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Foto: Elisa Ventur, Unsplash

Anhaltender Stress gefährdet die Gesundheit von Mitarbeitenden und schadet letztlich den Unternehmen. Beraterin Claudia Hupprich beschreibt in ihrer Keynote auf der L&Dpro Online Konferenz im Februar, wie Individuen und Organisationen Stress reduzieren können. Erste Einblicke gibt sie im Interview.

Claudia Hupprich (Foto: snapshotz, Petra Fischer)

Frau Hupprich, hat der Stress in der Arbeitswelt in den vergangenen Jahren zugenommen?

Ja, definitiv. Diverse Studien zeigen, dass das gefühlte Stresslevel stetig steigt. Man könnte auch sagen: Stress ist mittlerweile eine Art Alltagsphänomen geworden. Laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Yougov empfinden 63 Prozent der Deutschen ihr Stresslevel im Job als hoch oder eher hoch. Die aktuelle Corona-Situation verschärft dieses gefühlte Stresslevel noch zusätzlich. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Stress sogar zu „einer der größten Gefahren des 21. Jahrhunderts“ erklärt. Wir sollten Stress auch nicht als singuläres Thema betrachten. Denn wenn wir Stress nicht identifizieren und managen, kann er zu einer regelrechten Abwärtsspirale führen. In einer aktuellen Studie gab rund ein Drittel der Deutschen an, dass sie in den letzten zwölf Monaten psychische Probleme wie Schlafstörungen, Burn-out oder Depressionen hatten.

Wie entsteht Stress?

Ganz einfach gesagt entsteht Stress, wenn wir glauben, eine bestimmte Anforderung nicht bewältigen zu können. Aus dieser Anforderung wird dann eine gefühlte Belastung, die in unserem Körper diverse Reaktionen auslösen kann. Dann werden zum Beispiel Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet mit dem Ergebnis, dass unter anderem Blutdruck, Herzfrequenz, Blutzuckerspiegel und Fettspiegel im Körper steigen. Das ist an sich eine klasse Sache, wenn wir beispielsweise im Dschungel vor einem Tiger stehen und blitzschnell reagieren müssen. Dann können diese Körperreaktionen zu richtigen Superkräften werden. Wir reagieren sofort und die Füße laufen gefühlt von alleine. Als genereller Alltagsmodus sind diese Körperreaktionen allerdings ziemlich unpraktisch. Denn wenn sie in einem Dauerzustand münden, dann lässt unsere Leistungsfähigkeit enorm nach. Viele Menschen denken, dass Stress durch die unterschiedlichen Faktoren kommt, die uns im Alltag begegnen: Zu viel Arbeit, zu wenig Zeit, zu viel Druck. In Wirklichkeit entsteht Stress jedoch in dem Organ, das wir tagtäglich zwischen unseren Ohren mit uns herumtragen: In unserem Gehirn. Und die Neurowissenschaften haben in den letzten Jahren sehr gut erforscht, wie wir bewusst unser Stresserleben steuern –  sprich reduzieren – können.

Wo können wir ansetzen, um Stress zu reduzieren?

Ein Schlüsselfaktor, um Stress dauerhaft zu reduzieren, ist mental fit zu werden. Bei der körperlichen Fitness ist jedem klar: Wer körperlich nicht fit ist, der findet den Aufstieg auf einen hohen Berg enorm anstrengend. Bei der mentalen Fitness ist es genauso: Wer mental nicht fit ist, fühlt sich schnell gestresst, wenn Hoffnungen, Erwartungen und Ansprüche nicht so erfüllt werden wie gewünscht. Zum Glück können wir – wie bei der körperlichen Fitness auch – mentale Fitness trainieren. Und das gelingt wie im Fitnesscenter: Wir fangen  mit kleinen Gewichten an, steigern diese dann und trainieren regelmäßig.  Zur Steigerung der mentalen Fitness gibt es jede Menge tolle Übungen, die wir leicht in den beruflichen wie auch privaten Alltag integrieren können und die auf den neuesten Erkenntnissen der Neurowissenschaften aufbauen. So lassen sich innerhalb kürzester Zeit schon spürbare Erfolge erzielen.

Was können Führungskräfte und Personalverantwortliche tun, um übermäßigem Stress in der Organisation vorzubeugen?

Menschen begegnen in der heutigen Arbeitswelt permanenten Veränderungen mehr als jemals zuvor. Deshalb ist es wichtig, übermäßigem Stress vorzubeugen, indem wir eine Arbeitsatmosphäre und eine Arbeitsorganisation schaffen, die Menschen motivieren und unterstützen anstatt Stress zu erzeugen. Im Kern sollte dabei auf jeden Fall das kollektive Bewusstsein stehen, dass jeder und jede in der Organisation tagtäglich seinen Anteil dazu beiträgt, ob und in welchem Ausmaß eine motivierende Arbeitsatmosphäre entsteht.

Das heißt konkret:

  • Die Mitarbeitenden kümmern sich aktiv um ihre eigene Stresskompetenz, indem sie entsprechendes Know-how zur mentalen Fitness aufbauen und in den Alltag einbauen.
  • Die Führungskräfte integrieren Anerkennung und Wertschätzung als zentrale Werte in ihren Führungsstil und fungieren als wichtige Vorbilder für eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Privatleben.
  • Die Organisation gibt einen Rahmen vor, in dem sich Führungskräfte wie Mitarbeitende so bewegen können, dass eine Stressreduktion möglich ist. Dies gelingt zum einen auf struktureller Ebene wie zum Beispiel über Mitarbeiterbefragungen oder durch Gefährdungsbeurteilungen, aber auch durch Weiterbildungsangebote im Bereich der Führung und der mentalen Fitness.

Interview: Bettina Geuenich

Veranstaltungstipp: Mehr Infos zum Thema Stress gibt Claudia Hupprich in Ihrer Keynote auf der L&Dpro Online Konferenz am 24. Februar von 13.15 bis 14 Uhr.