Zigeunerbaron 1. Akt, Couplet
Ja, das Schreiben und das Lesen,
Ist nie mein Fach gewesen,
Denn schon von Kindesbeinen
Befasst’ ich mich mit Schweinen,
Auch war ich nie ein Dichter,
Potz Donnerwetter Parapluie!
Nur immer Schweinezüchter,
Poetisch war ich nie!
Ja – Mein idealer Lebenszweck
Ist Borstenvieh, ist Schweinespeck.

man in blue dress shirt sitting on black office rolling chair
Foto von ThisisEngineering RAEng

1. Etwa so mögen viele denken, die sich unerwartet ins kalte Wasser geworfen sehen und einen Text verfassen müssen. Immerhin hat der Schweinezüchter Kálmán Zsupán aus der Operette Zigeunerbaron seinen idealen Lebenszweck bereits gefunden, so dass er keine Ambitionen nach schriftstellerischem Höhenflug mehr verspürt. Leider befinden wir uns nicht in dieser komfortablen Lage, wie der Schweinezüchter.
Wir leben (noch) im Zeitalter analog raschelnden Papiers. Es wird geschrieben. Tagaus, tagein. Im Geschäftskontext mehr denn je. Das Papier ist weiterhin geduldig. Man träumt vom papierlosen Büro, doch scheint sich dieser Traum zielstrebig zu einem Albtraum auszuwachsen: e-mail-Fluten, Spams, Blogs, Memo, Infoschwemmen.

Wir leben aber auch (schon) im Zeitalter fortgeschrittener Digitalisierung. Jeder kann zu jeder Zeit Mediales konsumieren, produzieren und ins Netz stellen. Leser werden zu Usern oder Nutzern. Aber: Glaubwürdiges und Authentisches, oder überhaupt oder einen lesbaren Text im Netz zu finden, wird bei all den Meinungen, Chats und Blogs schwierig. Sehr frei mit Karl Kraus möchte man sagen: „Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken“. „Blogorrhoe“ heißt ein neues Krankheitsbild in der schönen digitalen Welt. Heilungschancen: gering.

2. Unsere Zeit ist markiert durch Spezialisierung, Automatisierung und Komplexität. Die Fähigkeit, Sachlagen verständlich zu vermitteln, nimmt ab. Wenn jemand verständlich einen Sachverhalt darstellen kann, ist das eine bemerkenswerte Sache. Die Universität Oslo hat zum Beispiel dem Soziologen Thomas H. Eriksen den Preis für die verständliche Vermittlung von Forschungsinhalten verliehen. Offensichtlich sind verständliche Sprache, Ausdruck und Stil in Forschung, Verwaltung und Business seltene Paradiesvögel.

3. Im Geschäftsleben ist die schriftliche Kommunikation ein wichtiges Instrument der Ablaufsteuerung. Aber: Kaum ein Bereich im Unternehmen ist bisher von Modernisierungs- und Umstrukturierungsprozessen so unberührt geblieben wie der Schriftverkehr. So werden mit den modernsten Kommunikationstechniken immer noch die gleichen alten und oft auch verstaubten Texte erstellt. Die meisten Unternehmer haben keine Ahnung, dass die Ursache für Ihre fehlenden Umsätze ihre wirkungslosen Werbebotschaften sind!

4. Es braucht Zeit, um einen Text zu schreiben. Ernest W.B. Hess-Lüttich, Professor in Bern für Kommunikationswissenschaft meint: „Kommunikation auf die Schnelle, das ist der Kitzel, Dialoge in dosierten Häppchen ist die Devise. Korrekturlesen hält da nur unnötig auf“.
Das deckt sich mit zahlreichen Alltagsbeobachtungen: Oft werden Texte in letzter Sekunde geschrieben. Sie sind dann oft technisch fehlerhaft. Das heißt, sie genügen weder den Regeln der Rechtschreibung noch denen der Grammatik. Fast immer mangelhaft sind diese Schnellschüsse in Sachen Deutlichkeit, Stil und Angemessenheit. Das hat nicht einmal direkt etwas mit den Befähigungen der Verfasser zu tun, sondern mit der nicht zur Verfügung stehenden Zeit.

