch vom Klimawandel sprechen, redet diese Generation von der Klima-Krise. Von den Arbeitgebern erwarten sie, dass sie ihre Verantwortung als wichtiger Mitspieler in einem gesellschaftspolitischen System wahrnehmen. Dazu gehört zum Beispiel, Produkt nachhaltig zu erzeugen und einen Mehrwert für die Gesellschaft zu bringen. Die Befragten wünschen sich auch eine nachhaltige Personalarbeit, die nicht nur für das eigene Unternehmen aus- und weiterbildet.

Welche Art von Arbeit interessiert die Befragten?

Interessant ist, dass die Millenials alternative Arbeitsverhältnisse zum Beispiel in der Gig Economy als echte Alternative zu traditionellen Arbeitsverhältnissen in Betracht ziehen. Zum Beispiel im Werkvertrag oder als Freelancer. Wir dürfen natürlich nicht vergessen, dass wir eine Zielgruppe befragt haben, die sich diese Art der Arbeit auch ein Stück weit leisten kann.

Dieses Interesse an der Gig Economy nimmt übrigens innerhalb der Millenials nicht mit steigendem Alter und Berufstätigkeit ab. Das heißt: Auch jene mit Berufserfahrung interessieren sich für diese alternativen Formen der Beschäftigung.

Das heißt, diejenigen, die Unternehmen als High Potentials betrachten und suchen, sind gerade diejenigen, die eher die Distanz suchen zu traditionellen Arbeitsverhältnissen.

Traditionelle Beschäftigungsverhältnisse suchen hingegen jene Millenials, die Unternehmen nicht unbedingt als High Potentials sehen und bei denen sie eher noch einen Weiterbildungsauftrag haben.


Sie haben auch die Haltung der Millenials zu Social Media untersucht – mit welchen Ergebnissen?

Im globalen Vergleich sagen 64 Prozent, sie wären psychisch und physisch gesündere Personen, wenn sie weniger Zeit auf Social Media verbringen würden. In Österreich machen „nur“ 56 Prozent diese Angabe. Die österreichischen Millenials scheinen also affiner für Social Media zu sein als der Durchschnitt.

Global sagen auch 60 Prozent, sie wären glücklicher, wenn sie weniger Zeit mit sozialen Medien verbringen würden, in Österreich sind es etwas mehr als 50 Prozent. Es gibt also diesen 10-Prozent-Unterschied.

Woher rührt diese Skepsis gegenüber Social Media?

Die Millenials sind die erste Generation, die damit aufgewachsen ist, einen großen Teil ihrer Informationen über soziale Medien zu beziehen. Dadurch bewegen sich viele in einer Blase gefilterter News, die natürlich einseitig ist. In unserer Studie zeigt sich eine Ermüdung und Skepsis gegenüber den sozialen Medien. Ich glaube, dahinter steht auch eine ganz wichtige Botschaft für die Unternehmen, die sich ja irrsinnig viel mit Digitalisierung beschäftigen – allerdings auf eine sehr technische Art und Weise. Sie denken lieber über die State-of-the-Art-Tools nach als darüber, was die Leute eigentlich wollen und brauchen. Unsere Ergebnisse lassen sich als Aufruf lesen, den Menschen stärker in den Mittelpunkt zu stellen.


Was können Unternehmen aus der Studie insgesamt mitnehmen?

Statistiken sagen, dass die Millenials schon jetzt die Hälfte unseres Arbeitskräftepotenzials ausmachen, 2025 werden sie 70 Prozent des Arbeitsmarktes ausmachen. Unternehmen sollten also ihre Stimmen hören und ernst nehmen. Die Vertrauenskrise ist da – und damit verbunden der Aufruf an Unternehmen ist, sich genau zu überlegen, was sie als einer der wichtigsten Stakeholder der Gesellschaft für eine Rolle haben und spielen können. Schon jetzt zeigen einige Arbeitgeber, dass es sehr wohl unter einen Hut geht, Gewinn zu erwirtschaften und ein guter Mitbürger und Stakeholder der Gesellschaft zu sein.

Interview: Bettina Geuenich