Handwerkszeug: Regionale Tools, Plattformen und Methoden
Dazu kommen Tools, Plattformen und Methoden, die in anderen Ländern für das Sourcing sehr gut funktionieren, jedoch für den österreichischen Markt unzweckmäßig sind. Österreich als relativ kleines Zielland wird von zahlreichen Anbietern von Sourcing-Lösungen bei Implementierung von Features und Suchmöglichkeiten oftmals „übersehen“ und der Rollout von neuen Technologien erreicht aufgrund der Marktrelevanz und -größe erst verspätet Österreich. Das kann zum Beispiel dazu führen, dass nicht alle Funktionalitäten, die es für die Nachbarländer gibt, für Österreich zur Verfügung stehen. Eine Herausforderung stellt zum Beispiel die Orts-Suche in LinkedIn dar. Während in Deutschland bereits sehr viele große Städte indiziert, sprich bei der Kandidaten-Abfrage auswählbar sind, ist für Österreich lediglich Wien als Ort hinterlegt. Somit ist es mehr als aufwändig, auf dieser Plattform nach Kandidaten aus anderen Städten und Regionen in Österreich zu suchen. Laut LinkedIn werden erst (langsam) nach und nach weitere Städte in die Auswahl aufgenommen werden. Ähnliches gilt für diverse Apps mit deren Hilfe man zum Beispiel öffentlich zugängliche private Mail-Adressen oder weitere Kontaktdaten von Personen recherchieren kann; auch diese bringen aufgrund nicht passender Schnittstellen für Österreich wenig relevante Ergebnisse.
Die trennende Sprache: Begriffsunterschiede beachten
Dem Kabarettist Karl Farkas wird folgendes Zitat zugeschrieben „Was die Österreicher und die Deutschen trennt, ist ihre gemeinsame Sprache“. Es steckt ein kleines Körnchen Wahrheit dahinter – zumindest für das Active Sourcing können wir das bestätigen.
Jede DACH-Region hat beispielsweise unterschiedliche Ausbildungs- und Berufsbezeichnungen, die beim Sourcing zu berücksichtigen sind. So bezeichnen sich in HR-Experten Österreich häufig als „Personalisten“, während in Deutschland nur „Personaler“ zu finden sind. Der österreichische „Maschinen- und Fertigungstechniker“ heißt in Deutschland „Maschinenbaumechaniker“ Und auch bei den Ausbildungen gilt es aufzupassen: Während man in Österreich und der Schweiz von der „Lehre“ spricht, ist in Deutschland der Begriff „Ausbildung“ geläufiger. Wer falsche Begriffe verwendet, wird somit magere Ergebnisse erzielen.
Eine weitere Besonderheit: Wenn Unternehmen beim Sourcing nach bestimmten akademischen Graden suchen, haben sie in Österreich gute Chancen. Denn im Gegensatz zu den Deutschen legen wir Österreicher sehr viel Wert auf Titel und führen diese mit korrekter Schreibweise gerne bei jeder Gelegenheit an – natürlich auch in den sozialen Medien.
Mobilität: Kulturelle und geografische Besonderheiten
Dazu kommen kulturelle Prägungen und geografische Besonderheiten, die sich auf das Kandidatenverhalten auswirken. So fühlen sich österreichische Kandidaten häufig ihrem Wohnort sehr verbunden und sind seltener bereit, für eine neue berufliche Herausforderung ihren Lebensmittelpunkt zu verlegen oder weite Strecken zu pendeln. Zudem ist aufgrund der umfangreichen Job-Möglichkeiten in den Ballungszentren bei Kandidaten aus dem urbanen Bereich die Mobilität deutlich geringer als aus dem ländlichen Bereich.