5. Dies führt dazu, dass sich der Text entweder in unverständlichem Fachchinesisch ergeht oder schönes, aber inhaltsarmes Geschwurbel heraus kommt, wie Wurstbrät aus dem Fleischwolf.
Über Layouts wird ausgiebig diskutiert, an ihnen wird lange gefeilt, da hakt auch schon mal die Geschäftsführung direkt ein (das kennt jeder, der Vorgesetzten eine Präsentation vorlegen musste: am Layout wird gespielt, über Inhalt, Form, Stil, Anspruch bestenfalls noch gerätselt). Geht es um die technische Umsetzung, so gibt es immerhin noch relativ klare Vorstellungen darüber, was für Qualitätsansprüche man möchte. Man hat entsprechend Zeit, man plant, man testet.

Der Text hingegen degeneriert zu reinem Füllstoff. Mit ihm lassen sich vortrefflich die Hohlräume zwischen den Layout-Elementen und Bildern ausstaffieren. Und wie gesagt, zur inhaltlichen Schmalbrüstigkeit der Texte gesellen sich eben noch grammatische und orthographische Absonderlichkeiten, unnötige und unverständliche Phrasendrescherei und das allseits beliebte (Pseudo-) Englisch. Hierzu schreibt die Kommunikationswissenschaftlerin Sabine Brachmann:

„Auf die Frage, welche Aspekte bei der Produktion von E-Mail-Nachrichten am Wichtigsten seien, nannten 49% der Befragten Schnelligkeit, Verständlichkeit, Witzigkeit und Lässigkeit; 39% legen großen Wert auf eine korrekte Rechtschreibung, und für jeweils 29% sind grammatisch korrekte Sätze und eine originelle Ausdrucksweise von Bedeutung. Faktoren wie Seriosität und eine sehr gewählte Ausdrucksweise fallen mit jeweils 3% kaum ins Gewicht. 29% der Befragten gaben an, sich die geschriebene Nachricht vor dem Versenden noch einmal durchzulesen; 45% machen dies vom Adressaten abhängig. Wird ein Text noch einmal einer Kontrolle unterzogen, korrigieren 55% die auftretenden Fehler, 16% tun dies wiederum in Abhängigkeit vom Adressaten.“

Soweit dieses Stimmungsbild.

6. So wenig „Jeder Mensch ein Künstler ist “und aus dem Himmel fällt, so wenig ist ein Mitarbeiter, Kollege, Vorgesetzter ein Schriftsteller, oder weniger ambitioniert, ein Verfasser lesbarer und ansprechender Texte für die Anfragen, die an ihn herangetragen werden. Aus dem Himmel fällt schon gar niemand, wenn er sich Texte genauer anschaut. Bestenfalls aus allen Wolken. Die gute Nachricht hieraus ist, dass niemand zum Texter geboren wird. Texter werden gemacht!
Doch staunt der angehende Texter nicht schlecht, was im „Business-Kontext“ an Texten verfasst wird. Da gibt es unterschiedliche Textsorten, die bedient werden, da gibt es unterschiedliche Texttypen, Adressatenanalysen, es gibt „Headelines“ und „Teaser“ und „Footer“ usw. die eingesetzt werden. In den meisten Fällen geht es darum, dass eine bestimmte Information, von A nach B gebracht werden soll. Wie schon erwähnt, es handelt sich dabei nicht um ein Hexenwerk, sondern immer um die Frucht vernünftiger und überlegter Arbeit: Textarbeit.

7. Texten heißt Schreiben! Menschen schreiben, um sich mitzuteilen, um Informationen auszutauschen. Sie beschreiben, berichten, benachrichtigen, erklären, weisen an usw. Schreiben sie, um z.B. zu verkaufen, dann haben sie ein klares Ziel vor Augen: den Leser dazu zu bringen, dem was sie mitteilen Glauben zu schenken und/oder, im besten Fall, ihr Produkt zu kaufen. Sie wollen ihren Leser mit Worten binden, mitreißen, begeistern. Ihr Text muss den Leser daher am Kragen packen. Dazu ist es nicht ganz unerheblich, etwas über den Leser in Erfahrung zu bringen.

