Problempunkt

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Foto von Mimi Thian

Die klagende Arbeitnehmerin verlangt von dem Beklagten die Abgeltung ihres Urlaubs aus den Jahren 2007 bis 2015. In diesem Zeitraum war die Klägerin u. a. aufgrund der Inanspruchnahme von Elternzeit nicht in der Lage, ihren jährlichen Urlaubsanspruch zu nehmen. Nachdem die Klägerin an ihren Arbeitsplatz zurückkehrte, teilte der Beklagte der Klägerin mit, er kürze den Erholungsurlaub gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG um ein Zwölftel für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit. Anschließend wurde das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien beendet.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte sei zur Abgeltung ihres Urlaubs aus den Jahren 2007 bis 2015 i. H. v. insgesamt 190 Urlaubstagen verpflichtet. Sie hat insbesondere die Auffassung vertreten, die Kürzungsbefugnis gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG sei nicht europarechtskonform. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben der entsprechenden Zahlungsklage teilweise stattgegeben.

Mit seiner Revision vor dem BAG verfolgt der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage weiter.

Entscheidung

Die Revision des Beklagten war begründet, soweit der Klägerin Abgeltung für mehr als 70,5 Arbeitstage Urlaub zugesprochen wurde.

Nach Ansicht des BAG hat die Klägerin insbesondere keinen Abgeltungsanspruch gegen den Beklagten für das Jahr 2008 von mehr als 6,25 Arbeitstagen. Insoweit hat das LAG die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Anspruch der Klägerin auf 6,25 Arbeitstage Urlaub aus dem Jahr 2008 ist weder auf volle Urlaubstage auf- noch auf volle Urlaubstage abzurunden, da es für eine Rundung an der erforderlichen Rechtsgrundlage fehlt.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 BUrlG, der eine Aufrundung von bruchteiligen Urlaubstagen vorsieht, sind nicht erfüllt. Zum einen findet § 5 Abs. 2 BUrlG bereits deshalb keine Anwendung, weil die Regelung nur bruchteilige Urlaubsansprüche erfasst, die mindestens einen halben Tag ergeben. Dies ist bei dem von der Klägerin beanspruchten Bruchteil i. H. v. 0,25 Arbeitstagen Urlaub nicht der Fall. Zum anderen beantwortet die Regelung allein die Frage, unter welchen Voraussetzungen Teilurlaub i. S. d. § 5 Abs. 1 BUrlG zu runden ist. Der von der Klägerin für das Jahr 2008 geltend gemachte bruchteilige Urlaubsanspruch ist kein Teilurlaub. Dieser resultiert allein daraus, dass der Beklagte den Anspruch aufgrund der Inanspruchnahme der Elternzeit gekürzt hat.

Die Frage, ob der Beklagte gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG überhaupt berechtigt war, den Urlaub der Klägerin zu kürzen oder ob Unionsrecht dem entgegensteht, hat der Senat insoweit nicht entscheiden müssen, da diesbezüglich Rechtskraft eingetreten war.

Konsequenzen

Eine Rundung von bruchteiligen Urlaubsansprüchen kommt nach der Entscheidung des BAG nur bei Vorliegen von gesetzlichen, tarif- oder arbeitsvertraglichen Bestimmungen in Betracht. Die bisher sehr umstrittene Frage, ob § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG mit dem Unionsrecht vereinbar ist, hat das BAG in der vorliegenden Entscheidung ausdrücklich offengelassen. Der EuGH hat allerdings mittlerweile entschieden, dass nationale Regelungen, die zu einer Kürzung des Mindesturlaubs wegen Zeiten der Elternzeit führen, europarechtskonform sind (EuGH, Urt. v. 4.10.2018 – C-12/17, „Dicu“). Damit steht der Kürzung des Urlaubsanspruchs aufgrund der Inanspruchnahme von Elternzeit grundsätzlich nichts mehr im Wege.

Praxistipp

Sofern Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit nach § 17 Abs. 1 BEEG Gebrauch machen wollen, sollte die Kürzung des Erholungsurlaubs aus Gründen der Rechtssicherheit ausdrücklich gegenüber dem Arbeitnehmer – bestenfalls schriftlich – erklärt werden. Zudem ist zu empfehlen, die Erklärung vor oder während der Elternzeit abzugeben. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Urlaub nicht mehr gekürzt werden, da insoweit nur noch ein Urlaubsabgeltungsanspruch besteht.

Wollen Arbeitgeber die Gewährung bzw. Abgeltung von bruchteiligen Urlaubsansprüchen verhindern, bietet es sich an, bereits im Arbeitsvertrag eine Regelung zur Rundung von Urlaubsansprüchen zu treffen. Dies gilt sowohl für den vertraglichen Mehrurlaub als auch für den gesetzlichen Mindesturlaub.

 

Mit freundlicher Genehmigung der HUSS-MEDIEN GMBH aus AuA 4/19, S. 247.