Fürs Active Sourcing bedeuten diese Besonderheiten ein „kreativeres“ Herangehen bei der Festlegung der Suchstrategie. Befindet sich beispielsweise der Sitz des Auftraggebers entlang der österreichischen Hauptverkehrsverbindungen (Autobahn, Zug), so empfiehlt sich, im Umkreis dieser Strecke nach interessanten Kandidaten umzusehen. Die Bereitschaft zur Mobilität ist aufgrund der sehr guten Verkehrsanbindung höher – gerade bei der Bahnverbindung Wien-Salzburg haben sich die Fahrtzeiten deutlich reduziert, so dass auch größere Entfernungen relativ komfortabel überwunden werden können.
Auch ein Blick auf den bisherigen Berufs- und Ausbildungsweg lohnt sich: Gibt es aufgrund des bisherigen beruflichen Werdegangs Anzeichen einer größeren Mobilität (beispielsweise Dienstorte in unterschiedlichen Regionen/Bundesländern) oder hat die Person bereits einen Bezug zum zukünftigen Arbeitsort, da sie dort eine Ausbildung/Studium absolviert hat – und würde sie eventuell wieder gerne in die Heimat zurückkehren? Bei entsprechend (gehaltlich) attraktiven Positionen ist es ratsam, den Suchradius insgesamt auszudehnen und sich nicht so sehr regional zu beschränken, um so auch Personen anzusprechen, die möglicherweise übersiedlungsbereit sind.
Mit dem richtigen Sourcing-Workflow zum Erfolg
Profi-Sourcer haben für ihre Projekte zudem einen effizienten, gezielten Workflow, der sich in folgende Phasen gliedert:
• VORBEREITEN
• FINDEN / IDENTIFIZIEREN
• KONTAKTAUFNEHMEN
Damit unterscheiden sie sich von den Do-It-Yourself-Sourcern, die oftmals blind den vorgegebenen Suchalgorithmen und der Suchmaske vertrauen. Sie finden nur zufällig qualitativ gute Kandidaten-Profile, weil sie nicht gelernt haben, Suchmaschinen gezielt zu steuern. Anhand des 4-stufigen-Workflows kristallisieren sich ganz deutlich für Österreich gewisse Sourcing-Spezifikas heraus:
1. VORBEREITEN
Um und Auf ist die gründliche Vorbereitung. Wie bereits erwähnt, hat Intuition beim Active Sourcing nichts verloren. Einen Überblick über die gezielte Vorbereitung bietet die nebenstehende Abbildung.
2. FINDEN / IDENTIFIZIEREN
Einige besonders viel versprechende Sourcing-Quellen helfen in Österreich dabei, passende Kandidaten zu identifizieren.
► Bewerberdatenbank von karriere.at: Österreichs größte Jobplattform besitzt mit der „talent.cloud“ die umfangreichste Bewerberdatenbank des Landes mit mehr als 60.000 Profilen aus ganz Österreich. Die Suchmaske ist übersichtlich aufgebaut, so dass auch Sourcing-Beginner sehr rasch zu guten Ergebnissen kommen. Die „talent.cloud“ ist für viele zu Recht die klare Nummer 1 unter den Sourcing-Plattformen in Österreich – vielleicht ein Ansporn für Business-Netzwerke wie Xing und LinkedIn, den österreichischen Markt intensiver zu bearbeiten. Plattformen wie Monster und StepStone bieten ebenfalls Bewerberdatenbanken an, wobei diese über deutlich weniger Profile (rund 30.000 bei StepStone beziehungsweise circa 17.000 Profile bei Monster) verfügen und zudem die meisten Kandidaten aus Ost-Österreich stammen. Der Vorteil von Bewerberdatenbanken ist, dass diese Personen aktiv nach neuen beruflichen Herausforderungen suchen und somit aufgeschlossen gegenüber Job-Angeboten sind.
