Computerspiele standen lange Zeit in der öffentlichen Kritik: Killerspiele und Realitätsverlust bildeten den Höhepunkt der gesellschaftlichen Anklage. Erst seit Kurzem ist es Teil der Debatte, dass Forscher und Entwickler auch durchaus positive Absichten hinsichtlich der Wirkungen von Computerspielen verfolgen. Und zwar immer dann, wenn es um Gamebased-Learning geht: Computerspiele, bei denen der Nutzer Wissen und Fertigkeiten erlernt, die ihm im Job weiterhelfen sollen. Ist die Lernsoftware als gutes Spiel verpackt, bemerkt der Lerner gar nicht, dass er gerade Wissen ansammelt. Er spielt, hat Spaß und lernt ganz nebenbei. So zum Beispiel bei dem 3D-Adventure- Spiel „Techforce“: Der Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metallund Elektro-Industrie ließ das Game entwickeln, um Jugendlichen die verschiedenen Ausbildungsmöglichkeiten in dieser Branche auf spielerische Art und Weise zu vermitteln.

closeup photo of silver iMac
Foto von Alesia Kazantceva

Computergestützte Lernspiele halten in Deutschland seit gut drei Jahren Einzug in die Unternehmen. Immer mehr Bildungsverantwortliche setzen vor allem in der Ausbildung auf Serious Games. Die Spiele kommen bei der jungen Generation Games gut an. Die Schulabgänger sind mit Computerspielen aufgewachsen und verbinden das Spielen mit einer privaten, entspannten Atmosphäre – das bringt optimale Lernvoraussetzungen.

Die ernsthaften Spiele haben einen glaubwürdig darstellbaren Bezug zur Realität und bilden einen historischen Aspekt oder etwas Alltägliches authentisch nach. Sie versprechen, dass der Anwender etwas lernt, was er auch im wirklichen Leben gebrauchen kann – und das möglicherweise sogar besser als es mit traditionellen Weiterbildungsmaßnahmen zu erreichen wäre. Serious Games steigern die Lernmotivation, sie fordern den Spieler heraus und erhöhen damit die Aussichten auf einen Lernerfolg. Sie schaffen vor allem Gewinner – und das ist wichtig für die Motivation.

Die neue Art der Wissensvermittlung steckt zwar noch in den Kinderschuhen. Doch das US Forschungsunternehmen Apply Group schätzt, dass in den nächsten Jahren viele große Firmen weltweit digitale Computerspiele für die Fortbildung ihrer Führungskräfte und Mitarbeiter nutzen werden. Vorreiter sind die großen Konzerne.

Mit dem Computerspiel „Innov8“ von IBM beispielsweise können Wirtschaftsstudenten und junge IT-Fachkräfte Strategien erlernen, um in der Geschäftswelt zu bestehen: Als Mitarbeiter einer fiktiven Firma sollen sie verschiedene Geschäftsziele erreichen und dabei neue Technologien und Unternehmensstrategien einsetzen.

Von Erfolg gekrönt

Eine Reihe von Studien belegen mittlerweile den Erfolg von Serious Games: Hiernach sind Spiele und virtuelle Umgebungen wirkungsvolle Mittel, um den Lernrhythmus zu fördern – der Lernende wird stärker herausgefordert als beim herkömmlichen Lernen. Anhand von „Re-Mission“, ein 3D-Spiel, das zur Behandlung krebskranker Kinder entwickelt wurde, zeichneten sich schnell therapeutische Erfolge ab. Die Kinder hatten das Gefühl, selbst etwas gegen ihre Krankheit unternehmen zu können – ein psychologischer Aspekt, der Selbstheilungskräfte in Gang setzte und die Genesung beschleunigte. Dieser Effekt lässt sich auch positiv auf Unternehmen anwenden.

