Christian Keller, Inhaber der Digitalagentur Kellerdigital hilft Unternehmen im Handwerk dabei, neue Mitarbeiter zu rekrutieren. Allerdings nicht über Jobportale oder Anzeigen im Internet oder den Printmedien, sondern über Social Recruiting. Wie er dabei vorgeht und wie viele potenzielle Bewerber er durch seine gezielten Strategien anspricht, hat er HRM verraten.

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Foto von LinkedIn Sales Navigator by unsplash

Social Recruiting: Mittel gegen den Fachkräftemangel

Von klassischen Stellenanzeigen hält Christian Keller wenig. Der Grund: Handwerker, die aktuell noch nicht auf Jobsuche sind, erreicht man damit nicht. Klar, denn durch Stellenanzeigen klickt sich eben nur derjenige, der auf Jobsuche ist. Noch dazu gibt es wenig Jobportale, die sich auf Handwerker spezialisiert haben, wie zum Beispiel Handwerkerjobs.de. Daher kann es für Betriebe sinnvoll sein, neben einer Stellenanzeige verstärkt Social Recruiting zu betreiben. 

Dabei werden diejenigen Handwerker ganz gezielt auf Facebook, LinkedIn oder anderen sozialen Netzwerken angesprochen, die sich für einen neuen Job interessieren könnten. Allerdings nicht bloß durch eine Stellenanzeige, sondern durch geschickte Anzeigen (Ads) und ausgeklügeltes Targeting – so nennt man es, wenn man Personen gezielt in den sozialen Medien anspricht und ihnen individualisierte Anzeigen zeigt. 

Dieses Prinzip, das eigentlich aus der Werbung stammt, nutzt Keller zur Mitarbeitergewinnung. Er wendet sich damit an diejenigen Handwerker, die zwar noch nicht direkt einen neuen Arbeitgeber suchen, einer neuen Stelle aber auch nicht ganz abgeneigt sind. Seiner Einschätzung nach sind das 70 bis 80 Prozent der Belegschaft in einem durchschnittlichen Betrieb. Mit seiner Methode verspricht er, zumindest einen Teil dieser Gruppe zu erreichen. „Der Fachkräftemangel, der häufig proklamiert wird, existiert in dieser Form nicht. Die Einschätzung kommt daher, dass die Betriebe über Jahrzehnte hinweg verwöhnt waren“, so Keller. Heute sei es zwar nicht mehr so leicht, einen guten Mitarbeiter zu finden, wer aktiv werde, bekomme aber trotzdem Bewerbungen – und zwar qualifizierte. 

Mit passender Ansprache die richtigen Bewerber finden

Mit Targeting und anderen digitalen Methoden ist es aber noch nicht getan. Auch der Handwerksbetrieb ist in der Pflicht. Bevor die Kampagne in den sozialen Medien laufen kann, erarbeitet Keller mit seinem Kunden ein individuelles Profil: Was macht die Firma aus, was unterscheidet sie von der Konkurrenz, warum sollten neue Mitarbeiter gerade dort anfangen und sich nicht bei einer anderen Firma bewerben? „Nur weil man den Lohn pünktlich zahlt wird man noch nicht direkt zu einem tollen Arbeitgeber. Dazu gehört mehr – und ob der Betrieb auch wirklich mehr zu bieten hat, erörtern wir in einem ersten Beratungsgespräch.“ Kommt Keller zu dem Ergebnis, dass das Handwerksunternehmen sich wenig oder gar nicht von der Konkurrenz abhebt, lehnt er den Auftrag ab. Denn Social Recruiting funktioniert eben nur, wenn der Arbeitgeber attraktiv für Bewerber ist und mit klaren Vorzügen werben kann. 

