Insgesamt ist die massive Unterrepräsentanz von Frauen in den Spitzengremien der großen Unternehmen in Deutschland seit Jahren unverändert. Soll der Anteil von Frauen in den Top-Gremien in absehbarer Zeit signifikant steigen, sind verbindliche Zielgrößen und deren entschlossene Umsetzung in den Unternehmen notwendig – unverbindliche Selbstverpflichtungen haben angesichts der bisherigen Zahlen an Glaubwürdigkeit verloren.

group of people huddling
Foto von Perry Grone

Frauen in Vorständen der Top-200-Unternehmen bleiben die große Ausnahme …

Die Vorstände (einschließlich Geschäftsführungen) der 200 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland (außerhalb des Finanzsektors) waren auch im Jahr 2010 nahezu ausschließlich von Männern besetzt. Von 906 Vorstandsmitgliedern insgesamt sind gerade einmal 29 Frauen, dies entspricht einem Anteil von 3,2 Prozent. In den 100 größten Unternehmen und DAX30-Unternehmen sind Frauen zu 2,2 Prozent in den Vorständen vertreten und haben damit nur elf der 490 Sitze inne.

Ein Vergleich zu 2006 verdeutlicht, dass der Anteil der Männer in Vorständen nur in homöopathischen Dosen abnimmt, sie stellen auch 2010 mit 96,8 Prozent fast alle Posten in diesen Gremien. Dies, obwohl sich die Unternehmen bereits 2001 auf freiwilliger Basis zu einer Stärkung des Anteils von Frauen in Führungspositionen verpflichtet haben.

Besonders eklatant ist die Situation in der Finanzbranche. Während der Finanzkrise gab es viele Umstrukturierungen und Veränderungen in den Führungspositionen. Allerdings wurde diese Situation nicht genutzt, um den Anteil von Frauen in den Top-Etagen zu erhöhen.

Im Finanz- und Versicherungssektor lag der Frauenanteil in den Vorständen von Banken und Sparkassen bei 2,9 Prozent, in den Versicherungen bei 2,5 Prozent – und das obwohl hier insgesamt deutlich mehr Frauen als Männer beschäftigt sind.

… und sind in Aufsichtsräten vor allem aufgrund von Mitbestimmungsregelungen vertreten

Ein ähnliches, wenngleich weniger gravierendes Bild ergibt sich bei den Aufsichtsräten. Der Frauenanteil in den Top-200-Unternehmen liegt bei 10,6 Prozent, er hat sich im Vergleich zum Vorjahr leicht erhöht (+ 0,8 Prozentpunkte). Damit sitzen jetzt 243 Frauen und 2050 Männer in den Aufsichtsgremien. Von allen untersuchten Aufsichtsräten sind hier knapp 30 Prozent ausschließlich von Männern besetzt. Ein Drittel der Unternehmen hatten noch immer keine Frauen im Aufsichtsrat. Hierzu gehören so große Unternehmen wie die Porsche Automobil Holding SE (Rang 7), die E.ON Energy Trading SE (Rang 15) und die Robert Bosch GmbH (Rang 17).

Ein Grund für den im Durchschnitt höheren Frauenanteil in den Aufsichtsräten im Vergleich zu den Vorständen sind die Mitbestimmungsregelungen, die bei großen Unternehmen einen von der Mitarbeiterzahl abhängigen Anteil von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat vorschreiben. Auch 2010 wurden wieder die meisten Frauen von Arbeitnehmervertretungen in die Aufsichtsräte entsandt: Ihr Anteil ist in den Top-100-Unternehmen mit 73,7 Prozent etwas höher als in den Top-200 (71,9 Prozent). Auf Seiten der Kapitalgeber nehmen Frauen ihr Mandat nicht selten aufgrund der Zugehörigkeit zur Eigentümerfamilie ein. Von ihnen haben zwei den Aufsichtsratsvorsitz inne: Dr. Simone Bagel-Trah (Henkel KGaA) und Bettina Würth (Würth-Gruppe).

Die Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen: Der „business case“

Zahlreiche internationale Studien weisen mittlerweile auf Korrelationen zwischen Frauenrepräsentanz in der Unternehmensleitung und wirtschaftlichem Erfolg von Unternehmen hin. Dabei geht es etwa um die Eigenkapital- und Anlagenrendite oder auch um Aktienpreis von Unternehmen, der mit der Ernennung einer Frau als Geschäftsführerin steigt. Ein Ergebnis dieser Untersuchungen ist auch, dass die Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten und Vorständen betriebswirtschaftlich für eine effektivere Ausschöpfung der im Unternehmen und auf dem Arbeitsmarkt vorhandenen Potenziale spricht.

