Problempunkt

person sitting beside table
Foto von Ant Rozetsky

Der Kläger war als Grafikdesigner bei der Beklagten, einem Betrieb für Unternehmens- und Finanzkommunikation, beschäftigt. Nach einem erheblichen Umsatzrückgang entschloss sich die Beklagte, den Betrieb erheblich zu verkleinern. Dabei wollte sie im Bereich Grafikdesign fünf von elf Mitarbeitern entlassen. Zur Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer bildete sie drei Altersgruppen (30 bis 40 Jahre, 41 bis 50 Jahre, 51 bis 60 Jahre). Um die bisherige Altersstruktur zu erhalten bzw. eine Überalterung im Grafikbereich zu vermeiden, kündigte die Beklagte aus jeder Altersgruppe zwei bzw. einem Beschäftigten. Das Punkteschema sah für jedes Lebens- und Beschäftigungsjahr jeweils einen Punkt, für die Unterhaltspflicht gegenüber Ehepartnern vier Punkte und gegenüber unterhaltsberechtigten Kindern zwei Punkte vor. Der Kläger befand sich zusammen mit einer weiteren Mitarbeiterin in der Gruppe der 51 bis 60-Jährigen. Er erhielt nach der durchgeführten Punkteverteilung 85 Sozialpunkte, die Kollegin 84. In der Gruppe der 51 bis 60-Jährigen kündigte die Beklagte allein das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger. In den anderen Altersgruppen wurden zudem Arbeitnehmer weiterbeschäftigt, die weniger Sozialpunkte als er erhalten hatten. Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt. Das LAG Köln wies sie ab.

Entscheidung

Das BAG bestätigte die Entscheidung des LAG und wies die Klage ab. Es stellte zunächst fest, dass die Kündigung des Klägers durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt war. Die Beklagte hat zudem bei der durchgeführten Sozialauswahl die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten ausreichend berücksichtigt. Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) liegt damit nicht vor.

Auch die Bildung von Altersgruppen änderte nichts daran, dass die Sozialauswahl zutreffend war. Das BAG ließ zwar ausdrücklich offen, ob das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet, Altersgruppen zu bilden und das Lebensalter bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen (es bezeichnete dies als „zweifelhaft“). Die Richter verwiesen aber ausdrücklich darauf, dass das Europarecht Regelungen, die an das Lebensalter anknüpfen, nicht im Wege steht, solange sie durch legitime Ziele im Einzelfall gerechtfertigt sind. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), auf die das BAG ausdrücklich verweist (vgl. EuGH, Urt. v. 22.11.2005 – C-144/04, AuA 2/06, S. 115 f.). Ein legitimes Ziel sah es vorliegend darin, die bisherige Personalstruktur zu sichern und dadurch zu verhindern, dass der Bereich der Grafikdesigner überaltert. Zudem relativieren die Altersgruppen auch die überschießenden Tendenzen bei der Bewertung des Lebensalters und wirken damit entgegen, dass jüngere Beschäftigte übermäßig belastet werden.

Da die Sozialauswahl nach Altersgruppen nicht zu beanstanden war, war es nach dem BAG auch vertretbar, dem Kläger (85 Sozialpunkte) und nicht der anderen Mitarbeiterin in seiner Altersgruppe (84 Sozialpunkte) zu kündigen. Die Beklagte hat die Auswahlkriterien insoweit zumindest ausreichend berücksichtigt.

Konsequenzen

Mit dem Urteil setzt das BAG seine Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit von Punkteschemata und Altersgruppenbildung im Rahmen der Sozialauswahl konsequent fort (vgl. BAG, Urt. v. 9.11.2006 – 2 AZR 509/05; BAG, Urt. v. 18.1.1990 –2 AZR 357/89). Altersgruppen zu bilden und Sozialpunkte nach dem Lebensalter zuzuteilen ist auch nach Inkrafttreten des AGG als zulässig anzusehen. Das BAG deutete dies in der vorliegenden Entscheidung nur an. Zwischenzeitlich hat es dies aber auch ausdrücklich in Bezug auf das AGG klargestellt (BAG, Urt. v. 6.11.2008 – 2 AZR 701/07).

Praxistipp

Das Bilden von Altersgruppen und die Zuteilung von Sozialpunkten für das Lebensalter im Rahmen der Sozialauswahl sind unbedenklich, solange der Arbeitgeber hiermit ein legitimes Ziel verfolgt. Dabei muss die Erhaltung der bisherigen Altersstruktur jedenfalls dann als legitim gelten, wenn sie für das Wesen und die Philosophie des Unternehmens entscheidend ist.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi – 2/09