Problempunkt

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Foto von Ali Yahya

Die Parteien stritten über die Höhe einer Sozialplanabfindung. Der 1945 geborene und schwerbehinderte Kläger war seit dem 1.10.1979 bei der Beklagten beschäftigt. Diese schloss am 16.12.2004 mit dem Betriebsrat einen Rahmensozialplan für künftige Betriebsänderungen. Danach berechnet sich die Regelabfindung nach der Formel: Betriebszugehörigkeit x (Alters)Faktor x Monatseinkommen. Schwerbehinderte erhalten einen Pauschalzuschlag von 4.000 Euro. Rentennahe Arbeitnehmer, die im Anschluss an das Arbeitslosengeld einen Anspruch auf Altersrente haben, bekommen dagegen nur 50 % der Regelabfindung und zum Ausgleich für die Rentenkürzung 160 Euro für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente. Mitarbeiter, denen unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Altersrente zusteht, erhalten lediglich für jeden Verkürzungsmonat 160 Euro, höchstens jedoch 9.600 Euro (brutto).

Nachdem die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25.5.2005 zum 31.12.2005 gekündigt hatte, bezog er vom 2.1.2006 bis 31.7.2006 Arbeitslosengeld. Die Agentur für Arbeit hob die Bewilligung jedoch mit Bescheid vom 3.8.2006 mit der Begründung auf, der Kläger sei seiner Verpflichtung, Rente nach § 428 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zu beantragen, nicht im erforderlichen Umfang nachgekommen. Ab dem 1.8.2006 machte der Kläger von der Möglichkeit Gebrauch, als Schwerbehinderter vorzeitig Altersrente mit einem Abschlag von 7,5 % in Anspruch zu nehmen.

Die Beklagte berechnete die Abfindung des Klägers nach der Regelung für Mitarbeiter, denen unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Altersrente zusteht. Der Kläger verlangte jedoch die Differenz bis zur Regelabfindung. Er begründete dies mit einer unangemessenen Benachteiligung älterer und schwerbehinderter Arbeitnehmer. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht (LAG) wiesen die Klage ab.

Auch die Revision war nicht von Erfolg gekrönt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hielt die Regelung im Sozialplan, rentenberechtigten Arbeitnehmern weniger Abfindung zu zahlen, für wirksam.

Der Kläger war zwar im Anschluss an die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses arbeitslos. Trotzdem unterfiel er nicht der Fallgruppe der Arbeitslosengeldbezieher. Im Rahmen einer Auslegung kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Sozialplan ausschließlich auf einen Anspruch auf vorgezogene Altersrente und nicht deren tatsächlichen Bezug abstellt. Ein dahingehender Anspruch stand dem schwerbehinderten Kläger mit Vollendung seines 60. Lebensjahrs und damit ab dem 1.12.2005 zu. Dass er hiervon keinen Gebrauch gemacht hatte, war irrelevant.

Die vorgenommenen Differenzierungen und Gruppenbildungen hielten auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck eines Sozialplans der Rechtmäßigkeitsüberprüfung stand. Sozialpläne sollen gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) wirtschaftliche Nachteile ausgleichen oder mildern, die Arbeitnehmern infolge von Betriebsänderungen entstehen. Sie haben eine zukunftsgerichtete Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Dies eröffnet den Betriebsparteien Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume, die es zulassen, Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen. Demgemäß dürfen die Betriebsparteien in Sozialplänen für rentennahe Arbeitnehmer, die Anspruch auf vorgezogene Altersrente – mit oder ohne Abschläge – haben, geringere oder auch keine Abfindungsansprüche vorsehen. Ansprüche auf eine vorgezogene Altersrente knüpfen zwar regelmäßig an ein bestimmtes Lebensalter, das Geschlecht oder eine Schwerbehinderung an. Trotzdem haben die Betriebsparteien dadurch weder den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch das Verbot, Personen wegen eines dieser Merkmale zu benachteiligen, verletzt.

Konsequenzen

Sozialpläne unterliegen der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Sie sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht zu vereinbaren sind, insbesondere mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und ausdrücklichen Diskriminierungsverboten. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich maßgeblich nach ihrem Sinn und Zweck. Nach Auffassung des BAG stellt eine Sozialplanabfindung kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar. Vielmehr soll sie die künftigen Nachteile ausgleichen, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können. Aus der zukunftsgerichteten Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion folgen weite Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume der Betriebsparteien. Dabei bezieht sich der Beurteilungsspielraum auf die Einschätzung der wirtschaftlichen Folgen für die Arbeitnehmer. Der Gestaltungsspielraum betrifft die Frage, ob, in welchem Umfang und wie die Betriebsparteien die prognostizierten wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen oder abmildern wollen.

Dem Ermessensspielraum setzen allerdings der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und die Diskriminierungsverbote Grenzen. Zum einen ist es unzulässig, Personen bei vergleichbaren Sachverhalten ungleich zu behandeln und gleichheitswidrige Gruppen zu bilden. Maßgeblicher Sachgrund für eine Gruppenbildung ist vor allem der Zweck, den die Regelung verfolgt. Gruppenbildungen in Sozialplänen müssen sich also an den wirtschaftlichen Nachteilen orientieren, die die Sozialplanleistungen abmildern oder ausgleichen sollen.

Zum anderen verbieten Diskriminierungsverbote Differenzierungen, die – unmittelbar oder mittelbar – an bestimmte Merkmale wie Geschlecht, Behinderung, Alter anknüpfen.

Auch wenn eine Sozialplanregelung, die gesetzliche Rentenansprüche mit berücksichtigt, mittelbar an das Alter und /oder eine Schwerbehinderung anknüpft, ist dies nicht zu beanstanden. Die Ungleichbehandlung ist regelmäßig sachlich gerechtfertigt. Sie beruht auf der typisierenden Einschätzung, dass den Arbeitnehmern, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf vorgezogene Altersrente haben, geringere wirtschaftliche Nachteile drohen als den Mitarbeitern, denen ein solcher Anspruch nicht zusteht.

Praxistipp

Das BAG hält eindeutig an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Danach ist es nicht zu beanstanden, wenn die Betriebsparteien in einem Sozialplan die Leistungen an Arbeitnehmer, die vorgezogenes Altersruhegeld in Anspruch nehmen können, reduzieren oder gar völlig ausschließen. Dabei gibt das Gericht mit dem Hinweis auf § 10 Satz 3 Nr. 6 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) deutlich zu erkennen, dass es auch unter der Geltung des AGG von diesen Grundsätzen nicht abweichen wird. Dies bedeutet für die Praxis, dass die Betriebsparteien – nunmehr auf gesicherter Basis – wie bisher Sozialplanregelungen vereinbaren können, die an den Bezug eines vorgezogenen Altersruhegelds oder die Möglichkeit hierzu anknüpfen.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi – 6/09