Das bedeutet, eine produkt- und zielgruppenspezifische Sprache zu wählen, um dadurch eine positive Wirkung zu erzielen. Dieses zielgruppengerechte Texten ist eine kolossale Herausforderung für einen Texter: Wer alles wird diesen Text in der Hand halten? Hinzu kommt: Ihre Texte wollen in den verschiedensten Situationen ansprechend wirken. Sie wollen so formuliert sein, dass sie verstanden werden und ihre Wirkung nicht verfehlen.

8. Generell gilt der Grundsatz: Wer verständlich schreiben will, muss vereinfachen. Diese ist unumgänglich, um komplexe Sachverhalte in wenigen Worten nahe zu bringen, und in meinen Augen absolut zulässig, wenn Zusammenhänge und Inhalte durch diese Aufbereitung nicht verfälscht werden. Was soll vereinfacht werden. Zuerst muss ja mal ein Text, eine „Rohmasse“ vorhanden sein.

Das lehrt uns, wie anderes auch, die Geschichte von Pygmalion: Der künstlerisch begabte König Pygmalion von Zypern wendet sich enttäuscht von der Welt der Frauen ab. Er widmet sich fortan nur noch der Bildhauerei. Aus Elfenbein bildet er eine Statue, die in allem einer sehr schönen Frau gleicht. Sie gleicht einer lebendigen Frau so sehr, dass er sich in sie verliebt, und irgendwann den Verstand verliert. Das ist allerdings nicht belegt. Egal wie die Geschichte endet: aus der Sicht der Textprodiktion will zuerst das Elfenbein vorliegen, will etwas da sein, bevor aus dieser „Rohmasse“ dann Stil, Ausdruck, Form, lebendige Textgestalt herausgehoben werden können. Mit wilder Kreativität, die umher fuchtelt aber die Arbeit am Text scheut, hat das nichts zu tun.

9. Aber wer kennt das dann nicht? Man sitzt vor dem berühmten leeren Blatt beziehungsweise Bildschirm und brütet: über einem Text, einem gelungenen Einstieg, einer packenden Überschrift, dem richtigen Satzaufbau, dem passenden Stil usw. Es wird hin und her probiert, gestrichen, ergänzt – bis der Text, der Prospekt oder der Newsletter zu guter Letzt fertig ist. Oder man selber mit den Nerven. Oder beides gleichzeitig.

10. Die Text-Arbeit fängt im Kopf an. Weniger im Bauch, wie viele vermuten. Sich deutlich machen, wem ich was sagen möchte und wozu. Sich mit den Sachverhalten auseinandersetzen, sie durchdenken, problematisieren, sie auf die Adressaten anwenden, deren Reaktion vorwegnehmen und weniger durchgoogeln. Das wäre schon mal ein Anfang für einen brauchbaren Rohstoff. Für diese Arbeit gibt es keine Ausrede, wenn ein brauchbarer Text entstehen soll. Das hat schon der französische Politiker und Philosoph Michel de Montaigne im 16. Jahrhundert gewusst:

„Ich höre einige sich damit entschuldigen, dass sie sich nicht gehörig ausdrücken können, wobei sie merken lassen wollen, als hätten sie den Kopf voll schöner Sachen, die sie aber aus Mangel an Beredsamkeit nicht von sich geben könnten. Das sind Luftstreiche! … Es sind Wolkenbilder, die sie sich von dunkeln Begriffen in den Kopf setzen, die sie nicht in ihrer Seele auseinandersetzen, sich nicht deutlich machen und folglich anderen nicht mitteilen können. Sie verstehen sich selbst noch nicht“.

Wer aber von Borstenvieh und Schweinspeck was versteht, der braucht sich um diese aufreibende Kopfarbeit nicht zu scheren. Glücklicher Kálmán Zsupán.

Zum Thema „Schreiben“ bietet die Integrata AG das Seminar „Business Writing – Professionelle Texterstellung“ an unterschiedlichen Orten an.

Autor: Dr. Armin Kutscher, Friedrich-Dannenmann-Straße 14, 72070 Tübingen
©Armin Kutscher

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