Die KSB AG hat in den Jahren 2007 und 2008 herausragende Vertriebserfolge insbesondere im europäischen Raum erzielt. In den Marktsegmenten Gebäudetechnik, Industrie- und Verfahrenstechnik sowie Energie- und Wasserwirtschaft verfügt das Unternehmen über eine exzellente Wettbewerbsposition. Nach umfangreichen Konsolidierungsschritten eingangs der laufenden Dekade sind Wachstum, Rentabilität und Organisation nunmehr im dritten Jahr auf hohem Niveau stabilisiert. Maßgeblichen Anteil hieran hat der Vertrieb, der das konzerneigene TrainingCenter Anfang 2008 um Unterstützung für eine Entwicklungsmaßnahme zugunsten der Vertriebsleitung in einigen europäischen Ländern einschließlich Deutschland bat. Die Anforderungen an die Entwicklung dieser leitenden Vertriebsführungskräfte, die jeweils zwischen 40 und 65 Vertriebsmitarbeiter und bis zu 100 Millionen Eurojährlicher Verkäufe verantworten, wurden wie folgt beschrieben:

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Foto von Drew Beamer

Die unverändert ambitionierte Wachstumsstrategie des Konzerns in einem von zunehmenden Unsicherheiten geprägten Umfeld sollte dem Vertrieb eingängig vermittelt werden.

Die Vertriebsleiter sollten die unternehmerischen Freiräume in ihren Märkten und Regionen noch gezielter identifizieren und insbesondere die Gestaltungsmöglichkeiten und Chancen einer auf Expansion ausgerichteten Personalplanung entdecken.

Das Verständnis insbesondere für Erfolgskennzahlen in Unternehmen im Allgemeinen und für neuere konzerneigene Kennziffern im Besonderen sollte verbessert und die Sicherheit im Umgang mit den Wechselwirkungen zwischen einzelnen Kennziffern nachhaltig verbessert werden. Die Wahrnehmungsraster der Führungskräfte für Chancen und Risiken der eigenen unternehmerischen Entscheidungen sollte überprüft und die Risikobereitschaft des Vertriebsteams in Gänze maßvoll erhöht werden.

Risikolos entscheiden

Grundsätzlich bietet sich für die dergestalt vertiefte Auseinandersetzung mit komplexen Systemen ein Planspiel als Trainingsmaßnahme an. Denn die Planspielmethode integriert verschiedene Wissenschafts- und didaktische Ansätze und kann vielschichtige komplexe Zusammenhänge und deren Wechselwirkungen durch Simulation vermitteln. Versuch und Irrtum liefern sehr eingängige Erfahrungswerte – ohne ein reales geschäftliches Risiko. Allerdings gehen Planspiele mit einer Verfremdung des beim Teilnehmer bekannten Arbeitskontextes einher, was bei der Rückkehr in die eigenen Entscheidungsspielräume nicht selten als (zu) realitätsfern erlebt wird. Dies kann den Lernerfolg mindern.

Infolge dieses didaktischen Risikos wurde für die Maßnahme der KSB AG nicht nur die Begrifflichkeit des Spiels vermieden, sondern auch der Kontext realitätsnäher als in einem Planspiel gewählt. Die Teilnehmer sollten nicht mit verfremdeten, sondern ausnahmslos mit realen Kontexten und Instrumenten, also mit ihrer unternehmerischen Wirklichkeit, konfrontiert werden. Dies entspricht den Parametern einer strategischen Simulation wie man sie aus der Pilotenausbildung kennt. Szenarien können mit realen Instrumenten bearbeitet werden. Der bekannte Arbeitskontext ist gewahrt – doch das simulierte Entscheiden und Gestalten bleibt risikolos. Der gewünschte Lernerfolg wird über die punktgenauen Inputs, Briefings und Debriefings dynamisch gesteuert, die Komplexität der simulierten Wirklichkeit wird über zusätzliche Ereignisse erhöht oder reduziert. (Abb.)