Arbeitgeber muss klares Profil haben

Damit die Anzeigen in den sozialen Medien erfolgreich laufen kann, muss der Arbeitgeber ein klares Profil haben. Meist erarbeitet Keller dazu mit seinem Auftraggeber fünf bis sechs Kernelemente, die in den Ads hervorgehoben werden. Außerdem suchen Keller und der Handwerksbetrieb Mitarbeiter aus, die etwas über die Stimmung in der Firma erzählen können und mit einem kurzen Statement in der Kampagne vertreten sind.

In diesem Prozess legt Keller gemeinsam mit dem suchenden Handwerksbetrieb auch das Profil des „Wunschgesellen“ an. Nur so können Arbeitnehmer, die auf die Stelle passen könnten, gezielt angesprochen werden.

Social Recruiting-Prozess muss kurz sein

Wir erinnern uns: Keller spricht mit seinem Marketing Arbeitnehmer an, die noch nicht aktiv auf Jobsuche sind, auf der anderen Seite aber auch nicht ganz glücklich bei ihrem aktuellen Arbeitgeber sind. Gerade für diese Arbeitnehmer muss der Bewerbungsprozess möglichst kurz und niedrigschwellig sein.

Keller startet damit, dass er in der ersten Anzeige nur ganz wenige, ausgewählte Infos zum Betrieb zeigt, die natürlich durchweg positiv sind. Dank Tracking kann der Nutzer der sozialen Medien, der sich für die erste Anzeige interessiert hat, immer wieder gezielt angesprochen werden. „Das Tracking kann man mit Angeboten von Amazon vergleichen. Wenn ich auf der Website des Onlinehändlers ein Paar Schuhe anklicke, werden diese Schuhe mir auch in den sozialen Netzwerken gezeigt. Im Idealfall für den Händler klicke ich irgendwann auf das Angebot und kaufe die Schuhe“, erklärt Keller das Vorgehen.

Analog geht er bei seinen Anzeigen vor. Er schafft dazu Landingpages, also Webseiten, auf denen der Besucher als erstes landet, die den Arbeitgeber immer ein wenig anders, aber durchgehend interessant und positiv darstellen. Die Landingpages sind dabei individuell auf den jeweiligen potenziellen Bewerber abgestimmt. „Nach zwei bis drei Impulsen bewirbt sich der Arbeitnehmer in der Regel. Der sich anschließende Bewerbungsprozess ist möglichst simpel gestaltet. Wir haben dazu einen speziellen Online-Qualifizierungsprozess geschaffen“, führt Keller aus. In diesem Prozess muss der Interessent lediglich drei bis sechs kurze Fragen beantworten, bevor der Kontakt an den Handwerksbetrieb weitergeleitet wird und es zu einem persönlichen Gespräch kommt. 

„Dieses persönliche Gespräch ist wichtig und sollte so schnell wie möglich kommen. Denn Handwerker sind näher an ihrem Chef dran als Mitarbeiter anderer Branchen“, erklärt Keller den weiteren Ablauf. Nach dem persönlichen Gespräch vereinbaren Kandidat und Unternehmen – wenn es auf beiden Seiten passt – einen Probearbeitstag. „Denn ob der Handwerker das kann, was er verspricht,“ so Keller, „kann er besser zeigen als erklären.“

Social Recruiting: Ein Weg für viele Handwerksbetriebe?

Christian Keller ist davon überzeugt, dass sein Weg der richtige ist. Bis jetzt hat er 170 Projekte erfolgreich abgeschlossen und dabei jeweils 12 bis 17 qualifizierte Bewerber präsentiert. Spezialisiert auf das Handwerk hat sich Keller, der schon während seiner Schulzeit die Onlinemarketing-Agentur gründete, vor zweieinhalb Jahren. Warum er gerade mit Handwerker gut zusammenarbeitet, weiß er auch:„Ich bin schon mein halbes Leben selbstständig und kann auch nichts anderes. Das verstehen Inhaber vorn Handwerksbetrieben nur zu gut, so haben wir sofort eine gemeinsame Basis, auf der wir erfolgreich zusammenarbeiten können.“