Die stärkere Diversifizierung der Führungsgremien sorgt für unterschiedliche Perspektiven und kommt so zu ausgewogeneren Entscheidungen. Schließlich erhöht eine stärkere Repräsentanz von Frauen in Aufsichtsräten auch die Legitimation der Entscheidungen des Gremiums gegenüber der Belegschaft, den Auftraggeberinnen und Auftraggebern, den Investorinnen und Investoren, den Kundinnen und Kunden sowie der Öffentlichkeit. International agierende Unternehmen sind immer stärker gefordert, sich auf der Führungsebene stärker für Frauen zu öffnen, um in der internationalen Geschäftswelt nicht negativ aufzufallen. Beispiele wie die Frauenquote der Deutschen Telekom AG zeigen das Potenzial für Image und Öffentlichkeitswirkung einer an Chancengleichheit orientierten Unternehmenspolitik.

Frauenanteil bei Führungspositionen stagniert

Der Anteil von Frauen in den Spitzengremien der großen Unternehmen bewegt sich immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau. In letzter Zeit war zwar zu hören, die Frauen würden aufholen und zunehmend häufiger in Führungspositionen kommen. Hier ist aber auf Unternehmensgröße und Hierarchieebene zu achten. In der Tat gibt es einen leichten Anstieg des Frauenanteils bei Führungspositionen auf unterer Ebene, teilweise auch auf mittlerer Ebene. Bei den Führungspositionen insgesamt, einschließlich hoch qualifizierter Tätigkeiten, hat das Statistische Bundesamt jedoch auch festgestellt, dass zwischen 1992 und 2009, also innerhalb von 17 Jahren, der Anstieg des Frauenanteils bei nur vier Prozentpunkten lag. (Basierend auf einer anderen Abgrenzung von Führungskräften hat das Statistische Bundesamt kürzlich einen Anstieg um 6 Prozentpunkte zwischen 1996 und 2010 festgestellt.) Außerhalb der Großunternehmen sind anteilig generell etwas mehr Frauen Top-Positionen vertreten (siehe Tabelle).

Die Unternehmen müssen sich also verändern. Die Deutsche Telekom AG hat mit der Einführung einer 30-Prozent-Frauenquote in Führungspositionen des Konzerns sich selbst ein klares Ziel gesteckt. Dahinter steht die Einsicht, dass rein rhetorische Bekenntnisse den Status quo nicht verändern werden und sich ein höherer Frauenanteil in Führungspositionen für das Unternehmen auszahlt. Einige Unternehmen haben ebenfalls Zielkorridore, Zielvereinbarungen oder Targets eingeführt. Doch diese Unternehmen sind immer noch die Ausnahmen.

Fazit

Die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen und die stärkere Einbindung von Frauen in wirtschaftliche Entscheidungsprozesse sind ein schon lange erklärtes Ziel von Wirtschaft, Regierungen, Parteien und Verbänden. Die enttäuschenden Erfahrungen mit diesen freiwilligen Vereinbarung zwischen Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft legen nahe, dass ein höheres Maß an Verbindlichkeit, die Konkretisierung und Messbarkeit von Zielvorgaben sowie ein konsequentes Controlling zur Zielerreichung dringend erforderlich ist, wenn signifikante Fortschritte in einem angemessenen Zeitraum gemacht werden sollen.

Vor dem Hintergrund der ernüchternden Realität in den Führungspositionen nimmt in der Öffentlichkeit die Diskussion um staatliche Regelungen einen immer größeren Raum ein. Auch EU-Justizkommissarin Vivienne Reding und Bundesarbeitsministerin von der Leyen schließen eine Quotenregelung nicht mehr aus. Der Verband der Unternehmerinnen hat sich für eine Frauenquote in den Aufsichtsräten ausgesprochen. Und kürzlich hat Frankreich nach den Aufsichtsräten auch für Vorstände eine Frauenquote von 40 Prozent binnen sechs Jahren eingeführt.

Am besten wäre es, wenn die Betriebe selbstgesetzte Ziele im  Hinblick auf eine deutlich höhere Frauenquote in Top-Positionen möglichst rasch umsetzen würden. Bleiben sie lediglich bei Bekenntnissen, ist es nachvollziehbar, wenn die Politik Rahmenbedingungen vorgibt, die den Prozess der Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen beschleunigt. Eine generelle Frauenquote auf allen Hierarchieebenen für sämtliche Unternehmen ohne Größenbegrenzung wäre sicherlich nicht durchsetzbar und sinnvoll, aber die öffentliche Wirtschaft, also Unternehmen mit Bundes-, Landes- oder Kommunalbeteiligung, könnte zumindest als Vorbild vorausgehen.