► Business-Plattformen: Xing und LinkedIn sind die wichtigsten Business-Plattformen für die DACH-Region. Xing ist die größte Business-Plattform im deutschsprachigen Raum mit mehr als elf Millionen Mitgliedern. Bereits mit den relativ günstigen Premium-Accounts lassen sich gute Sourcing-Erfolge erzielen. Für Power-User oder Recruiting-/Sourcing-Teams führt aber kein Weg an den speziellen Recruiter-Lösungen vorbei – Xings „TalentManager“ beziehungsweise LinkedIns „Recruiter“. Beide Lösungen bieten neben der verbesserten Zusammenarbeit im Team zahlreiche zusätzliche Features an wie unbegrenzten Zugang zu allen Mitgliederprofilen, zusätzliche Suchfilter, Speicherung von Suchanfragen und viele mehr.
► Spezialforen: Diese eignen sich gut, um Kandidaten mit speziellen Fach- oder Branchenkenntnissen zu sourcen. Für die Suche nach IT-Spezialisten sind Plattformen wie Stack Overflow oder GitHub zu empfehlen, wobei man beim Sourcing eine andere Herangehensweise wählen muss, da die User kaum ihren aktuellen Job angegeben. Über die Suche nach gewünschten Skills (zum Beispiel Programmiersprachen) lassen sich aber sehr effektiv interessante Profile recherchieren.
► Talentsuchmaschinen: Diese „durchforsten“ automatisiert soziale Netzwerke weltweit und führen alle öffentlich verfügbaren Informationen zu Personen zentral zusammen. Recruiter können so mit einer einzigen Suchanfrage mehre Portale gleichzeitig durchsuchen. Zudem geben manche Suchmaschinen Informationen zur Wechselbereitschaft der Personen (talentwunder) oder zeigen, über welche Social- Media-Plattform der Suchende die Zielperson am besten erreichen kann (Dice Open Web). Um diese Personen letztendlich kontaktieren zu können, ist ein Account der entsprechenden Netzwerke erforderlich.
3. KONTAKTAUFNAHME
Die Ansprache der Kandidaten stellt mit Sicherheit die kritischste Phase im Active-Sourcing-Prozess dar. Das Sourcen auf den unterschiedlichsten Plattformen lässt sich lernen. Nichts ist jedoch schwieriger als die erfolgreiche Ansprache der Kandidaten. Dazu braucht es viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Jeder Kandidat tickt anders und erstklassige Sourcer wissen, mit welchen Worten sie das Interesse verschiedener Personen am besten wecken.
Bei der Ansprache österreichischer Kandidaten ist es wichtig, zu allererst eine gute Gesprächsatmosphäre zu schaffen. Das bedeutet für die erste Kontaktaufnahme, nicht gleich „mit der Tür ins Haus zu fallen“ („Haben Sie Interesse an einem interessanten Karriereangebot?“), sondern vielmehr unverbindlich zu agieren. Wichtig ist es genügend Zeit für die Kommunikation einzuplanen und keinen Druck auszuüben. Rechnen Sie mit unverbindlichen Antworten – der Österreicher möchte sich nicht gleich zu Anfang konkret festlegen, sondern die Möglichkeiten ausloten. Mit Charme und einer großer Portion Hartnäckigkeit erreichen Sie die besten Resultate. Im Unterschied zu deutschen Kandidaten legen wir Österreicher viel Wert auf unsere akademischen Titel – und möchten gerne mit diesen angesprochen werden.
Für alle Ansprachen gilt – es geht um Recherche, Individualität und den Aufbau einer Beziehung: Man muss sich mit dem Kandidaten, seinem Profil und den darin aufgelisteten Informationen VOR der Ansprache intensiv auseinandersetzen!
Fazit: Gießkannen- Prinzip ist fatal
Erfolgreiches Active Sourcing in Österreich beginnt mit dem Wissen um den Arbeits- und Bewerbermarkt, um darauf aufbauend Tools, Methoden und Prozesse so einzusetzen, dass sie den spezifischen Bedürfnissen der österreichischen Kandidaten entgegenkommen. Ein Agieren nach dem Gießkannen-Prinzip ist in Österreich fatal und keinesfalls zielführend – nur mit umfassendem Know-how, Neugier, Hausverstand und Fingerspitzengefühl gelingt „Active Sourcing in Rot-Weiß-Rot“!