Abb.: Simulationsaufbau und Simulationsablauf

Ziel der zweitägigen strategischen Simulation war es, für eine in realen Kennzahlen abgebildete Vertriebsgesellschaft zwei unterschiedliche unternehmerische Strategien gegeneinander abzugleichen. Auf der einen Seite sollte das Team der Verkaufsgesellschaft „Rot“ eine möglichst aggressive Unternehmensstrategie verfolgen, um die relative Marktmacht der eigenen Vertriebsgesellschaft zu vergrößern. Auf der anderen Seite stand das Team „Blau“, das vor den unternehmenseigenen Erfolgskennzahlen die Ertragssituation der simulierten Vertriebsgesellschaft verbessern und vorhandene Risiken minimieren sollte.

Start in die Simulation

In jeder Verkaufsgesellschaft gab es der Konzernorganisation entsprechend zwei zu bearbeitende Verantwortungsbereiche: das Profil Gebäudetechnik und das Profil Industrie- und Verfahrenstechnik. Je vier Führungskräfte bildeten ein Team. Der Vertriebsleiter, der Leiter des Controllings und der externe Trainer übernahmen die Simulationsleitung. Der Trainer erteilte Briefing und Debriefing; das Controlling prüfte planerische Plausibilitäten, die Vertriebsleitung bewertete die Simulationsergebnisse insbesondere im Abgleich gegen die Konzernstrategie.

Das Ausgangsszenario wurde in einem Planning Letter vorgestellt: Es sollte – hier hatte sich die Realität zum Simulationsbeginn erstaunlich an die Simulationsvorgaben angenähert – die dramatische Krise am amerikanischen Finanzmarkt die europäische Realwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen. Das Wirtschaftswachstum in den wichtigsten Wirtschaftsnationen sollte sich massiv abschwächen, teilweise sogar rezessiven Charakter erreichen. Zahlreiche Banken und Finanzinstitute stünden vor hohen Sonderabschreibungen oder dem Zusammenbruch. Allerorts würden Risikomanagementsysteme überprüft und angepasst. Die Auftragseingänge in den klassischen Investitionsgüterbranchen hätten sich rapide verringert. Experten prognostizierten eine anhaltende Finanz- und Wirtschaftskrise und weitere massive Folgen für die Weltwirtschaft. Rezessive Tendenzen seien an allen wichtigen volkswirtschaftlichen Kennzahlen ablesbar. Geeignete Gegenmaßnahmen seien unter den Experten umstritten oder scheiterten auf den politischen Ebenen.

Es folgte die Aufgabe: „Die KSB AG reagiert auf diese Entwicklung umgehend. Zur Überprüfung der Unternehmensausrichtung und der strategischen Planungsprozesse wurden zwei Expertenteams zusammengestellt, die mögliche Folgen der Krise für das Unternehmen abschätzen und geeignete Strategien für den Umgang mit den Auswirkungen der Krise erarbeiten sollen. Sie tagen an einem vertraulichen Ort und sollen innerhalb von 48 Stunden Handlungsempfehlungen für den Vorstand und die nachgeordneten Führungsebenen erarbeiten. Hierzu hat der Vorstand der KSB AG vier Szenarien entwickelt, die in einer Simulation durchspielt werden sollen. Jedes der Szenarien beleuchtet mindestens zwei spezifische Herausforderungen der aktuellen weltwirtschaftlichen Lage und der Lage in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ziel der Untersuchung ist insbesondere herauszuarbeiten, ob eine auf konsequentes Marktwachstum oder eine – wesentlich durch Kostenmaßnahmen – auf eine Steigerung der Rentabilität ausgerichtete Strategie mittelfristig erfolgreicher ist. Einschneidende Veränderungen betreffen insbesondere die Nachfragesituation in einzelnen Produktgruppen (den Profilen der VG zugeordnet), die Wettbewerbssituation, die Kalkulation der Verkaufspreise und hieraus der Deckungsbeiträge, die Materialkosten und die Personalkosten.“

Beide Mannschaften erhielten als Ausgangsbasis einen (identischen) KPI-REPORT. Dieser zeigte die für die Simulation bereinigten KPIs der zu beplanenden Vertriebsgesellschaft für das Jahr 2007. Darüber hinaus wurden ihnen eine Kundenstruktur, ein bereinigtes Produktportfolio, eine aufgeschlüsselte Personalplanung und eine Aufschlüsselung zu den Deckungsbeiträgen der eigenen Verkaufsprodukte zur Verfügung gestellt.