Wenn Mitarbeiter gerne lernen, merken sie sich das erworbene Wissen in jedem Fall besser. Es muss also nicht ständig nachgelernt und damit nachgeschult werden. Gewisse Gesetzmäßigkeiten der realen Welt können erprobt und im besten Fall später genutzt werden. Ungestraft kann der Spieler hier Fehler begehen, die im wirklichen Leben schlimme Folgen haben könnten. Das Spiel „Emergency“ von Rondomedia gibt zum Beispiel Raum, den Einsatz von Rettungskräften in Katastrophensituationen zu simulieren. Der Waswäre- wenn-Faktor ist auch bei prozessorientierten Planspielen von großer Bedeutung. Betriebswirtschaftliche Games bringen zum Beispiel Schülern die ökonomischen Zusammenhänge des Alltagslebens nahe. Ein Strategiespiel für die Altenpflege-Ausbildung unterstützt die Lerner etwa bei der Koordination bestimmter Pflegemaßnahmen und Personalplanungen – und gibt anschließend Rückmeldung, ob sich die Pflegequalität verbessert hat. Serious Games können vieles vermitteln, aber nicht alles: Unternehmen sollten sich zunächst die Frage stellen, ob Weiterbildung in einem virtuellen Umfeld für ihren Arbeitsbereich in Frage kommt. So hat ein Chirurg beispielsweise die Möglichkeit, an einer virtuellen Puppe zu lernen, wo Magen und Herz liegen, das Operieren kann er aber letztlich nur am Objekt üben. Geht es darum, die Hand-Augen-Koordination zu trainieren, eignen sich Spiele wie das beliebte „Moorhuhn“ ganz hervorragend – ein Szenario, das vom Spieler nichts anderes verlangt, als in kürzester Zeit eine bestimmte Interaktionsfrequenz zu erreichen. Social Skills wie Einfühlungsvermögen oder Menschenkenntnis lassen sich hingegen schlecht am Rechner lernen. Hier stößt die Computertechnologie an ihre Grenzen. Trotzdem bleiben vielfältige Anwendungsgebiete von Serious Games – und sind damit nicht nur für die Wirtschaft geeignet: Die Spiele lassen sich problemlos auch in der schulischen und universitären Bildung, in Politik, Gesundheit, Medizin oder zur Vermittlung ethischer Werte einsetzen.

Weil die Möglichkeiten von Serious Games für die Personalentwicklung sehr vielfältig sind, ist es wichtig, sich gut beraten zu lassen. Die Lerninhalte etwa müssen so gut in das Spiel integriert sein, dass der Lernende gar nicht merkt, dass er lernt. Ein Berater aus dem didaktischen Bereich kann genau erkennen und entscheiden, welches Spielprinzip sich für die jeweilige Form der Wissensvermittlung eignet. Die Spiele müssen überdies qualitativ hochwertig entwickelt sein – technische, grafische und akustische Funktionen sollten sich mit den Standards von kommerziellen Unterhaltungsspielen messen können. Und natürlich muss auch die Storyline überzeugen: Eine packende Geschichte ist wichtig, damit der Spieler das Spiel mehr als einmal spielen möchte.

Natürlich stellt die Produktion eigener Lernspiele für Unternehmen eine Investition dar. Doch ein gutes Spiel muss nicht immer teuer sein: In Deutschland haben sich mittlerweile eine ganze Reihe Firmen auf Serious Games spezialisiert. Nach der Vorlage eines gut gemachten Unterhaltungsspiels entwickeln sie auf das Unternehmen zugeschnittene Lernspiele. Um die Kosten gering zu halten, ist es sinnvoll, sich mit anderen Firmen oder Verbänden zusammenzuschließen und gemeinsam ein Programm entwickeln zu lassen. Wenn auch diese Lösung zu kostspielig ist, besteht alternativ die Möglichkeit, die Lizenz eines bereits entwickelten Games zu erwerben.

Fünf Schritte zum erfolgreichen Lernspiel
  1. Prüfen Sie, ob die gewünschten Lerninhalte über Computer vermittelbar sind: Führungsqualitäten lassen sich schlecht am Rechner lernen.
  2. Ziehen Sie einen Berater aus dem didaktischen Bereich hinzu um sicherzustellen, dass die Lerninhalte sinnvoll transportiert und mit den geeigneten Spielherausforderungen abgestimmt werden.
  3. Arbeiten Sie mit erfahrenen Entwicklungsfirmen, wenn Sie ein individuell zugeschnittenes Spiel entwickeln lassen möchten. Schließen Sie sich für eine kostengünstigere Alternative mit Firmen und Verbänden Ihrer Branche zusammen.
  4. Achten Sie auf qualitativ hochwertige Ergebnisse: Technische, grafische und akustische Funktionalitäten sollten mit kommerziellen Unterhaltungsspielen mithalten können.
  5. Das Spiel muss Spaß machen. Machen Sie den Selbsttest!

Quelle: PERSONAL – Heft 02/2009