Das Urteil

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Foto von Andrew Neel

Der EuGH verneinte zunächst ein direktes Verbot der Diskriminierung wegen Fettleibigkeit. Die Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, so der EuGH, zähle abschließend Gründe für ein Diskriminierungsverbot auf – das Gewicht gehört nicht dazu. Die Luxemburger Richter stellten aber fest, dass Adipositas unter bestimmten Bedingungen als „Behinderung“ zu werten sei. Voraussetzung sei, dass die betroffene Person durch ihr Gewicht so stark beeinträchtigt ist, dass sie nicht voll und gleichberechtigt mit anderen am Berufsleben teilnehmen kann. Nach der EU-Richtlinie liegt eine „Behinderung“ dann vor, wenn eine Person dauerhaft körperlich, geistig oder psychisch eingeschränkt ist und deshalb nicht oder nur eingeschränkt einen Beruf ausüben kann. Ob dies im Fall des dänischen Tagesvaters so ist, hat nun wieder das dänische Gericht zu klären.

 Folgen der Entscheidung

Müssen Arbeitgeber nun befürchten, dass sich jeder stark übergewichtige Mitarbeiter auf den Schutz vor Diskriminierung berufen kann? Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation besteht bei einem Body-Mass-Index von über 40 eine schwere Adipositas. Der EuGH stellt in seinem Urteil jedoch allein auf die tatsächliche Einschränkung des Beschäftigten und damit auf den Einzelfall ab. Die Latte für den Nachweis einer Diskriminierung liegt damit auch nach dem EuGH-Urteil unverändert hoch: Nur wenn erwiesen ist, dass ein Mitarbeiter durch sein Gewicht so stark eingeschränkt ist, dass er seinem Beruf nicht mehr in gleicher Weise nachgehen kann wie andere und er somit als „behindert“ gilt, greift der Diskriminierungsschutz. Generell sind beleibte Mitarbeiter nicht mehr geschützt als alle anderen. Wie die deutschen Arbeitsgerichte auf die Entscheidung reagieren werden, bleibt abzuwarten. Einen Hinweis darauf, dass sie die Definition der „Behinderung“ künftig ebenfalls weiter fassen werden, gibt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, in welchem die obersten Bundesrichter bereits eine symptomlos verlaufende HIV-Infektion als Behinderung im Sinne des AGG eingestuft haben (Az.: 6 AZR 190/12). Kann der Beschäftigte tatsächlich eine körperliche Einschränkung nachweisen, wird es für den Arbeitgeber im Prozess schwierig, weil sich die Beweislast umkehrt: Nicht mehr der Arbeitnehmer muss nachweisen, dass er diskriminiert wurde. Sondern der Arbeitgeber muss nachweisen, dass keine Diskriminierung vorliegt. Im Prozess ist dies nicht einfach und birgt ein erhebliches Risiko – insbesondere dann, wenn das Thema Übergewicht aktenkundig ist, etwa weil der Arbeitgeber den Beschäftigten zuvor bereits auf sein Gewicht angesprochen hat.

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Quelle: LohnPraxis • Nr. 2 • Februar 2015 | www.lohn-praxis.net

Fotocredit: Petra Bork | www.pixelio.de

Ausgangsfall für die Entscheidung des EuGH war die Klage eines Tagesvaters aus Dänemark. Sein Arbeitgeber, eine dänische Gemeinde, hatte dem Mann nach 15 Jahren Beschäftigung gekündigt und dies damit begründet, aufgrund sinkender Kinderzahlen gebe es einen geringeren Betreuungsbedarf. Der Tagesvater vermutete hingegen den Kündigungsgrund in seinem Gewicht von 160 Kilo. Mit dem Argument, er werde wegen seiner Adipositas diskriminiert, zog der Mann vor Gericht und forderte Schadensersatz. Das dänische Gericht legte dem EuGH unter anderem die Frage vor, ob es für Adipositas ein Diskriminierungsverbot gibt und ob Adipositas eine Behinderung sein kann.