Realitätsnahe Szenarien

Als nächstes präsentierte der Vertriebsleiter die überarbeitete Konzernstrategie. Leiter Controlling und Trainer gaben einen umfassenden Input zu den Kennzahlen des Konzerns und zu den Wechselwirkungen zwischen einzelnen Kennzahlen. Zum Simulationsbeginn waren beide Gruppen dann aufgefordert, mit den Vorgaben des Planning Letter einen Business Plan ihrer Vertriebsgesellschaft im einheitlichen Planungs-Tool der KSB zu erstellen. Der Zeitrahmen von zwei Stunden erforderte schnelle Organisation und konzentrierte Arbeit. Die erarbeiteten Zahlenwerte waren in vorgegebener Form zu präsentieren, zu kommentieren (jeweils 20 Minuten) und dem Controlling zur Verfügung zu stellen. Alle geplanten Einzelmaßnahmen waren darzustellen und zu erläutern. Das Controlling überprüfte kurz die methodische Richtigkeit und Schlüssigkeit des Business Plans (maximal 30 Minuten), Vertriebsleitung und Trainer legten unternehmerische Bewertungskriterien an. Beide Gruppen erhielten sodann ein ausführliches Debriefing.

Anschließend wurden beiden Gruppen neue Szenarien und – nicht planbare – Ereignisse zugespielt, die erhebliche Auswirkungen auf den jeweiligen Business Plan haben. So sollten sich die Nachfrage nach einzelnen Produkten oder in Produktgruppen kurzfristig erheblich ändern, massive Nachfrage nach neuen Produkten entstehen, der Arbeitsmarkt erhebliche Veränderungen zeigen und die wirtschaftliche Situation der Kunden deutliche Veränderungen durchlaufen. Beide Gruppen waren aufgefordert, diesen Veränderungen in ihren Business Planungen zu begegnen, die Business Pläne anzupassen, die einzelnen Maßnahmen zu beschreiben und zu präsentieren. Dabei standen jedem Team wiederum maximal zwei Stunden Planungszeit zur Verfügung. Jede der drei Simulationen endete mit einer neuerlichen Bewertung der Präsentation durch die Simulationsleitung und einem Vergleich des jeweiligen Erfolgs im letzten Planungsprozess. Bewertet wurden: wirtschaftliches Ergebnis, Umsetzung der Spiel- und Planungsvorgaben, Reaktion auf die eingetretenen Ereignisse, Nutzung des unternehmerischen Freiraums und Innovationskraft der getroffenen Entscheidungen.

Praxistaugliches Training

Mit zunehmender Simulationsdauer stieg die Bereitschaft der Teilnehmer, den gewährten unternehmerischen Freiraum für eigene Entscheidungen zu nutzen und kreative Maßnahmen insbesondere zur Bewältigung der eintretenden, teils dramatischen Ereignisse zu definieren. Dabei vertieften alle Teilnehmer ihr Verständnis für die Herleitung und Wechselwirkung der eingesetzten Kennzahlen erheblich. Gleichzeitig wurden die Ableitungen der Konzernstrategie für die eigenen Verantwortungsbereiche nochmals verdeutlicht. Die Arbeit erfolgte sehr konzentriert und zielgerichtet, die Selbstorganisation der Gruppen war vorbildlich.

Im abschließenden Feedback der Vertriebsleitung und der Teilnehmer wurde neben den vermittelten theoretischen und praktischen Inhalten insbesondere die hohe Praxistauglichkeit der Maßnahme überaus positiv bewertet. Gleichzeitig konnte dezidiert zu den jeweils eigenen Lernerfolgen wie auch zu den individuell verbliebenen Lernfeldern Auskunft gegeben werden.

Quelle: PERSONAL – Heft 04/2009